Weinlese im mainfränkischen Frickenhausen: Eine junge Frau erntet rote Trauben der Rebsorte Dornfelder. (Bild: dpa/Karl-Josef Hildenbrand)
Frankenwein

Junger Wein mit globalem Potenzial

Aus dem Bayernkurier: Ob in Unter- oder Oberfranken oder am Bodensee: Getrieben von jungen, motivierten Winzern etabliert sich bayernweit eine neue Bewegung, die mit modernen Weinkreationen überrascht, und obendrein den Tourismus kräftig ankurbelt.

Manchmal greift in bayerischen Weinbergen noch heute ein uralter Generationenkonflikt. Auch als Teresa Deufel das väterliche Weingut in Lindau am Bodensee übernehmen sollte, sträubte sie sich zunächst vehement vor der Verantwortung, einen etablierten Betrieb zu übernehmen. Doch als ihr Vater ganz unerwartet starb und es keinen anderen Nachfolger gab, entschied sie sich, das Lebenswerk ihrer Vorfahren weiterzuführen.

Inzwischen produziert die 35-jährige Bayerin seit rund zehn Jahren unter der Marke „Teresa Deufel Weine“ ganz individuelle Weine, die nicht nur in Deutschland hohe Beachtung finden. Nebenbei betreibt sie eine Rädlewirtschaft, die auch als Raum für Kulturausstellungen und Konzerte dient, sowie ein idyllisches Feriendomizil. „Ich musste anfangs viel Lehrgeld bezahlen“, sagt die Jungwinzerin, „aber ich bereue den Schritt heute auf gar keinen Fall.“

Bayerns Rebfläche wächst

Teresa Deufel verkörpert eine junge Generation von Winzerinnen und Winzern in Bayern, die heute die Weinberge ihrer Väter übernehmen und dabei gewohnte Pfade verlassen. In den Weinregionen des Freistaats etabliert sich derzeit eine neue Generation von Wine-Makern, wie manche sich auf Neudeutsch nennen. Sie verlassen mit innovativen Konzepten die erdigen Geschmacksmuster und verleihen ihren Rebensäften einen individuellen Touch. So experimentieren viele Jungwinzer mit neuer Kellertechnik, lassen ihre Weine länger lagern und schenken ihnen mit viel Feingefühl einen ganz individuellen, frischen Charakter.

Unter den aktuell 3.484 Weinbaubetrieben, welche die bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in ihrer Statistik zählt, rücken immer mehr Jungwinzer nach, die nicht mehr nur regional produzieren wollen, sondern mit ihren Gewächsen auch oft schon den Weltmarkt anpeilen. Bei steigender Nachfrage wächst auch die Gesamtrebenfläche im Freistaat stetig. In 2015 waren es noch 6.295 Hektar, im vergangenen Jahr wurden schon 6.357 Hektar bewirtschaftet.

Weinreisen liegen im Trend

Der größte Teil der Fläche befindet sich mit 6.270 Hektar in Franken. Hier werden aber nicht mehr nur die traditionellen Leitsorten Silvaner oder Müller-Thurgau angebaut. Im herausragenden Weißweingebiet nimmt inzwischen auch der Anteil an Rotwein stark zu und umfasst bereist zwanzig Prozent der Rebflächen. Die junge Winzergeneration produziert hier hochwertige Gewächse, mit denen sich einige von ihnen bereits an die deutsche Weinspitze vorgearbeitet haben und inzwischen internationale Erfolge feiern.

Um die globale Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Weinbaugebiete weiter zu fördern, unterstützt das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vor allem die fränkischen Weingüter mit einem speziellen Programm, das bereits erste Früchte trägt. Mit der rasanten Qualitätssteigerung gestaltet sich die Weinregion auch immer attraktiver für den Tourismus. Weinreisen in die Anbaugebiete am Main liegen derzeit im Trend.

Erst im Februar zeichnete Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber innerhalb des diesjährigen Weintourismus-Preises den Verein „Gästeführer Weinerlebnis Franken“ aus. „Mit Engagement und Leidenschaft für den Frankenwein und für diese einzigartige Region hat der Verein dazu beigetragen, dass der Weintourismus in Franken zu einer echten Erfolgsgeschichte geworden ist“, bekräftigt die Ministerin.

Wandern, schmausen, einschenken

Was vor über zwanzig Jahren mit einem Lehrgang begann, ist inzwischen eine erfolgreiche Gemeinschaft von knapp 300 ausgebildeten Gästeführern geworden. Waren es 2002 noch 721 Führungen mit 9.350 Gästen, so sind es mittlerweile rund 6.300 Touren mit mehr als 125.000 Teilnehmern pro Jahr. Der Weintourismus in Franken ist nach den Worten der Ministerin auch zu einem Vorreiter und Vorbild für andere Regionen geworden. Angeblich sichert der spezielle Rebensafttourismus in der Region bereits mehr als 32.000 Arbeitsplätze und generiert einen jährlichen Umsatz von 2,3 Milliarden Euro – mit steigender Tendenz.

Der von der Landesregierung geförderte Weinbau schweißt offensichtlich zusammen. So gründeten schon vor knapp zwanzig Jahren sieben Ortschaften in Unter- und Oberfranken das „Weinparadies Franken“, um Besuchern der Region die örtlichen Weine näherzubringen. Während zur Initiative einst nur wenige Betriebe zählten, gehören heute bereits rund 250 Winzer, davon 52 Weinvermarkter und 30 Winzerstuben sowie mehrere Wirtschaften, dazu.

Tradition und Moderne

Mit von der Partie ist auch Bianca Kilian vom Weingut Wellmann in Ippesheim. Die Jungwinzerin studierte einst Weinbau und Önologie und bringt frische Ideen in das etablierte Familienunternehmen. Die engagierte Fränkin produziert neben den traditionellen Produkten inzwischen ihre eigene Weinlinie, darunter ein facettenreiches Weißwein-Cuvée aus Traminer und Faberrebe sowie einen fruchtig-leichten Riesling, moderne Weißburgunder sowie einen nach roten Beeren schmeckenden Rosé. Ihr Handwerk verfolgt Kilian ganz nach der Devise: „Tradition und Moderne vereinen wir unter dem Motto, aus Gutem etwas Besonderes machen.“

Diese Philosophie haben sich im fränkischen Weinland auch die meisten der neuen Jungwinzer auf die Fahnen geschrieben. Als Aushängeschild vieler Newcomer gilt jedoch noch immer der traditionelle Silvaner, der harmonische Weine mit feiner Säure und zarter Blume bringt. Vor allem dort, wo die Reben auf begehrten Muschelkalk- und Keuperböden wachsen, zaubert der Nachwuchs heute Weine, die international Furore machen. Auch die feinaromatische Sorte Müller-Thurgau, die lange Zeit von jüngeren Konsumenten als altbacken verschmäht wurde, erlebt durch modernen Ausbau eine Renaissance. Das gilt auch für eine weitere regionale Spezialität, die Rebsorte Bacchus, die zwar angenehme Fruchtnoten in den Wein bringt, bei der aber Liebhaber des Frankenweins häufig die Säure vermissen.

Das Runde muss ins Eckige – der neue Bocksbeutel

Viele der jungen Winzer brechen auch mit einer anderen Tradition: Das wichtigste Alleinstellungsmerkmal für die fränkische Rebensaftkultur war seit jeher der Bocksbeutel. Erste Hinweise auf dieses Gefäß sind im Handwerker- und Ökonomiebuch eines gewissen Wertheimer Glasbläsers namens Mathis Wenzel zu finden, der diese Flasche einst dem Hodensack eines Ziegenbocks nachempfunden haben soll.

Für viele Jungwinzer, die heute für neue Zielgruppen produzieren, verliert der Bocksbeutel an Attraktivität. Da er aber noch immer als auffälligstes Merkmal für den Frankenwein gilt, unterzogen sie die Flasche einem Relaunch. Sie präsentiert sich seit rund vier Jahren in einem schlanken und modernen Design.

Rotweine von Fürst

Sebastian Fürst füllt im Traditionsweingut Rudolf Fürst in Bürgstadt seine Weine nicht im klassischen Bocksbeutel ab, dafür zählt er aber gemeinsam mit seinem Vater Paul zu den besten Winzern der Nation. Nach vielen Trophäen wurden die Fürsts vom Weinführer „Falstaff“ zuletzt 2018 zu Winzern des Jahres gekürt.

Der Junior hat seine eigene Handschrift eingebracht, mit dem Ergebnis: Fürst gilt heute – bevorzugt durch ein besonderes Mikroklima in seinen Lagen – als einer der besten Rotweinproduzenten im Lande, was im eher rauen Weinklima des Frankenlandes als echte Besonderheit gilt. So bewegen sich die „Großen Gewächse“ des Winzers heute in der Top- 10-Liste deutscher Rotweine.

Nachhaltige Bewirtschaftung

Auch Ilonka Scheuring vom gleichnamigen Weingut im 3.000-Seelen-Dorf Margetshöchheim, nordwestlich von Würzburg, konnte sich bereits über eine Auszeichnung als beste fränkische Nachwuchswinzerin freuen. Was ihre hocharomatischen Weine, die von kräftigen Roten über elegante und fruchtige Weiße bis zu prickelnden Winzersekten und Sorten aus dem Barriquefass reichen, so besonders macht, ist wohl nicht nur der Geschmack, sondern auch das nachhaltige Bewirtschaften ihrer Weinberge.

Bei der gebürtigen Fränkin stehen sowohl Umwelt- als auch Naturschutz im Mittelpunkt ihrer Produktion. So beheizt die Fränkin den ganzen Betrieb mit Holz aus heimischen Wäldern und betreibt neben dem Weinberg noch Streuobstwiesen für Wild und Bienen. „Mir sind eben nicht nur die Weine wichtig, sondern auch die Bedingungen, unter denen er produziert wird“, betont die quirlige Jungwinzerin, „und die sollen möglichst ressourcenschonend und umweltfreundlich sein.“