Ilse Aigner beim iranischen Wirtschaftsverband IDRO, gemeinsam mit dem stellvertretenden Wirtschaftsminister. Foto: Steffen Leiprecht
Iranreise von Ilse Aigner

Gekommen, um zu bleiben

Gastbeitrag "Ich bin in dem Bewusstsein in den Iran gereist, dass diese Delegationsreise nicht einfach würde - und nicht vergleichbar mit meinen Reisen in die USA, nach China oder nach Israel. Der Iran ist nach wie vor von wirtschaftlichen Sanktionen betroffen, die Bedingungen für eine Aufhebung des Embargos sind noch nicht erfüllt." Ein Gastbeitrag der bayerischen Wirtschaftsministerin.

Eine wirtschaftliche Zusammenarbeit lässt sich also konkret nur schwer vereinbaren, handfeste Verträge lassen sich nicht schließen, und Geschäfte sind wegen der Schwierigkeiten beim internationalen Zahlungsverkehr kaum zu realisieren. Dennoch reisten in den vergangenen Monaten bereits zahlreiche Delegationen in den Iran – aus anderen Bundesländern und anderen Staaten. Alle teilen die Erwartung, dass die Sanktionen im kommenden Jahr fallen werden.

Der Iran investiert

Der Iran ist ein Markt mit Nachholbedarf. Nach Jahren der wirtschaftlichen Isolation stehen Investitionen in zweistelliger Milliardenhöhe etwa in die Infrastruktur, bei der Energieversorgung, in Fabrikanlagen und Maschinen an. Dabei ist der Iran dank seiner natürlichen Ressourcen ein reiches Land, die Bevölkerung ist gut ausgebildet, der Mittelstand stark und auch die Regierung bereit,Geld in die Hand zu nehmen.

Es gibt also ein hohes Interesse von allen Seiten, Aufträge zu bekommen, Waren zu liefern, beim Geschäft dabei zu sein. Umso mehr als andere Märkte schwächeln. Deshalb reisen alle. Jetzt also auch Bayern. Jetzt also wir – zwar nicht die ersten, aber immer noch rechtzeitig angesichts der beschriebenen Bedingungen.

Für mich war wichtiger, besser als die anderen zu sein. Denn natürlich ist es mein Ziel, dass die bayerische Wirtschaft zum Zuge kommt, dass bayerische Betriebe exportieren und kooperieren, sobald die Sanktionen tatsächlich fallen. Bayern hat viel zu bieten.

Ilse Aigner

Ich kann mich auf iranische Regierungsmitglieder selbst berufen, wenn ich jetzt sage, dass es gelungen ist, sich von den Delegationen anderer Länder und Bundesländer positiv zu unterscheiden. Weil wir besser vorbereitet waren und strategischer vorgegangen sind, weil wir praktischer waren. Und weil wir über den Moment hinaus gedacht haben. In der Regel treffen Politiker Politiker und Unternehmer Unternehmer.

Weil aber im Iran die Verbindung zwischen Politik und Wirtschaft eng ist, weil die Regierung selbst wirtschaftliche Entscheidungen trifft, habe ich zu meinen Gesprächen mit dem Energieminister, mit dem Industrieminister, mit dem Vize-Gesundheitsminister, dem Vize-Wirtschaftsminister und dem Vize-Ölminister jeweils passgenau bayerische Unternehmer mitgenommen. So konnten sich die Firmenchefs oder -vertreter selbst vor den Entscheidern präsentieren, das Know-How des jeweiligen Betriebs darstellen und echtes Interesse wecken.

Um ein Beispiel zu nennen: Beim Vize-Gesundheitsminister saß nicht zufällig ein bayerischer Mittelständler am Tisch, dessen Betrieb Ausstattungen für Krankenhäuser fertigt. Also wurden selbstverständlich die Kontakte ausgetauscht, als eben jener Politiker sein Interesse daran bekundete, dass im Iran unter anderem ein Musterkrankenhaus gebaut und gemanagt werden solle. Genauso wichtig war es, bayerische Unternehmer mit iranischen Geschäftsleuten zusammenzubringen.

Im Gespräch klären sich Bedarf und Angebot. Wenn aber anschließend keine Chance besteht nachzuhalten, konkrete Vorstellungen zu entwickeln über eine zukünftige Zusammenarbeit, dann bleibt am Ende nichts als ein interessantes Gespräch über Möglichkeiten.

Bayern muss vor Ort sein

Es war deshalb wichtig, im Iran eine Anlaufstelle und ein Kontaktbüro zu eröffnen. Das haben wir mit der Einrichtung einer Repräsentanz der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft getan. Dort können jetzt Verbindungen vertieft oder hergestellt, Schwierigkeiten identifiziert, Details geklärt werden.

Ich bin mir sicher, dass es sich zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil entwickeln wird, dass die bayerische Wirtschaft mit einem Büro in Teheran dauerhaft präsent ist. Andere kommen und gehen.

Bayern kommt, um zu bleiben.

Ilse Aigner

Die Delegation, die gemeinsam mit mir in den Iran gereist ist, war die größte bayerische Wirtschaftsdelegation der vergangenen zehn Jahre. Jenseits der schieren Größe ist dabei vor allem eines relevant: Wir sind etwa zur Hälfte mit Geschäftsleuten gereist, die über die Phase des Embargos hinaus Kontakte in den Iran gehalten haben und darauf jetzt aufbauen konnten. Wir haben alle profitiert von deren guten Ruf.

Insgesamt sind wir im Iran auf eine positive Grundeinstellung und hohe Erwartungshaltung gestoßen. Made in Germany, made in Bavaria – darauf setzen die Iraner, zumal sie jahrelang auf chinesischen Import angewiesen waren.

Jetzt sind die Qualität und das Know-How gefragt, das bayerische Betriebe liefern können.

Ilse Aigner

Weil Bildung, Forschung und Fortbildung ein Schlüssel zu Wohlstand und Wachstum sowohl in Bayern als auch im Iran sind, haben Vertreter unserer universitären und außer-universitären Forschung an der Delegationsreise teilgenommen. In Zeiten des Embargos, in denen der Iran auf sich selbst zurückgeworfen war, hat sich die Forschungslandschaft im Iran enorm entwickelt. Beide Seiten können von der vereinbarten Kooperation profitieren: So konnte etwa ein Abkommen über den wissenschaftlichen Austausch zwischen TUM und der renommierten Teheran Universität unterzeichnet werden.

Im Iran politische Gespräche zu führen, bleibt bei aller Euphorie über die Öffnung des Landes eine Gratwanderung. Für mich war es wichtig, auch schwierigere Themen anzusprechen.

In meinen Gesprächen habe ich deshalb darauf hingewiesen, dass Investitionen rechtsstaatliche Verfahren voraussetzen – und über die Rolle der Frau habe ich mich sowohl mit dem Berater des Ayatollah als auch mit iranischen Unternehmerinnenausgetauscht. Ich konnte sehen, dass diese selbstbewusst auftreten, dass sie sehr gut ausgebildet sind (60 Prozent der Akademiker sind weiblich) und dass sie deshalb in der Wirtschaft gute Chancen haben. Diese stolzen und gebildeten Frauen sind nicht mehr bereit, die Diskriminierungen hinzunehmen. Sie tragen das Kopftuch noch,aber sie verhüllen sich nicht. Geradezu provokativ lassen sie es nach hinten rutschen, statt schwarz und blickdicht, tragen sie bunte Seidentücher.

Ich habe es ihnen gleich getan. Ich habe im Iran bunte Tücher getragen. Ich habe damit dokumentiert, dass ich mich als Gast an die Gepflogenheiten des Landes halte. Genauso erwarte ich jedoch, dass sich Gäste in Deutschland an unsere Kultur anpassen und unsere Wertevorstellungen akzeptieren. Ich halte die strengen Kleidungsvorschriften für Frauen im Iran für diskriminierend.

Ich sehe aber auch, dass die iranische Gesellschaft im Wandel ist, und ich hoffe, dass die wirtschaftliche Öffnung dazu beitragen kann, die politischen und religiösen Restriktionen aufzubrechen.

Ilse Aigner

Mit dem außenpolitischen Berater des Revolutionsführers und langjährigen Außenminister des Iran habe ich auch über die Flüchtlingskrise gesprochen und zum Ausdruck gebracht, dass es richtig und wichtig ist, dass der Iran in die Lösung eingebunden ist. Und dass ich auch auf ein stärkeres Engagement hoffe.

Meine Reise in den Iran war eine ganz besondere Herausforderung, das habe ich gewusst und eingangs beschrieben. Als Politikerin bin ich jedoch respektvoll aufgenommen worden. Ich habe die Aufmerksamkeit und den Respekt erhalten, die ich erwarte. Und ich konnte erreichen, was ich wollte: Bayern hat im Iran einen guten Einstieg gefunden. Darauf werden wir in den nächsten Monaten und Jahren aufbauen.