Ilse Aigner ist CSU-Landtagsabgeordnete. (Foto: Bernhard Huber/BK)
Kirche

„Gott schuf den Menschen nicht als Mann“

Gastbeitrag Aus dem BAYERNKURIER-Magazin: Um die katholische Kirche steht es nicht gut. Will sie die vielfältigen Herausforderungen meistern, muss sie auf das Können und Wollen aller in ihr Engagierten setzen – von Männern und Frauen, schreibt Ilse Aigner.

Es ist wenige Jahre her, da entschied Jorge Bergoglio die Papstwahl mit einer bemerkenswerten Rede für sich. Im Konklave von 2013 rief der heutige Papst Franziskus seine Kirche dazu auf, nicht nur um sich selbst zu kreisen, sondern Kirche in der Mitte des Lebens zu sein. Das hat viele Katholiken zum Nachdenken über eine neue Haltung zur Verkündung des Evangeliums inspiriert. Denn in der Tat: Um diese unsere Kirche steht es, wenn wir ehrlich sind, nicht gut. Kirchenaustritte, Demographie, Kritik an der Sexualmoral, die schrecklichen Fälle von Missbrauch, aber auch neue mitunter esoterische Formen der Spiritualität – die katholische Kirche steht vor einer Fülle von Herausforderungen, von denen jede für sich schon groß genug ist.

Gemeinschaft der Gläubigen

Kirche, das ist nach unserem christlichen Verständnis nicht zuerst das Gotteshaus oder die Institution, sondern die Gemeinschaft der im christlichen Glauben Verbundenen. Kirche, das sind wir alle, die wir an den Heilsweg des Evangeliums glauben und ein Leben in diesem Sinn und Geist führen. Das ist in der Tat eine frohe und vielversprechende Botschaft, denn so groß die Herausforderungen sind, so groß ist auch der Schatz an Glaubenswissen und Lebenserfahrung, an Empathie und Daseinskompetenz in unserer Kirche. Ich bin der festen Überzeugung: Unsere Kirche kann die Herausforderungen meistern, wenn sie auf das Können und Wollen aller in ihr Engagierten setzt – von Männern und Frauen.

Wo Männer und Frauen zusammenarbeiten, werden bessere Ergebnisse erzielt.

Ilse Aigner

Gott schuf den Menschen nicht als Mann, sondern als Mensch. Die Gleichberechtigung von Frau und Mann ist weit mehr als eine populäre Forderung von Frauen, die unter dem Credo Maria 2.0 auf sich aufmerksam machen. Sie ist vielmehr schöpfungstheologisch angelegt. Im ersten Buch Mose heißt es: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde (…) als Mann und Frau.“ (1. Mose 1,1,27). Entsprechend haben die deutschen Bischöfe bereits 1975 im Rahmen ihrer Würzburger Synode das Diakonat der Frau gefordert und sich diesbezüglich an den Vatikan gewandt – bislang ohne eine Reaktion aus Rom.

Das Anliegen der Frauen

Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands und der Katholische Frauenbund fordern seit über 20 Jahren einen geschwisterlichen Umgang von Frauen und Männern, von Priestern und Laien in der Katholischen Kirche und auch, dass Frauen zu Diakoninnen geweiht werden können. Seither stellt „Der Tag der Diakonin“ dieses Anliegen in den Mittelpunkt. Und Papst Franziskus selbst hat 2016 angekündigt, die Frage des Diakonats von Frauen in der frühen Kirche durch eine Kommission prüfen zu lassen. Diese Kommission hat ihre Arbeit nunmehr abgeschlossen, ist aber zu keinen eindeutigen Ergebnissen gekommen. Es habe historisch Diakoninnen gegeben, aber was das nun für die Zukunft bedeute, darüber sei man sich noch nicht im Klaren. Damit ist die Frage nach einem Weiheamt für Frauen weiter offen.

Ohne Frauen wäre die Kirche nicht nur ärmer. Ohne Frauen ist keine Kirche zu machen.

Ilse Aigner

Für viele engagierte Frauen ist das kaum nachzuvollziehen. Ich bin überzeugt: Für die volle Gleichberechtigung von Frauen und Männern sprechen vor allem drei Gründe. Zunächst ist da der Aspekt der Gerechtigkeit. Der Messdienst, der Kommunion- und Firmunterricht, der Besuchsdienst für Arme und Kranke, die Obdachlosenarbeit, aber auch die Integration von Menschen, die zu uns gekommen sind – all das wäre ohne das Engagement, die Tatkraft und Herzenswärme von Frauen nicht möglich. Ohne Frauen wäre die Kirche nicht nur ärmer. Ohne Frauen ist keine Kirche zu machen. Umgekehrt heißt das: Frauen in den Kirchengemeinden die ehrenamtliche Arbeit machen zu lassen und sie gleichzeitig von Leitungsfunktionen auszuschließen, das geht nicht mehr.

Darüber hinaus ist die Gleichstellung auch ein Gebot der Klugheit. In der Politik, in der Wirtschaft, in der Zivilgesellschaft erleben wir doch täglich: Wo Männer und Frauen zusammenarbeiten, werden bessere Ergebnisse erzielt.

Der Priestermangel nimmt zu

Und dann ist da auch noch die Zukunftsfrage. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken erwartet, dass bis zum Jahr 2030 etwa 7.000 der aktuell rund 13.500 Priesterstellen nicht mehr besetzt werden können. Schon heute sind viele Priester am Rande ihrer Leistungsgrenze. Pfarrverbünde können nur bedingt helfen. Denn Seelsorge verlangt Zeit und Präsenz. Vor diesem Hintergrund ist Maria 2.0 vor allem eines: Eine große Chance für die katholische Kirche, um ganz im Sinn des Papstes wieder Kirche nah am Menschen und in der Mitte des Lebens zu sein.

Die Gleichberechtigung von Frau und Mann ist kein Trend. Sie gehört zum Fundament unserer Gesellschaft und steht im Grundgesetz.

Ilse Aigner

Mein Zugang zu Gott und der Welt ist der von Glaube und Vernunft. Fragen wir uns also: Gibt es echte Vernunftgründe für die Ungleichbehandlung von Mann und Frau? Der Verweis auf die Lebensform Jesu jedenfalls fällt nicht unter diese Kategorie und hält kritischer Überprüfung, die das Wesen von Vernunft darstellt, kaum stand. Denn vom Sein auf das Sollen zu schließen war noch nie eine besonders gute Idee.

Für eine bessere Kirche

Wir haben dieses Jahr 100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland gefeiert. Das zeigt: Gleichberechtigung ist eine relativ junge zivilisatorische Errungenschaft. Zu Lebzeiten Jesu Christi und viele weitere Jahrhunderte war das noch kein Thema. Kirche muss und soll natürlich nicht jeden Trend mitmachen. Aber die Gleichberechtigung von Frau und Mann ist kein Trend. Sie gehört zum Fundament unserer Gesellschaft und steht im Grundgesetz. Mir ist wohl bewusst, dass nur ein kleiner Teil der weltweiten Katholikinnen und Katholiken aus Deutschland kommt. Aber auch dieser Teil muss selbst eine Haltung zu dieser Frage diskutieren dürfen.

Natürlich: Veränderungen lösen ganz unterschiedliche Gefühle aus. Veränderung gibt es nie ohne Folgewirkungen. Veränderung ist nicht per se gut oder schlecht. Wir müssen immer wieder sorgfältig abwägen: Wollen wir das Neue nur deshalb, weil es neu ist? Oder wollen wir es, weil es das Bessere ist? Ich meine, eine Kirche, die Gleichstellung lebt, ist die bessere Kirche. Und sie ist die Zukunft. Denn in einer sich so dynamisch wandelnden Welt wie der unseren ist Entwicklung die einzige Möglichkeit, dass die Dinge, die uns lieb sind, so bleiben wie sie sind.