Erstmals nach dem Rücktritt von Parteichef Horst Seehofer kam in München der CSU-Vorstand zusammen. Die Leitung der Sitzung übernahm ebenfalls zum ersten Mal der neue CSU-Vorsitzende Markus Söder.
Europawahl als Ziel
Im Mittelpunkt der Sitzung stand die Vorbereitung auf die Europawahl am 26. Mai. Die CSU plant eine eng mit der CDU abgesprochene Kampagne und auch ein gemeinsames Wahlprogramm. Erstmals ist der CSU-Politiker Manfred Weber zugleich auch Spitzenkandidat der CDU und der Europäischen Volkspartei (EVP). Er hat damit die Chance, EU-Kommissionspräsident zu werden.
Europa ist ohne ‚global champions‘ nicht wettbewerbsfähig und verliert den Anschluss.
Manfred Weber
Es sei die Aufgabe der CSU, die Menschen für die Europawahl zu mobilisieren und ihre Anliegen wieder stärker in den Fokus zu rücken, sagte Weber. Er betonte, wirtschaftspolitisch müsste sich in der EU zwei Dinge ändern: Zum einen müsse sich Europa besser schützen und mit „kraftvollen Abwehrmechanismen“ dafür sorgen, dass Schlüsselindustrien in europäischer Hand blieben. Zum anderen müsse die Wettbewerbsfähigkeit Europas wieder gestärkt werden, indem man auch „Global Champions“ zulasse und nicht durch Kartellrecht verhindere – hier nannte Weber das Beispiel den Zusammenschluss Siemens-Alstom, die die Chance hätten, zu einem „Airbusprojekt in der Zugindustrie“ zu werden. so Weber. „Europa ist ohne ‚global champions‘ nicht wettbewerbsfähig und verliert den Anschluss“, betonte der EVP-Spitzenkandidat. Er plädierte außerdem für ein europäisches Parlament der Regionen: „Es tut Europa gut, den Regionen zuzuhören.“
Grenzwerte und Kohleausstieg im Fokus
Besprochen wurden insbesondere die Themen Wirtschaftsprofil der Union, Steuern, Grenzwerte für Luftreinhaltung, Kohleausstieg und das sogenannte „Bienen-Volksbegehren“. Nach der jüngsten Meldung führender Lungenfachärzte forderte Ministerpräsident Markus Söder, es sei der falsche Weg, die Schlüsselindustrie der Autohersteller „wöchentlich“ zu beschädigen. „Wir müssen erstmal klären, was richtig ist. Wir müssen die Debatte um Luftreinhaltung entideologisieren“, so Söder. Dazu sollen die Grenzwerte ebenso wie die Messverfahren und -Stationen auf den Prüfstand, zudem müsse man die Verhältnismäßigkeit von Fahrverboten ausloten.
Weber betonte, auch bei der Umsetzung von EU-Recht müsse künftig einheitlicher gehandelt werden, wie dieses Beispiel sehr gut zeige. „Bei der Luftreinhaltung gibt es unterschiedliche Ansätze in Wien, Paris und München, wo und wie gemessen wird.“ Zwar müsse der Gesundheitsschutz im Mittelpunkt stehen. „Aber wir werden den Fachleuten und Wissenschaftlern zuhören“, so der Europaparlamentarier. Gegebenenfalls müsse der Grenzwert auch einer Revision unterzogen werden. „Jetzt ist die Wissenschaft am Zug!“
Wir müssen die Debatte um Luftreinhaltung entideologisieren.
Markus Söder
Beim Kohleausstieg warnte Söder: „Keiner will eine Zukunft der Kohle, aber die Versorgungssicherheit darf nicht nur versprochen, sondern muss fachlich belegt werden.“ Schließlich steige Deutschland als einziges Land weltweit aus Kohle- und Atomkraft beinahe gleichzeitig aus. Gleichzeitig fehlten aber noch Stromtrassen und es sei auch völlig ungeklärt, wie die grundlastfähigen Kraftwerke ersetzt werden sollten. „Wir sind skeptisch. Versorgungssicherheit und Preisstabilität müssen garantiert sein. Wir wollen keine Deindustrialisierung“, betonte Söder.
Beim Volksbegehren zur Artenvielfalt, das sogenannte „Bienen-Volksbegehren“, will der Ministerpräsident aus Respekt für die Initiatoren vorerst keinen Einfluss durch eine eigene Kampagne nehmen. Er warnte aber, dass nichts Schlechtes dabei rauskommen dürfe, nur weil man etwas Gutes wolle. Verbote führten unter Umständen dazu, dass genau die Bauern aufhören würden, die derzeit die Umwelt schonten. „Das könnte insbesondere die kleinteilige bäuerliche Landwirtschaft schädigen“, warnte der CSU-Vorsitzende. Sobald eine Umweltleistung gesetzlich festgeschrieben werde, darf sie von niemandem mehr gefördert werden. Dies führe dazu, dass die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis Umweltleistungen zu erbringen (und dafür Zuschüsse zu erhalten), nicht mehr von den Landwirten genutzt werden würde. Dazu zählen etwa die Vernetzung von Biotopen und blühende Zwischenfrüchte, was viele Landwirte bisher freiwillig machen.
Breite Aufstellung
Um die CSU wieder „breiter“ aufzustellen, will der neue Parteichef auch das Profil der Partei schärfen – auch mit Blick auf die kommenden Europa- und Kommunalwahlen. Mehrere Arbeitsgruppen mit Landes- und Bundespolitikern sollen neue Positionen erarbeiten:
- Wirtschaft: Dieses Thema leitet der CSU-Generalsekretär Markus Blume.
- Rente: Familienministerin Kerstin Schreyer und MdB Stephan Stracke sind hier federführend.
- Umwelt und Agrar: MdB Anja Weisgerber, MdL Martin Huber und Staatsministerin Michaela Kaniber kümmern sich um die Bereiche Agrar und Umwelt.
- Digitales: Die zuständigen Ministerinnen Judith Gerlach und Dorothee Bär besetzen diesen Schwerpunkt.
- Außenpolitik: Hier werden Entwicklungsminister Gerd Müller, Florian Hahn, MdB Thomas Silberhorn und Manfred Weber ihre Expertise mit einbringen.
- Kultur: Minister Bernd Sibler und Kulturreferentin Julia Lehner leiten diese Arbeitsgruppe.
Neubesetzung wichtiger Posten
Bei dem Treffen gab es einige neue Personalien zu besetzen: Markus Blume bleibt CSU-Generalsekretär. Der Bundestagsabgeordnete Florian Hahn wird neuer Stellvertreter von Blume und löst damit die Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig ab. Zur Begründung für den Wechsel hob Söder das außenpolitische Profil Hahns hervor, aber auch seine Münchner Herkunft.
Neue CSU-Hauptgeschäftsführerin wird Dr. Carolin Schumacher, die Söder eine „Idealbesetzung“ nannte. Die Juristin arbeitete zuvor bereits in verschiedenen Ministerien sowie in den bayerischen Vertretungen in Brüssel und Berlin. Sie folgt auf Hans Michael Strepp, der Amtschef im neuen bayerischen Digitalministerium wird. Ihr zur Seite wird erstmals mit Werner Bumeder ein neuer stellvertretender Hauptgeschäftsführer gestellt, der insbesondere die Außenorganisation der Partei stärken soll.
In das Büro des neuen Parteivorsitzenden rückt Tobias Schmid auf, der ehemalige CSU-Bezirksgeschäftsführer in Schwaben. Zum Parteisprecher soll der bisherige Stellvertreter Simon Rehak aufrücken. Schmid und Rehak folgen auf Jürgen Fischer, der zur Vereinigung der bayerischen Wirtschaft wechselt.