Die Nachfolgerin: Ilse Aigner (l.) erhält die Glückwünsche ihrer Vorgängerin als Landtagspräsidentin, Barbara Stamm (r.). (Foto: dpa/Lino Mirgeler)
Landtag

„Demokratie ist eine Aufgabe“

Der 18. Bayerische Landtag hat bei seiner konstituierenden Sitzung Ilse Aigner mit 198 von 205 Stimmen zur neuen Landtagspräsidentin gewählt. Sie hob in ihrer Antrittsrede die Bedeutung der parlamentarischen Demokratie hervor.

Die bisherige stellvertretende Ministerpräsidentin sowie Verkehrs- und Bauministerin Ilse Aigner wurde bei der konstituierenden Sitzung des neuen Bayerischen Landtags mit 198 von 205 Stimmen zur neuen Landtagspräsidentin gewählt – bei 5 Gegenstimmen und einer Enthaltung. Da das neue Parlament aus 205 Abgeordneten und sechs Fraktionen besteht (beides Rekordwert), ist das eine sehr hohe Zustimmung.

63 Abgeordnete sind ausgeschieden, 88 Abgeordnete neu im Landtag, davon aber drei, die bereits früher Mitglieder des Landtags waren. Vom Rednerpult aus von links nach rechts saßen die Fraktionen: Grüne, SPD, FW, CSU, FDP und AfD. Die endgültige Sitzordnung wird der Ältestenrat des neuen Landtags festlegen.

Alterspräsident eröffnet Sitzung

Traditionsgemäß eröffnete der älteste Abgeordnete die konstituierende Sitzung. Mit 81 Jahren war deshalb Helmut Markwort (FDP) diesmal der Alterspräsident. Markwort betonte, dass mit 72,3 Prozent Wahlbeteiligung oder fast 6,8 Millionen Wählern so viele Bayern wie nie zuvor abgestimmt hätten. „Sie schauen auf uns“, so der FDP-Politiker. Er forderte, die Verfassung künftig „ernst zu nehmen“ und respektvoll miteinander umzugehen, auch bei gegenteiliger Ansicht. Weiter forderte er in Anlehnung an den früheren Bundespräsidenten Roman Herzog einen „Ruck durch die Verwaltung“, weil Beamte „Diener des Volkes und nicht des Staates“ seien.

Aigner: Demokratie stärken

Ilse Aigner hob in ihrer Antrittsrede die Bedeutung der parlamentarischen Demokratie hervor und appellierte an den Konsens aller Demokraten: „Es wird eine Herausforderung sein, Kompromisse und Lösungen zu finden. Damit wir sie stemmen, braucht es Kollegialität, Kompromissfähigkeit und Kooperation. Wir Abgeordnete haben eine Vorbildfunktion – hier im Hohen Haus sowie in unseren Stimmkreisen und Wahlkreisen. Deshalb dürfen die Menschen von uns zurecht erwarten, dass wir einander zuhören und dass wir wertschätzend miteinander umgehen.“ Aigner bekräftigte: „Entsprechend will ich das Amt nach bestem Wissen und Gewissen führen: Unparteiisch, im Sinne guter kollegialer Zusammenarbeit und im Sinne eines selbstbewussten Parlaments und einer starken Demokratie.“

Wir haben eine besondere Verantwortung hier im Parlament: Dafür, dass wir mehr die Lösungen in den Mittelpunkt stellen und weniger die Probleme.

Ilse Aigner

Sie dankte besonders ihrer Vorgängerin Barbara Stamm, die zudem 42 Jahre dem Landtag angehört hatte. „Barbara Stamm hat gezeigt: Auch in einem repräsentativen Amt kann man sich einmischen, ja es ist sogar Pflicht und Aufgabe – und so will ich meine neue Aufgabe auch wahrnehmen: Nicht thronend über den Fraktionen, sondern allen Abgeordneten zugewandt und sehr nahe an den Bürgerinnen und Bürgern!“ Und weiter betonte Aigner: „Mit der Präsidentschaft hört man nicht auf, aktiv Politik zu machen. Mit der Präsidentschaft wächst die Verantwortung, wahrnehmbar Politik für alle zu machen!“

Die großen Herausforderungen

Aigner sprach von den großen Herausforderungen, die die Wähler am 14. Oktober mit auf den Weg gegeben hätten: „Eine Grundbotschaft scheint mir zu sein, dass viele Menschen ihre Lebensperspektiven als zunehmend unsicher empfinden und sich Sorgen um die Zukunft machen.“ Dazu gehörten Sorgen um die Familienplanung, um die Zukunft im ländlichen Raum, um die Ökologie in Verbindung mit dem Fortschritt, um die Zuwanderung und Integration, um die Herausforderungen durch den wirtschaftlichen Erfolg Bayerns sowie um bezahlbaren Wohnraum. Unsere Aufgabe ist es, oft komplexe Sachverhalte zu durchdringen, Verständnis für die Anliegen der Menschen zu entwickeln, Argumente abzuwägen und schließlich zu Lösungen zu kommen.“

Die neue Landtagspräsidentin mahnte: „Wir wollen nicht in eine Stimmungsdemokratie abdriften. Unsere Wählerinnen und Wähler haben uns mit einem Mandat ausgestattet, um Gutes zu bewahren und gleichzeitig Fortschritte auf den Weg zu bringen. Zu entscheiden, wo was angebracht ist – wo der Fortschritt, wo die Bewahrung -, das ist keine leichte Aufgabe.“ Die am 14. Oktober deutlich gestiegene Wahlbeteiligung – zum dritten Mal in Folge – sei „ein lebendiges Zeichen dafür, dass der Puls unserer Gesellschaft kräftig schlägt. Wenn wir als Parlament weiter Herzkammer der Demokratie sein wollen, dann müssen wir nah dran bleiben an diesem Puls.“

Der Zusammenhalt macht Bayern stark.

Ilse Aigner

Eine weitere Botschaft sei ihr wichtig: „Wenn wir nur schwarzmalen, dann nehmen wir unseren Gestaltungsauftrag nicht ernst. Dass wir seit 73 Jahren in Frieden leben, hat viel mit unserem funktionierenden parlamentarischen System, mit unseren gemeinsamen Werten, unserer gefestigten Demokratie und mit dem erfolgreichen europäischen Integrationsprozess zu tun. Darauf dürfen wir ebenso stolz sein wie auf den Wohlstand, den die Menschen in Bayern erarbeitet haben.“

Es sei ein Geschenk, dass es in Bayern so viele Menschen gebe, die „jeden Tag mehr tun als ihre Pflicht“, etwa in Ehrenämtern, in Familien, in Kommunen, Schulen oder Unternehmen. Sie alle würden den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie stärken. Unser Land steht auch deshalb so gut da, weil wir eine Gesellschaft des Miteinanders und nicht des Neben- oder gar Gegeneinanders sind.In diesen Zusammenhalt müsse investiert werden. „Das heißt: Beste Bildung von Anfang an, Teilhabe durch Arbeit für alle, gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Land, ein gutes Miteinander der Generationen und gelingende Integration.“ Der Bayerische Landtag vertrete alle Menschen in Bayern, „ganz egal, woher sie kommen, welche Hautfarbe sie haben oder welche Religion sie ausüben. Deshalb hat Fremdenfeindlichkeit in diesem Hohen Haus keinen Platz.“ Die Zusammenarbeit in diesem Parlament erfordere ein uneingeschränktes „Ja“ zum Rechtsstaat und ein klares „Nein“ zu Extremismus jeglicher Art. Ilse Aigner schloss ihre Rede mit den Worten: „Demokratie ist nie nur Gabe, sondern immer auch Aufgabe an uns alle.“

Die Vizepräsidenten

Tobias Reiß, der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Fraktion hatte klar gestellt, dass auch künftig weiter jede Fraktion einen Vizepräsidenten haben soll. Reiß mahnte die Kandidaten jedoch: „Sie vertreten das gesamte Hohe Haus und müssen die Würde und das demokratische Selbstverständnis des Landtages repräsentieren.“ Mit Blick auf den AfD-Kandidaten sagte er noch: „Er muss die Verfassung schützen und es darf nicht der geringste Zweifel bestehen, dass die Verfassung vor ihm geschützt werden muss.“

Bei der Wahl der Vizepräsidenten wurde Karl Freller für die CSU mit 184 von 203 gültigen Stimmen zum Ersten Vizepräsidenten gewählt. Danach folgen Thomas Gehring (Grüne; 160), Alexander Hold (FW; 185), Markus Rinderspacher (SPD; 163) und Dr. Wolfgang Heubisch (FDP; 164). Der für den Posten des vierten Vizepräsidenten nominierte AfD-Politiker Raimund Swoboda erhielt mit 27 von 204 Stimmen nicht die notwendige Mehrheit von 103 Stimmen und ist damit nicht gewählt. Zuvor hatte der umstrittene und vom Verfassungsschutz beobachtete AfD-Abgeordnete Uli Henkel am Morgen seine Kandidatur zurückgezogen.

Zudem wurden folgende Abgeordnete ins Präsidium als Schriftführer gewählt: Dr. Gerhard Hopp, Angelika Schorer, Walter Taubeneder (alle CSU) sowie Gülseren Demirel (Grüne).