Schwierige Einigung: Innenminister Horst Seehofer und Justizministerin Katharina Barley. (Bild: Imago/Jens Jeske)
Seehofer

SPD gegen Asylrechtsänderungen

Im wochenlangen Kampf von Bundesinnenminister Horst Seehofer um weitere Reformen im Asyl- und Aufenthaltsrecht hat die große Koalition nun eine Hürde genommen. Allerdings widersetzt sich die SPD noch immer wichtigen Veränderungen.

Am Donnerstag wurde ein Entwurf von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) für strengere Regeln zur Durchsetzung von Abschiebungen zur Stellungnahme an Länder und Verbände verschickt –  das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“. Es ist ein Teil-Kompromiss, weil sich die SPD noch immer gegen wichtige Änderungen im Asylrecht stellt.

Mitwirkung bei Identitätsfeststellung

Seehofer will unter anderem eine eigene Kategorie für Migranten schaffen, die sich nach Einschätzung der Behörden nicht genügend um die Beschaffung fehlender Papiere bemühen. Diese „Duldung mit ungeklärter Identität“ würde Betroffene schlechter stellen als regulär Geduldete. Das Fehlen von Papieren wird bei immerhin 41 Prozent der Duldungen als Grund für die Unmöglichkeit der Ausreise genannt. Immer noch kommen zudem viele Migranten ohne Papiere an und viele davon verhindern aktiv und passiv die Feststellung ihrer Identität.

Abschiebungen scheitern zu oft, weil die Ausreisepflichtigen es zu leicht haben, die Abschiebung zu sabotieren und platzen zu lassen.

Thomas Strobl

In dem Entwurf, über den dpa berichtet, heißt es, wer nicht alle „zumutbaren Handlungen“ vornehme, um einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz zu erlangen, dem solle künftig unter anderem ein Bußgeld drohen. Auch das Arbeiten in Deutschland wäre nicht erlaubt, eine Ausbildungsförderung entfällt. Als zumutbar gilt zum Beispiel die rechtzeitige Antragstellung auf Papiere bei den Behörden des Herkunftslandes und unter bestimmten Umständen auch die Erfüllung der Wehrpflicht im Heimatland.

Eine reguläre Duldung bekommen Menschen, die zwar nicht als Asylbewerber anerkannt worden sind, aber auch nicht abgeschoben werden – etwa aus humanitären Gründen.

Probleme bei der Abschiebehaft

Umstritten war bis zuletzt auch eine von Seehofer geforderte Ausnahmeregelung, die vorübergehend eine Abschiebehaft in regulären Gefängnissen erlaubt. Das soll nun bis zum 1. Juli 2022 möglich sein – weil es aktuell bundesweit nur rund 490 Abschiebehaftplätze gibt. Allerdings sollen die Ausreisepflichtigen getrennt von normalen Häftlingen untergebracht werden. Ab August 2022 soll es Abschiebehaft im Gefängnis dann nur noch für Ausländer geben, die ausgewiesen werden, weil sie eine Straftat begangen haben.

Es gibt eine akute Not an speziellen Haftplätzen für Abschiebekandidaten.

Hans-Eckhard Sommer

Der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Hans-Eckhard Sommer, sagte dem Magazin Focus: „Es gibt eine akute Not an speziellen Haftplätzen für Abschiebekandidaten. Bayern und NRW sind da noch gut aufgestellt, andere Länder haben keine oder kaum Plätze.“ Er kritisierte, ohne die entsprechenden Plätze könnten sich „Menschen, die unser Land verlassen müssen, leicht der Abschiebung entziehen“. Auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl erklärte, warum er die neuen Regeln für nötig hält: „Abschiebungen scheitern zu oft, weil die Ausreisepflichtigen es zu leicht haben, die Abschiebung zu sabotieren und platzen zu lassen.“

SPD widersetzt sich sinnvollen Änderungen

Geplant ist jetzt, dass über diesen Entwurf und über die von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erarbeitete Reform des Asylbewerberleistungsgesetzes nächste Woche im Kabinett beraten werden soll. Damit dürfte nun auch der bislang von der Union blockierten Beratung über das geplante Fachkräfteeinwanderungsgesetz im Bundestag im Mai nichts mehr im Weg stehen. Denn CDU und CSU hatten zur Bedingung gemacht, dass die SPD endlich den Maßnahmen zustimmt, die verhindern sollen, dass Ausländer kurz vor ihrer Abschiebung untertauchen.

Allerdings: In einem Punkt hakt es immer noch. Wie die dpa aus Regierungskreisen erfuhr, sträuben sich die SPD-geführten Ressorts gegen die Verlängerung des Aufenthalts von Asylsuchenden in Erstaufnahmeeinrichtungen in der bisher von Seehofer vorgeschlagenen Form. Derzeit sind Ausländer, die einen Asylantrag stellen, verpflichtet, bis zu sechs Wochen, „längstens jedoch bis zu sechs Monaten, in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen“. Das Innenministerium hatte vorgeschlagen, dass sie künftig in der Regel dort bleiben sollen, bis über ihren Asylantrag entschieden ist. Und: Wer aus einem sogenannten sicheren Herkunftsland kommt, soll im Prinzip bis zur Ausreise in der Unterkunft bleiben. Ein sinnvolles Vorgehen aus Sicht der Union, da in den meisten Fällen diese Frist mittlerweile ohnehin eingehalten wird.

Widerrufsprüfung gefährdet

Weil es zur Verweildauer in den Unterkünften noch keine Einigkeit gibt, lässt nun auch eine unumstrittene, aber zeitkritische Regelung, die in den selben Gesetzentwurf aufgenommen werden sollte, auf sich warten. Dabei geht es um eine Fristverlängerung für die sogenannte Widerrufs- und Rücknahmeprüfung von drei auf fünf Jahre. Damit soll sichergestellt werden, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) die vielen Entscheidungen über Asyl- und Flüchtlingsschutz aus den Jahren 2015 bis 2017 ohne übermäßigen Zeitdruck überprüfen kann.

Falls das Flüchtlingsamt die bisher geltende Drei-Jahres-Frist für die Widerrufsprüfung verstreichen ließe, würden immer mehr Flüchtlinge einen Daueraufenthalt bekommen, ohne dass noch einmal begutachtet worden wäre, ob die Situation im Herkunftsland des Flüchtlings immer noch so ist, dass er nicht zurückkehren kann. Außerdem ist diese Prüfung auch ein Anlass abzufragen, ob es neue Erkenntnisse zur Identität des Flüchtlings gibt. Das ist inzwischen leichter möglich, da die Flüchtlinge seit Dezember verpflichtet sind, für die Überprüfung noch einmal beim Bamf zu erscheinen.

Immer weniger Zuwanderer schaffen Deutsch-Test

Unterdessen bereitet die sinkende Zahl von erfolgreichen Absolventen des Deutsch-Tests für Zuwanderer der Politik Kopfzerbrechen. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage eines AfD-Abgeordneten hervorgeht, haben im vergangenen Jahr 51,5 Prozent der 172.471 Migranten, die erstmalig am Deutsch-Kurs teilnahmen, das Kursziel „Sprachniveau B1“ nicht erreicht. Im Vorjahr waren es rund 48 Prozent gewesen, 2016 nur knapp 38 Prozent, so die Neue Osnabrücker Zeitung.

Es geht nicht nur um ein Häkchen auf dem Papier, sondern darum die Menschen zu befähigen, gesellschaftlich und beruflich Fuß zu fassen.

Annette Widmann-Mauz

Wer den „Deutsch-Test für Zuwanderer“ mit B1 abschließt, weist laut Bamf nach, dass er Probleme des Alltags flexibel bewältigen kann, etwa ein Gespräch aufrecht halten und ausdrücken kann, was er sagen möchte. „Es geht nicht nur um ein Häkchen auf dem Papier, sondern darum die Menschen zu befähigen, gesellschaftlich und beruflich Fuß zu fassen“, erklärte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU). Es sei gut, dass Bundesinnenminister Seehofer an „konkreten Qualitätsverbesserungen“ mit mehr Sprachkursen arbeite.