So sehr sich die grüne Fraktionschefin Katharina Schulze auch bemüht, als „normale“ Innenpolitikerin wahrgenommen zu werden, ihre Handlungen und Äußerungen zeigen, dass auch sie nicht von der latenten Polizeifeindlichkeit ihrer Partei abrückt.
Dies zeigt ihr Gastbeitrag zum Bayerischen Polizeiaufgabengesetz in der Bayerischen Staatszeitung vom 19. Oktober, der bei der Polizei auf deutlichen Widerspruch stößt. Der bayerische Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Nachtigall, hat dazu einen offenen Brief an Schulze veröffentlicht.
Ein realitätsfremder Beitrag
Nach allgemeinen Ausführungen über die angebliche Bedrohung der Bürger, die von der polizeilichen Eingriffsschwelle schon bei einer „drohenden Gefahr“ ausgehe, schreibt Schulze über weitere neue Eingriffsbefugnisse: „So macht die Polizei jetzt keinen Unterschied mehr zwischen der Durchsuchung elektronischer Speichermedien, also zum Beispiel PCs oder Tablets, und der Durchsuchung von anderen Gegenständen, zum Beispiel einem Rucksack. Wenn also eine Person kontrolliert und durchsucht wird, weil die Polizei befürchtet, dass sie Sachen mit sich führt, die sichergestellt werden dürfen, dann darf nicht nur ihr Rucksack durchsucht werden, sondern auch gleich das mitgeführte Notebook. Wenn die Polizei zum Beispiel einen PC durchsucht, dann darf sie jetzt auch auf die Daten zurückgreifen, die in der Cloud liegen. Und alles ohne Richtervorbehalt!“
Falscher Eindruck beim Leser
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) kritisiert Schulze dafür deutlich: Durch deren Beitrag werde „beim Leser der Eindruck erweckt, als ob die Polizei nun nahezu jedermann willkürlich anhalten, nach seinen Personalien fragen und ihn und seine mitgeführten Sachen durchsuchen, Gegenstände sicherstellen und auch den mitgeführten bzw. den sichergestellten Laptop oder das Handy und die extern in einer Cloud gesicherten Daten durchsuchen und sichern dürfe“.
Sie konstruieren eine Fiktion, die in der polizeilichen Praxis (,,,) niemals stattfinden würde.
Rainer Nachtigall, DPolG
Wie so oft bei den Grünen, glänzen auch Schulzes Aussagen mit Fakten-Ferne. Dies wird klar, wenn Nachtigall weiter erklärt: „Sie verbinden in Ihrem Beispiel sechs mit zum Teil unterschiedlichen Einschreit- und Ermessensschwellen versehene Maßnahmen zu einer einzigen Handlungseinheit und erwecken damit den Eindruck eines Automatismus der polizeilichen Maßnahmen. Sie konstruieren eine Fiktion, die in der polizeilichen Praxis ohne eine Reihe schwerwiegender, belegbarer Indizien bzw. Tatsachen für die nachhaltige Gefährdung bedeutender Rechtsgüter, wie z. B. Leib oder Leben Dritter, niemals stattfinden würde.“
Im Klartext heißt das: Schulzes Beitrag ist realitätsfremd. Zur Unterstellung, alles dürfe ohne Richtervorbehalt geschehen, schreibt der DPolG-Landeschef, dass „im neuen PAG zahlreiche Datenschutzbestimmungen und Richtervorbehalte zusätzlich eingefügt wurden und diese allesamt dem Schutz der von polizeilichen Maßnahmen Betroffenen dienen. Überdies ist die Rechtmäßigkeit polizeilicher Maßnahmen verwaltungsgerichtlich überprüfbar.“
Mit einer derartigen Kampfrhetorik mögen Sie die Erwartungen Ihrer Klientel bedienen, erweisen der Bayerischen Polizei insgesamt aber einen Bärendienst.
Rainer Nachtigall
Und dann folgt harte Kritik des Polizeigewerkschaftlers an der dahinter stehenden grünen Abneigung gegen Polizisten: „Durch Ihre Darstellung, scheinbar jedermann sei durch das neue PAG polizeilicher Willkür ausgesetzt, schüren Sie Misstrauen gegenüber der Arbeit der Kolleginnen und Kollegen der Bayerischen Polizei. Damit zerstören sie das durch die tägliche gute und erfolgreiche Arbeit der Polizeibeamtinnen und -beamten erarbeitete Vertrauen der Bevölkerung in eine demokratische und rechtsstaatliche Bürgerpolizei.“ Nachtigall fügt an: „Mit einer derartigen Kampfrhetorik mögen Sie die Erwartungen Ihrer Klientel bedienen, erweisen der Bayerischen Polizei insgesamt aber einen Bärendienst.“
Die Fakten sehen anders aus
Nachtigall bittet Schulze, „zur Kenntnis zu nehmen, dass seit der ersten Novellierung des PAG im Sommer 2017 weder Bürgerrechte durch die Polizei widerrechtlich eingeschränkt wurden noch Bürgerinnen und Bürger der Polizeiwillkür ausgesetzt worden sind, wie Sie und Ihre Bündnispartner es immer wieder darstellen. Es gibt seit 15 Monaten keinen Vorgang, der nur annähernd das bestätigt, was sie die Öffentlichkeit mit ihren Behauptungen von Grundrechtseinschränkungen durch die ‚drohende Gefahr‘ glauben machen wollen.“
Zwar versucht die Grüne in ihrem Gastbeitrag noch, sich als polizeifreundlich darzustellen, indem sie abschließend hinzufügt: „Sicherheitspolitik verlangt Augenmaß. Unsere Kritik richtet sich ausdrücklich nicht an die Polizei, sondern an den Überwachungs-Wahn der CSU-Staatsregierung. Wir wollen die Polizei stärker und bürgernäher machen. Sie braucht keine verfassungswidrigen Eingriffsbefugnisse.“
Diese Vorgehensweise steht im krassen Widerspruch zu Ihrer immer wieder zur Schau gestellten Polizeinähe.
Rainer Nachtigall
Die Polizei in Person von Rainer Nachtigall durchschaut diesen Versuch und teilt eine verständliche Watschn an die Grünen aus: „Diese Vorgehensweise steht im krassen Widerspruch zu Ihrer immer wieder zur Schau gestellten Polizeinähe. Bereits beim DPolG Landeskongress vor einem Jahr habe ich Ihnen gegenüber meine Skepsis zum Ausdruck gebracht, dass grüne Polizeikongresse und Ihre Besuche von Polizeidienststellen das Verhältnis der Polizeibeschäftigten zur Partei Bündnis 90/Die Grünen nicht nachhaltig verbessern werden, solange diese von Repräsentanten Ihrer Partei und Sympathisanten bei jeder Gelegenheit für einen Polizei- oder Willkürstaat verantwortlich gemacht, als ‚Primaten‘ bezeichnet und/oder in die ‚rechte Ecke‘ gestellt werden.“
Die Polizeigewerkschaft appelliert an Katharina Schulze, „das hohe Ansehen und Vertrauen der Polizei bei der bayerischen Bevölkerung nicht mit solchen ‚Horrormeldungen‘ über das PAG zu beschädigen, sondern eine sachliche Diskussion über diese Thematik zu führen“.
Die Antwort der CSU
Der Beitrag von Schulze war Teil eines Pro&Contra zur Frage, ob die Befugnisse des PAG zu weit gehen. Manfred Ländner (CSU), seit November stellvertretender Vorsitzender im Ausschuss für Innere Sicherheit im Bayerischen Landtag, schrieb das Contra. Darin führte er aus, dass das Polizeigesetz mehr Sicherheit biete. Man müsse der Polizei das „notwendige rechtliche Handwerkszeug zur Verfügung stellen, um auf neue Bedrohungslagen, Kriminalitätsphänomene und technische Entwicklungen schlagkräftig zu reagieren“. Auch Ländner schildert detailliert die bisherigen Konsequenzen der PAG-Änderungen: „Fakt ist: Seit Inkrafttreten der Neuerungen im August 2017 wurden gerade einmal elf Personen länger als 14 Tage in Gewahrsam genommen – stets mit richterlichem Beschluss. Es ging dabei um besonders gelagerte Fälle des Landfriedensbruchs und die konkrete Gefahr wiederholter Gewaltdelikte.“
Von einem “ Überwachungsstaat“ könne keine Rede sein, sagt auch Ländner. „Die Befugnisse der Polizei sind weiterhin vielfältig rechtsstaatlich begrenzt, die Bürgerrechte werden sogar gestärkt. So gibt es klar definierte Eingriffsschwellen, mehr Auskunftsrechte für Bürger, Richtervorbehalte und Rechtsschutzmöglichkeiten.“ Wenn sich Regelungen in der Praxis nicht bewähren würden, könnten sich die Bürger außerdem darauf verlassen, dass die Staatsregierung diese ändern würde.
Der Staat ist gegenüber seinen Bürgern zur Gefahrenabwehr verpflichtet, denn Sicherheit ist Voraussetzung für Freiheit.
Manfred Ländner
Und der CSU-Politiker erklärt der Grünen: „Der Begriff der drohenden Gefahr geht zurück auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts – ein Gericht, das nun wahrlich nicht im Verdacht steht, Freiheitsrechte unverhältnismäßig zu beschneiden. Gleichzeitig stellen wir nun aber beispielsweise sicher, dass sich ein islamistischer Terrorist nicht mehr ungestört über das Internet zu einem geplanten Anschlag austauschen kann. Und das ist gut so!“