Bildung ist Ländersache – in Bayern mit großem Erfolg umgesetzt, wie Bildungsstudien zeigen. (Bild: Imago/MITO)
Digitalpakt

„Zentralismus ist ungeeignet“

Die CSU-Landtagsfraktion lehnt die Grundgesetzänderung zum Digitalpakt ab. Damit stehe auf dem Spiel, was Bayern in Deutschland so erfolgreich gemacht habe: Der Bildungsföderalismus. Scharfe Kritik gab es für einen linken Kultusminister.

„Es steht auf dem Spiel, was uns in der Nachkriegsgeschichte so erfolgreich gemacht hat: Unser Bildungsföderalismus und die Kulturvielfalt. Deshalb lehnen wir die geplante Grundgesetzänderung zum Digitalpakt ab“, sagte Thomas Kreuzer, der Vorsitzende der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag.

Eigenständigkeit aufgeben?

Die Länder dürften nicht der Versuchung nachgeben, wegen einer kurzfristigen finanziellen Verbesserung die Eigenständigkeit aufzugeben. „Da geht es nicht um kleinstaaterische Bockigkeit, um ein weit verbreitetes Vorurteil beim Namen zu nennen. Der durch den Föderalismus ausgelöste Wettbewerb hat uns in Deutschland immerhin dazu gebracht, permanent an einer Verbesserung unserer Bildungssysteme zu arbeiten und uns nicht auszuruhen“, so der CSU-Fraktionschef weiter. „Die Entscheidungen für unsere Schulen werden auch bestimmt nicht besser, wenn sie statt in den Ländern von der weit entfernten Bundesregierung getroffen werden.“ Kreuzer, der auch Vizechef der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der Union in Deutschland ist, betonte: „Zentralismus ist ungeeignet, kulturelle Vielfalt zu fördern.“

Scharfe Kritik an linkem Minister

Ich kann mir schon vorstellen, dass ein ehemaliger SED-Kader kein Problem mit einem Berliner Zentralismus hat.

Thomas Kreuzer, über Helmut Holter

In Richtung des Vorsitzenden der Kultusministerkonferenz Helmut Holter von der Linkspartei sagte Kreuzer: „Ich kann mir schon vorstellen, dass ein ehemaliger SED-Kader kein Problem mit einem Berliner Zentralismus hat – wir in Bayern mit einer reichen Kulturtradition aber schon, sein Bundesland Thüringen eigentlich auch.“ Holter hatte der dpa gesagt: „Ich möchte, dass die Bund-Länder-Vereinbarung zum Digitalpakt so, wie sie jetzt gemeinsam erarbeitet wurde, auch durch die Kultusministerkonferenz bestätigt wird.“

Der Bund kann gerne dabei unterstützen, aber dazu muss er nicht die Kompetenzen in Berlin zentralisieren.

Prof. Gerhard Waschler

Als falsch wies Professor Gerhard Waschler, der bildungspolitische Sprecher der CSU-Landtagsfraktion, die Behauptungen zurück, wer die Grundgesetzänderung ablehne, schade den Schulkindern und verbaue ihnen die digitale Zukunft. „Alle Bundesländer müssen ihre Schulen für das Digitalzeitalter fit machen und kräftig in Technik und IT-Netze investieren. Der Bund kann gerne dabei unterstützen, aber dazu muss er nicht die Kompetenzen in Berlin zentralisieren.“ Es könne ihm niemand erklären, warum es besser sein soll, wenn der Bund erst Geld über die Steuern in den Ländern einsammle, um es dann wieder zentral zu verteilen, stellte Waschler fest. „Das widerspricht unserer Vorstellung von Eigenständigkeit und guter Vor-Ort-Politik. Uns würde helfen, wenn der Bund mehr Geld bei den Ländern belässt.“

Bayern in der digitalen Spitzengruppe

Bayern gehört beim Länderindikator 2018 der Deutschen Telekom Stiftung „Schule digital“ 2018 zur Spitzengruppe. Der Ausbau digitaler Kompetenzen bei  Schülern und Lehrern kommt an Bayerns Schulen deutlich voran. Allein für die technische Ausstattung beinhaltet das Programm „Bayern Digital 2“ Mittel in Höhe von 212,5 Millionen Euro. Für digitale Klassenzimmer sieht „Bayern Digital“ 150 Millionen Euro vor. Mit diesen Mitteln kann der Freistaat die Kommunen bei der Ausstattung der Schulen mit bis zu 90 Prozent der Kosten unterstützen. Weitere 35 Millionen Euro werden für die Ausstattung integrierter Fachunterrichtsräume an Berufsschulen und 27,5 Millionen Euro für die IT-Ausstattung in der Lehrerausbildung ausgegeben.

Bundesländer gegen Grundgesetzänderung

Immer breiterer Widerstand bei den Ländern macht eine Grundgesetzänderung unter anderem für die Digitalisierung der Schulen in geplanter Form unwahrscheinlich. Nach Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen kam am Montag auch von SPD-geführten Ländern wie Mecklenburg-Vorpommern und Bremen Kritik. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bekräftigte ebenfalls: Um mehr Geld in die Digitalisierung der Schulen zu stecken, brauche es keine Änderung des Grundgesetzes. „Dazu müssen nur die Steuereinnahmen so verteilt werden, dass die Länder diese Aufgabe erfüllen können.“ Bei dem Projekt geht es nach Ansicht Kretschmanns nicht allein um die Digitalisierung von Schulen, sondern um eine allgemeine Grundgesetzänderung. Damit würde der Bund massiv in die Rechte der Länder eingreifen. Es mache aber keinen Sinn, Leute in den Parlamenten zu entmachten, die sich täglich mit Schulfragen befassten. Hier habe der Bund weder Kompetenz noch Ahnung, so Kretschmann zur dpa. Die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) warb erneut dafür, das Bundesgeld mit einer schon bestehenden Regel zu finanzieren, durch die der Bund für „informationstechnische Systeme“ mitbezahlen darf.

Für fünf Jahre relativ überschaubare Beträge, auf Ewigkeit eine neue Bürokratie, auf Ewigkeit ein Durcheinander, das kann nicht vernünftig sein.

Volker Bouffier, CDU

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier verteidigte seinen Widerstand gegen die Grundgesetzänderung. „Für fünf Jahre relativ überschaubare Beträge, auf Ewigkeit eine neue Bürokratie, auf Ewigkeit ein Durcheinander, das kann nicht vernünftig sein“, sagte der CDU-Politiker dem Radiosender hr-Info. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) kritisierte, die geplanten Änderungen seien umfangreicher als besprochen und in der jetzigen Form nicht zustimmungsfähig. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer sagte: „Es ist ärgerlich, dass der Bund die Länder hier vor vollendete Tatsachen stellt und Dinge zusammenmischt, die nicht zusammengehören.“

Auch Finanzierung sorgt für Ärger

Mit der geplanten Grundgesetzänderung könnte sich der Bund stärker als bisher bei Bildungsthemen einmischen, die bislang Ländersache sind. Damit die Verfassungsänderung wirksam wird, müsste der Bundesrat aber noch mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen. Holter gestand immerhin zu, die Länder hätten auch Sorge, „dass der Bund mit seinen erweiterten Steuerungs- und Kontrollrechten in die Hoheit der Länder unmittelbar eingreift“. Wie dpa meldet, wird das Thema nun im Vermittlungsausschuss behandelt.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Finanzierung: Beim Digitalpakt soll die Kostenaufteilung 90 zu 10 sein, 90 der Bund, 10 die Länder – binnen fünf Jahren fünf Milliarden Euro für die Ausstattung der Schulen mit digitaler Technik und Lerninhalten. Für weitere Vorhaben ab 2020 müssten aber die Länder die Hälfte der Kosten selbst stemmen. Laut Holter war dies nicht abgesprochen.