Die SPD will ihre Milliardenschwere Gießkannen-Rente mit Luftbuchungen und höheren Steuern finanzieren. (Symbolfoto: Imago/Christian Ohde)
SPD-Grundrente

Unseriös und unsozial

Luftbuchungen und Taschenspielertricks: CSU und CDU reagieren verärgert auf die Grundrentenpläne der SPD. Die Finanzierung ist unseriös und geht auf Kosten der Sozialkassen. Und das Konzept verstößt absichtlich gegen den Koalitionsvertrag.

Aus der Union kommt massive Kritik an den Plänen der SPD zur Finanzierung ihrer Gießkannen-Grundrente über höhere Steuern. Eine strikte Absage erteilte CSU-Chef Markus Söder: „Wir wollen die Grundrente – aber so sicher nicht“, erklärte Söder in München. Eine Grundrente müsse solide finanziert sein, nicht über Steuererhöhungen. Zudem besteht die CSU darauf, dass nur Rentner die Grundrente bekommen, die darauf angewiesen sind. „Die Bedürftigkeitsprüfung ist im Koalitionsvertrag klar vereinbart“, betonte Söder und kritisierte, das Vorgehen der SPD habe nur mit Sorge vor der Europawahl zu tun.

Wir haben vereinbart, Steuern zu senken und nicht Steuern zu erhöhen.

Markus Söder

„Die SPD hat zum wiederholten Mal ein völlig unseriöses Finanzierungskonzept vorgelegt“, kritisierte der Ministerpräsident. „Erst wollte man das Ganze aus dem Haushalt finanzieren – aber der Bundesfinanzminister hatte dafür kein Geld. Dann plante die SPD den Griff in die Sozialkassen – aber das wäre unsozial. Und jetzt soll es mit Steuererhöhungen finanziert werden.“

Geld verplant, das nicht existiert

Woche für Woche komme die SPD mit neuen Steuererhöhungs-Plänen, so Söder: „Grundsteuer, CO2-Steuer, Hotelsteuer, Tabaksteuer. Keiner weiß, wo das enden soll.“ In Zeiten von Rekordsteuereinnahmen sei es aber absurd, jede Leistung mit Steuererhöhungen finanzieren zu wollen. „Dies widerspricht dem Grundgeist des Koalitionsvertrages“, sagt Söder. „Wir haben vereinbart, Steuern zu senken und nicht Steuern zu erhöhen.“

Laut Gesetzentwurf von Sozialminister Hubertus Heil (SPD) soll der ab 2021 geplante Rentenzuschlag für langjährige Geringverdiener vorwiegend aus Steuermitteln finanziert werden. Auf den ursprünglich von der SPD geplanten, tiefen Griff in die Rücklage der Rentenkasse will Heil teilweise verzichten, dafür will er sich aus der Kranken- und Arbeitslosenversicherung bedienen. Auch die von der Union als Grundbedingung geforderte Bedürftigkeitsprüfung für diese Sozialleistung soll es nicht geben. Auf das hochumstrittene Konzept hat sich Heil laut eigener Aussage mit Finanzminister Olaf Scholz (SPD) verständigt.

Bis zu 4,8 Milliarden Euro pro Jahr

In einem Faktenpapier zum Entwurf, aus dem die BILD-Zeitung zitiert, heißt es zu den Kosten: „Die Kosten für die Grundrente belaufen sich im Einführungsjahr 2021 auf rund 3,8 Mrd. Euro, in den Folgejahren steigen sie voraussichtlich leicht: 2022 auf 4,1 Mrd., 2023 auf 4,3 Mrd., 2024 auf 4,5 Mrd. und 2025 auf 4,8 Mrd. Euro.“ Die Grundrente sollen laut SPD Rentner bekommen, die 35 Jahre lang gearbeitet und Beiträge bezahlt haben, aber trotzdem nur Mini-Renten beziehen. Zeiten von Kindererziehung und Pflege sollen mitgezählt werden. Laut Rentenversicherung würden etwa drei Millionen Rentner davon profitieren.

Die SPD plant mit Phantom-Steuern.

Alexander Dobrindt

Um die Milliardenkosten zu decken, rechnet die SPD unter anderem mit Einnahmen aus der europäischen Finanztransaktionssteuer in Höhe von 500 Millionen Euro pro Jahr – die es bisher aber noch gar nicht gibt. Zudem hatte die SPD im Europawahlprogramm versprochen, dass die Einnahmen aus dieser Phantom-Steuer allein der EU zugutekommen sollen – die SPD setzt also offenbar auf die Vergesslichkeit der Menschen.

Weitere 700 Millionen Euro soll nach den SPD-Plänen die Abschaffung der Mehrwertsteuer-Erleichterung für Hotels und Pensionen bringen. 2009 wurde der Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen von damals 19 auf 7 Prozent gesenkt. Dies hat den Investitionsstau in der Hotellerie behoben.

Einseitige Bevorzugung

„Mit unseriösen Finanzierungsvorschlägen und eindeutig gegen den Koalitionsvertrag gerichteten Modellen ohne Bedürfnisprüfung fährt die SPD das Thema Grundrente gegen die Wand“, kritisierte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Zur Finanzierung einer Grundrente plane die SPD „mit Phantom-Steuern, die gar nicht zur Verfügung stehen und will zusätzlich noch tief in die Sozialkassen greifen“.

Eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung ist nicht zielgerichtet, nicht gerecht und übersteigt bei weitem die Rahmenbedingungen solider Haushaltspolitik.

Kerstin Schreyer

Dobrindt erklärte, die CSU wolle eine Grundrente, die dafür sorge, dass Menschen, die lange gearbeitet haben, in der Grundsicherung besser stehen als Menschen mit nur geringen Beschäftigungszeiten. Die SPD-Pläne würden dagegen dazu führen, dass auch Renten von Ehepartnern aufgestockt werden, deren Haushaltseinkommen höher seien als die von manchen Arbeitnehmern, die dafür bezahlen sollten. Dobrindt unterstrich, im Koalitionsvertrag sei bereits ein Maßstab vereinbart, ob es innerhalb eines Familieneinkommens ein Bedürfnis für eine Grundrente gebe.

SPD verstößt gegen Koalitionsvertrag

„Keine Einführung einer Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung und mit finanziellen Taschenspielertricks“, stellte auch Bayerns Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU) klar. Sie lehnt den SPD-Entwurf rundweg ab. „Eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung ist nicht zielgerichtet, nicht gerecht und übersteigt gerade in Zeiten zurückgehender Steuermehreinnahmen bei weitem die Rahmenbedingungen solider Haushaltspolitik“, sagte Schreyer. Schreyer wörtlich: „Mit dem bayerischen Modell eines Rentenschutzschirms fürs Alter helfen wir zielgenau und leistungsgerecht genau da, wo Menschen Hilfe brauchen. Das Geld mit der Gießkanne zu verteilen, wie es der Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil vorsieht, ist weder sozialpolitisch sinnvoll, noch finanzpolitisch zu verantworten.“

Eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung ist grundfalsch – weil sie dem Koalitionsvertrag widerspricht und die Solidarität aller Steuerzahler ausnutzen würde.

Markus Blume

„Mit der geplanten Finanztransaktionssteuer werden Einnahmen verteilt, die es noch gar nicht gibt. Das sind Taschenspielertricks. Das ist Wahlkampfklamauk“, so die Ministerin. Sie betonte: „Daneben ist auch der Griff in die eben erst stabilisierte Kranken- und Arbeitslosenversicherung vorgesehen. Das ein völlig falscher Ansatz und verwässert die Grundprinzipien des Sozialversicherungssystems.“ Schreyers Gesamturteil: „Die Grundrente ist eine versicherungsfremde Leistung, der keine entsprechenden Beitragszahlungen gegenüberstehen – weder in der Rentenversicherung noch in einem anderen Zweig der Sozialversicherung. Die Finanzierung der Grundrente muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe voll umfänglich aus Steuermitteln erfolgen.“

Auch CSU-Generalsekretär Markus Blume äußerte sich zu den SPD-Plänen: „Bei der SPD liegen die Nerven blank. Während wir vor Schicksalstagen für Europa stehen, veranstaltet die SPD Chaostage in der Koalition. Ein Chaoskonzept soll nun den freien Fall der Sozis stoppen, macht aber alles nur noch schlimmer. Eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung ist grundfalsch – weil sie dem Koalitionsvertrag widerspricht und die Solidarität aller Steuerzahler ausnutzen würde.“ Blume lehnt insbesondere die SPD-Geldverteilung ohne Bedürftigkeitsprüfung ab: „Das Gießkannen-Prinzip der SPD ist unsolidarisch und gefährdet die Idee der Grundrente als ganzes. Die SPD soll zu Sacharbeit und Vernunft zurückkehren – wenn der Koalitionsvertrag im Willy-Brandt-Haus verloren gegangen ist, schicken wir ihn gerne nochmal zu. Richtig ist eine Grundrente für die wirklich Bedürftigen: Eine gerechte Grundrente entlang dem Koalitionsvertrag kann die SPD mit CDU und CSU sofort einführen, statt nur Wahlkampfgags zu machen.“

Luftbuchungen und Populismus

Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe (CDU) kritisierte vor allem den Plan, auf eine Bedürftigkeitsprüfung zu verzichten. „Das ist ein milliardenschwerer Verstoß gegen den Koalitionsvertrag, in dem wir uns auf eine Bedürftigkeitsprüfung verständigt haben“, sagte der CDU-Politiker der Rheinischen Post. Da die Union sich darauf nicht einlassen könne, müssten jetzt jene Menschen auf die Grundrente warten, die das Geld wirklich bräuchten.

Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung reagierte empört auf die von der SPD geplante Erhöhung der Hotel-Mehrwertsteuer. „Das machen wir nicht mit“, sagte Wirtschafts-Staatssekretär Thomas Bareiß (CDU). „Die Ideen von Scholz würden über 40.000 kleine und mittelständische Hotel- und Beherbergungsbetriebe im Mark treffen und zu enormen Mehrbelastungen führen.“ Würden die Pläne umgesetzt, führe dies auch zu Wettbewerbsverzerrung, weil in den Nachbarländern überwiegend ein reduzierter Steuersatz gelte.