Bundesinnenminister Horst Seehofer (r.) und BKA-Präsident Holger Münch präsentieren die Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität für 2018. (Foto: dpa/Wolfgang Kumm)
Seehofer

Extremisten-Kriminalität geht zurück

Insgesamt ist 2018 die Zahl extremistisch motivierter Straf- und Gewalttaten zurückgegangen. Sorgen bereiten vor allem antisemitische Straftaten sowie die steigende importierte politische Gewalt - besonders aus der Türkei und Nahost.

Die politisch motivierte Kriminalität (PMK) ist im vergangenen Jahr zum zweiten Mal in Folge zurückgegangen. Das haben Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und BKA-Präsident Holger Münch bei der Präsentation der Fallzahlen für 2018 erklärt.

Während im Bereich Rechtsextremismus die Zahl der Straf- und Gewaltdelikte in etwa konstant blieb, gingen sie im linksextremen Bereich stark zurück, weil es 2018 kein „Großereignis“ gab wie die Ausschreitungen in Hamburg beim G20-Gipfel im Jahr 2017. Stark zugenommen haben dagegen die Straftaten, die mit politisch-nationalen Konflikten im Ausland zu tun haben, vor allem in der Türkei und Nahost.

Wir haben allen Grund, wachsam zu bleiben. Der Rechtsstaat wird auch in Zukunft mit allen Mitteln gegen jede Form politisch motivierter Kriminalität vorgehen.

Horst Seehofer (CSU), Bundesinnenminister

„Die Zahl der politisch motivierten Straftaten ist 2018 erneut gesunken. Das ist aber kein Grund zur Entwarnung: Die politisch motivierte Kriminalität bewegt sich weiterhin auf hohem Niveau“, erklärte Seehofer dazu. „Wir haben allen Grund, wachsam zu bleiben. Der Rechtsstaat wird auch in Zukunft mit allen Mitteln gegen jede Form politisch motivierter Kriminalität vorgehen.“

Das Bundeskriminalamt hat für 2018 genau 36.062 politisch motivierte Straftaten erfasst. Damit befindet sich die politisch motivierte Kriminalität auf dem dritthöchsten Stand seit Einführung dieser Statistik im Jahr 2001.

Mehr ausländerfeindliche und antisemitische Straftaten

Die Straftaten im „Phänomenbereich PMK Rechts“ bleiben mit 20.431 registrierten Taten auf Vorjahresniveau (2017: 20.520) und machen weiterhin die Hälfte aller registrierten PMK-Straftaten aus. Die rechts motivierten Gewaltdelikte sind nach einem starken Rückgang 2017 wieder leicht angestiegen, um 2,3 Prozent. Allerdings ist die Zahl der „fremdenfeindlichen Straftaten“ im vergangenen Jahr um fast 20 Prozent auf rund 7700 gestiegen.

Der Staat muss seine Bürger vor Rassismus schützen.

Volker Ullrich, innenpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag

„Unser Rechtsstaat bekämpft Hasskriminalität aus allen Richtungen“, erklärt dazu der innenpolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Volker Ullrich. „Menschen, die andere wegen ihrer Hautfarbe oder Religion angreifen, werden von unseren Sicherheitsbehörden konsequent verfolgt und erhalten ihre gerechte Strafe. Besonders aufmerksam müssen wir bei Straftaten sein, die aus ausländerfeindlichen Motiven heraus begangen werden. Der Staat muss seine Bürger vor Rassismus schützen.“

Überwachung der Szene in Online-Netzwerken

Insbesondere betont Ullrich: „Deshalb brauchen wir ein stärkeres Vorgehen gegen die Enthemmung der rechtsextremen Szene in Online-Netzwerken. Wir sollten unseren Behörden mehr Möglichkeiten einräumen, rechtsextreme Gruppen strafrechtlich auch verfolgen zu können. Rechte Gewalt findet ihren Nährboden in einer radikalen Sprache. Jeglicher Form von rechtsextremer Gewalt müssen wir uns mit allen Mitteln entgegenstellen.“

Auf keinem Pausenhof in Deutschland dürfen Hänseleien wegen der Herkunft oder Religion salonfähig sein.

Volker Ullrich

Einen ähnlich hohen Anstieg verzeichneten die Sicherheitsbehörden bei den antisemitisch motivierten Straftaten. Bundesinnenminister Seehofer erklärte dazu, knapp 90 Prozent der 1799 antisemitischen Straftaten des vergangenen Jahres seien dem „Phänomenbereich rechts“ zuzuordnen.

„Auf keinem Pausenhof in Deutschland dürfen Hänseleien wegen der Herkunft oder Religion salonfähig sein. In den Lehrplänen muss Politik-Unterricht wieder mehr Raum einnehmen. Unser starker Rechtsstaat kennt keine Gnade bei extremistischen Übergriffen und wehrt sich mit allen Mitteln, die er hat“, fordert CSU-Innenexperte Ullrich angesichts dieser Entwicklung.

Gewaltsame Angriffe gegen Polizeibeamte oder Andersdenkende haben mit Versammlungs- oder Meinungsfreiheit nichts zu tun.

Horst Seehofer

Deutlich abgenommen hat die Zahl der Angriffe auf Asyl- und Flüchtlingsunterkünfte. Gegenüber dem Vorjahr ist ein Rückgang auf 173 Straftaten zu verzeichnen (2017: 312). Damit hat sich der seit Februar 2016 rückläufige Trend weiter fortgesetzt und die Zahlen liegen wieder unter dem Niveau des Jahres 2014.

„Die Zahl der Übergriffe auf Flüchtlinge ist gesunken. Besonders deutlich wird dies bei den Angriffen auf Asylunterkünfte: Hatten wir im Jahr 2016 noch 995 Angriffe, waren es im Jahr 2018 nur noch 173, also ein Rückgang um über 80 Prozent in zwei Jahren“, so Seehofer.

Linksextremisten: Weiter hohe Gewaltbereitschaft

Die Straftaten im „Phänomenbereich PMK Links“ sind im Vergleich zu 2017 (9752) um 18 Prozent auf 7961 Taten zurückgegangen. Von 1340 von Linken verübten Gewaltdelikten waren 815 gegen die Polizei gerichtet.

Viele links motivierte Straftaten wurden 2018 insbesondere im Zusammenhang mit den von den Grünen unterstützten Klimaprotesten gegen den Braunkohleabbau im Hambacher Forst verübt. „Gewaltsame Angriffe gegen Polizeibeamte oder Andersdenkende haben mit Versammlungs- oder Meinungsfreiheit nichts zu tun“, betonte Seehofer. „Der Rechtsstaat wird auch in Zukunft sein Gewaltmonopol durchsetzen und Straftaten konsequent verfolgen.“

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Anteil der Gewaltdelikte an den Gesamt-Straftaten im linksextremen Bereich mit 17 Prozent deutlich höher ist als im rechtsextremen Bereich (6 Prozent).

Importierte Gewalt aus Nahost mehr als verdoppelt

Einen massiven Anstieg registrierte die Polizei bei Straftaten, die in Zusammenhang mit politischen Konflikten im Ausland stehen: Im „Phänomenbereich PMK ausländische Ideologie“ haben sich die Fallzahlen im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt auf 2487 Straftaten.

Den quantitativen Schwerpunkt bilden Straftaten mit Türkeibezug. Die türkische Militäroffensive in Afrin habe zu einem deutlichen Anstieg „versammlungstypischer Straftaten“ geführt, aber auch zu Angriffen auf türkische Einrichtungen in Deutschland. Mit dem militärischen Vorgehen der Türkei seien die Kurden als Volksgruppe in den Augen der Öffentlichkeit stärker als Opfer wahrgenommen worden. Trotzdem bleibe die umfassende Bekämpfung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) oberstes Ziel, erklärte Seehofer.

Der  Staat wird auch weiterhin alles tun, damit ausländische terroristische oder extremistische Organisationen Deutschland nicht als Aktionsfeld nutzen.

Horst Seehofer

„Deutschland ist Resonanzboden von Konflikten in der Welt, insbesondere in den Krisenregionen im Mittleren und Nahen Osten. Deswegen wird der Staat auch weiterhin alles tun, damit ausländische terroristische oder extremistische Organisationen Deutschland nicht als Aktionsfeld nutzen. Das gilt auch und gerade für die PKK“, sagte der Bundesinnenminister dazu.

Die Zahl der Delikte radikaler Islamisten ging dagegen zurück. Das könnte nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden damit zusammenhängen, dass die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak zurückgedrängt wurde. Allerdings betont das Innenministerium: „Trotz der rückläufigen Fallzahlen ist weiterhin davon auszugehen, dass die Bundesrepublik Deutschland im Blickpunkt islamistischer Terroristen steht und dass vom islamistischen Terrorismus eine große Gefahr für die Innere Sicherheit ausgeht. Dies machen nicht zuletzt die im Jahr 2018 verhinderten Anschläge und Anschlagsplanungen deutlich.“

Seehofer plant „Hackback“ gegen Cyber-Angriffe

Nach Seehofers Willen sollen deutsche Sicherheitsbehörden die Befugnis zum digitalen Gegenschlag im Fall von Cyberattacken bekommen. „Die aktive Cyberabwehr wird im Juni im Bundessicherheitsrat besprochen“, kündigte der Innenminister an. Der sogenannte „Hackback“ solle aber immer nur die letzte Möglichkeit bleiben, wenn alles andere versage. Dies könne bei einem größeren Cyberangriff auf kritische Infrastruktur wie die Energieversorgung oder Krankenhäuser der Fall sein.

Mit einem „Hackback“ kann etwa ein Server ausgeschaltet werden, über den ein Angriff vom Ausland aus gesteuert wird. Auch die Stilllegung von Leitungen ist nach den Worten Seehofers denkbar. Um den digitalen Gegenschlag zu ermöglichen, sei wahrscheinlich eine Grundgesetzänderung nötig, da es sich eigentlich um eine Aufgabe der Länder handle, sagte Seehofer. „Aber wenn man bei solchen Szenarien zu dem Ergebnis kommt, dass es die Länder allein nicht schultern können, gehört es zu unserer Pflicht, uns auf eine solche Situation rechtlich vorzubereiten“.