Bayerns Bauministerin Ilse Aigner. (Foto: Nikky Maier)
Analyse

Warum die CSU anders ist

Gastbeitrag Die stellvertretende bayerische Ministerpräsidentin Ilse Aigner beschreibt, was die CSU von anderen Parteien in Deutschland unterscheidet. Und sie erklärt, wie es ihr gelingen kann, sich als Volkspartei zu erhalten und zu modernisieren.

Die CSU ist nach wie vor eine erfolgreiche Volkspartei – inzwischen ist sie vielleicht sogar die einzige in Europa. Aber wie andere (Groß-)Parteien – sozialdemokratische und konservative – trifft auch meine Partei ein nennenswerter Verlust an Akzeptanz, Vertrauen und Wählerstimmen. Angesichts des europaweiten Trends und der Kontinuität der Entwicklung halten Wissenschaftler und politische Berichterstatter die Zerfaserung des Parteiensystems bereits für unabänderlich und den Niedergang der Volksparteien – auch der CSU – für unaufhaltsam. Das sehe ich anders – gerade für die CSU.

Ich bin der Überzeugung, dass es meiner Partei gelingen kann, ihre Integrationskraft zurückzugewinnen und sich als Volkspartei zu erhalten und zu modernisieren. Dass wir dazu Geschlossenheit und Zusammenhalt brauchen, liegt auf der Hand. Deshalb bin ich froh, dass wir den Streit um Personen beendet und die Nachfolgefrage beantwortet haben.

Die CSU vertritt stärker und glaubwürdiger als andere den Anspruch, sich an das ganze Volk zu wenden.

Ilse Aigner, bayerische Wirtschaftsministerin

Wir brauchen aber mehr: Wir müssen das Alleinstellungsmerkmal der CSU, ihren Wesenskern stärker hervorkehren und ihre besondere Kraft und Ausstrahlung nutzen. Denn dadurch bleiben wir im Parteienspektrum unterscheidbar und unser Standort sowie unser Kompass sichtbar. Die Problematik anderer Volksparteien, die nach einer jahrzehntelangen Annäherung in Richtung politischer Mitte, wenig unterscheidbar sind, trifft die CSU dann weniger. Ihre Identität, der Markenkern der CSU bleibt erkennbar.

Partei des gesellschaftlichen Zusammenhalts

Die CSU vertritt bayerische Interessen in Reinnatur. Sie setzt diese im Bund und in Europa um. Was von Berlin oder Brüssel aus mitunter als enervierendes Beharren auf Partikularinteressen wahrgenommen wird, ist unsere Identität, das Wesen unserer Partei. Wir sollten dazu stehen, denn dadurch unterscheiden wir uns von allen anderen Parteien in Deutschland. Bayern in den Mittelpunkt unseres Handelns, das Wohlergehen der bayerischen Bevölkerung und die Interessen der bayerischen Wirtschaft zum Maßstab zu nehmen, hat nichts mit Provinzialität zu tun. Denn der Freistaat ist ein fortschrittsfreundliches, weltoffenes und erfolgreiches Bundesland.

Die CSU vertritt stärker und glaubwürdiger als andere den Anspruch, sich an das ganze Volk zu wenden. Die Idee des Allgemeinwohls, die Verantwortung für alle sozialen Schichten, Konfessionen und Milieus muss programmatisch unser Kerngedanke bleiben. Das unterscheidet uns insbesondere von den Liberalen. Das bedeutet nicht, dass wir uns vorrangig der Maximierung von Wählerstimmen verschreiben, sondern dass wir unser christlichen und sozialen Verantwortung gerecht werden. Das unterscheidet uns von Populisten.

Die CSU ist die Partei des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Wir lassen uns weder in der Wortwahl noch im Handeln dazu verleiten, gesellschaftliche oder soziale Gruppen sowie Generationen gegeneinander auszuspielen. Das unterscheidet uns von der AfD. Unsere soziale und christliche Verantwortung verpflichtet uns, darauf zu schauen, dass wir niemanden überfordern und niemandem falsche Versprechungen machen. Wenn wir Menschen in unserem Land aufnehmen, müssen wir ihnen Wohnraum, Arbeit und Chancen auf gesellschaftliche Integration bieten können. Diese Möglichkeiten und Angebote sind allerdings begrenzt.

Die CSU ist eine soziale Partei, die auf der Basis von Chancengerechtigkeit soziale Ungerechtigkeit bekämpft. Gegen soziale Segnungen und die Verfestigung von Ungleichheit stellen wir Leistungsgerechtigkeit. Wir sehen, dass die Gerechtigkeit mit Füßen getreten wird, wenn Menschen ohne die Bereitschaft zur Anstrengung jenen gleichgestellt werden, die hart arbeiten. Gleichwohl lindern wir soziale Not, die ohne Eigenverschuldung entsteht. Unsere Anspruchshaltung, was die eigene Leistung betrifft, und unser Gerechtigkeitsbegriff unterscheiden uns insbesondere von der SPD.

Die CSU ist die Partei des Fortschritts und verliebt in den Erfolg. Deshalb stehen wir technologischen Entwicklungen aufgeschlossen gegenüber. Wir nehmen aber die Sorgen der Menschen angesichts des rasanten gesellschaftlichen, technologischen und wirtschaftlichen Wandels ernst. Deswegen gibt es mit uns keinen bedenkenlosen Vollzug des Wandels. Es ist unser Ziel, diesen so zu gestalten, dass keine Brüche entstehen – etwa beim Übergang auf emissionsfreie Mobilität. Das unterscheidet uns von den Grünen.

Der Unübersichtlichkeit und Unsicherheit der Welt setzen wir Haltung entgegen.

Ilse Aigner, CSU

In einer Welt voller Kommunikation müssen wir unsere Sprache überprüfen. Unsere Aussagen müssen wahrhaftig sein, aber auch eindeutig. Viel bringt nicht viel – und der Versuchung, beim Gezwitscher den Wettbewerb um Schnelligkeit und Provokation zu gewinnen, dürfen wir nicht erliegen. Auch das unterscheidet uns von den Populisten und von den reflexartigen Phrasen vieler etablierter Parteien.

Der Unübersichtlichkeit und Unsicherheit der Welt setzen wir Haltung entgegen. Wir müssen deshalb darauf achten, dass wir für uns unverzichtbare Werte vorleben und in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen: Mitmenschlichkeit und Solidarität stehen für uns neben Leistungsbereitschaft und Eigenverantwortung. Das unterscheidet uns von den Linken, die sich mittels Sozialneid auf die Seite der Verlierer werfen, ohne aus ihnen Gewinner zu machen.

Die christlichen Werte bleiben für uns Richtschnur unseres Handelns und das christliche Menschenbild prägt unsere gesellschaftliche Vorstellung. Sie sind in einer modernen Gesellschaft nicht weniger relevant, sondern Garanten für Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe. Der christliche Glaube bietet uns Orientierung und verpflichtet uns zur Unterscheidung zwischen allgemeinem und persönlichem Interesse. Er bewahrt uns aber auch vor Anmaßung. Er verlangt uns Respekt und Demut ab gegenüber anderen sowie der Schöpfung. Das unterscheidet uns in dieser Konsequenz von allen Parteien.

Was wir uns dadurch erhoffen, ist Vertrauen.

Gastbeitrag

Dieser Text erschien erstmals in der Tageszeitung „Die Welt“ am 8.12.2017.