Monika Hohlmeier, MdEP (Foto: CSU)
30.Todestag FJS

„Franz Josef Strauß würde Markus Söder wählen“

Interview Aus dem BAYERNKURIER-Magazin: Die Tochter von Franz Josef Strauß, Monika Hohlmeier, erklärt im Interview mit Chefredakteur Thomas Röll, wie das politische Vermächtnis ihres Vaters weiterwirkt und wem er heute seine Stimme geben würde.

Frau Hohlmeier, es gibt ein Plakat der CSU, das Ihren Vater zeigt. Darauf steht: „Schöpfer des modernen Bayern, Arbeiter für ein vereintes Deutschland, Visionär für ein Europa der Zukunft. Sein Erbe ist unser Auftrag.“ Wie steht es dreißig Jahre nach seinem Tod um sein Vermächtnis?

Die Welt hat sich weitergedreht und sie hat sich dramatisch verändert. Aber ich glaube, die CSU ist über viele Jahre hinweg den Weg weitergegangen, den mein Vater eingeschlagen hat. Er hat Bayern als die Herzkammer der CSU betrachtet, aber einen sehr klaren Blick für Deutschland und eine Ausrichtung auf die Bundespolitik gehabt. Mein Vater wollte nie eine regional vor sich hin dümpelnde Bayernpartei. Sein Anspruch war immer auch ein bundes- und europapolitischer.

Und als ein Mensch, der den Zweiten Weltkrieg erlebt hatte, der erleben musste, wie junge Kameraden neben ihm grausam niedergestreckt wurden, und selbst beinahe ums Leben gekommen wäre, war für ihn klar, dass Europa unsere Schicksalsgemeinschaft ist und unser Garant dafür, dass es nie wieder Krieg gibt. Als geostrategischer Denker hat er früh erkannt, dass es in einer multipolaren Welt ein Europa braucht, das in den großen Themen handlungsfähig ist, seine Mitgliedsstaaten schützt und in der ersten Reihe der Weltbühne mitspielen kann.

Zuletzt wurde Ihr Vater häufig zitiert, um ihn als liberal-konservativen Geist gegen die angeblich zu nationale Politik der CSU in Stellung zu bringen. Was würde er dazu sagen?

Die CSU war immer eine große Volkspartei, die die Nationalkonservativen, die Liberalen und Weltoffenen in sich vereinigt hat. Wir haben innerhalb der Partei eine sehr große Bandbreite, die sich gegenseitig korrigiert, ermutigt und in die Balance bringt. Wer versucht, uns zu verengen, würde den Anspruch einer großen Volkspartei aufgeben. Am Ende waren wir in der CSU immer alle stolz darauf, wenn wir in Deutschland oder Europa Wegweisendes durchsetzen konnten. Der Airbus ist ein Sinnbild hierfür. Wir alle lieben unser Bayern, das heißt aber nicht, dass wir folkloristisch unseren Lederhosen fröhnen, sondern dass wir gefestigt in der Liebe für unsere Heimat und Tradition über den bayerischen Tellerrand hinausblicken. In der heutigen Zeit ist das besonders wichtig.

Wo zum Beispiel?

Nehmen Sie nur den Handelsstreit mit den USA. Wenn es darum geht, mit anderen großen Nationen Verträge auszuhandeln, hat natürlich Europa mit seinen mehr als 500 Millionen Menschen eine ganz andere Marktmacht als Bayern oder Deutschland alleine. Das neue Freihandelsabkommen mit Japan gibt hier die richtige Antwort auf Trump. Oder die Nato: Müssen die Europäer nicht deutlich mehr Verantwortung übernehmen, um den Amerikanern auf Augenhöhe begegnen zu können? Natürlich wollen wir die Einsätze unserer Bundeswehr national im Deutschen Bundestag bestimmen.

Das soll auch so bleiben. Aber wäre es nicht besser, effizienter und günstiger, bei den großen technischen Entwicklungen und Bestellungen europäischer zu werden, um die Abhängigkeit von den USA zu verringern?

Oder wollen wir weiterhin subventionierte amerikanische Hubschrauber bestellen, obwohl bessere von Airbus in Donauwörth hergestellt werden? Für mich bedeutet die EU: mehr Freiheit, Unabhängigkeit und Sicherheit!

Wie hätte sich Ihr Vater angesichts der Herausforderung durch die Flüchtlingskrise verhalten?

Mein Vater wäre als Erstes nach Afrika gereist – und in den Nahen Osten. Wie wir alle wissen, war er immer leidenschaftlicher Außenpolitker – sehr zum Verdruss von Hans-Dietrich Genscher. Die Ursachen liegen doch im Nahen Osten und auf dem Afrikanischen Kontinent. In Deutschland und der EU können und müssen wir Hilfe für echte Flüchtlinge bieten, aber nicht die weltweiten Migrationsprobleme bei uns lösen. Wir haben eine eklatante Schwäche in der Außenpolitik. Ich bin der festen Überzeugung, dass der Schlüssel zur Lösung der Flüchtlingsproblematik in der Außen- und Entwicklungspolitik sowie der Wirtschafts- und Handelspolitik liegt.

Wie könnte diese Lösung aussehen?

Man muss gegenüber den afrikanischen Staaten die Fragen illegaler Migration mit Fragen des Handels, der Wirtschaft, der Reisebestimmungen, der Entwicklungs- und Regionalförderung sowie der Sicherheitspolitik verbinden. Es muss eine Win-win-Situation geschaffen werden. Ein Innenminister allein ist nur schwerlich in der Lage, Rücknahmeabkommen mit afrikanischen Staaten auszuhandeln. Welche Angebote kann er unterbreiten? Wie soll er Druck aufbauen? Er hat wenig anzubieten, allein ist er fast als Bittsteller unterwegs. Wenn jedoch Visa freiheit, Handelsverträge, Aufbauprojekte, Sicherheitskooperationen, Wirtschaftsförderung, Auftragsgarantien und vieles andere mehr auf dem Spiel stehen, dann ist das Interesse an Rückübernahmeabkommen deutlich größer. Die Bundesregierung muss hier konzertiert vorgehen. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten haben Afrika zu lange den USA, Russland und China überlassen. Afrika ist aber unser Nachbar. Wir müssen uns dort viel mehr engagieren, um zur Stabilisierung afrikanischer Staaten mehr beitragen zu können. Deshalb wäre mein Vater als Erstes in die Krisenherde gereist.

Wie hätte er das Thema innenpolitisch behandelt?

Er wäre immer dafür gewesen, nationale Maßnahmen mit europäischen zu kombinieren. Es ergibt Sinn, überall dort national Kontrollen durchzuführen, wo ein erhöhtes Risiko der Kriminalität und illegaler Einwanderung besteht. Nur weil sich ein paar EU-Mitgliedsstaaten an keine Regeln halten, müssen wir uns nicht an der Nase herumführen lassen. Nationale Maßnahmen stehen nicht im Widerspruch zu europäischen Lösungen.

Im Streit um die Asylpolitik war für viele Medien der Schuldige schnell ausgemacht: Horst Seehofer wurde heftig kritisiert und angefeindet. Ganz ähnlich erging es immer wieder Ihrem Vater. Woher kommt diese Aggression gegenüber der CSU?

Weil die Linken die Bastion CSU schleifen wollen und die Rechtsradikalen skrupellos Nutzen aus den Ängsten eines Teils unserer Bevölkerung vor Migration ziehen. Die Heftigkeit der politischen Auseinandersetzung erinnert mich an die 70er. Die CSU zu dämonisieren, war damals regelrecht „in“. Die CSU orientiert sich in ihrer Politik an der Realität und spricht unerschrocken auftretende Probleme an. In der Migrationspolitik steht die Realität entgegen dem moralisch überheblichen Welterrettungsanspruch, den die Linke in Deutschland verbreitet. Wenn die CSU klar ausspricht, dass nicht jedes Jahr für Hunderttausende Zuwanderer Wohnungen zur Verfügung gestellt werden können, dann bezeichnen dies die Linken als rechtsradikal. So geht es auch Bürgern, die sich wegen der Zuwanderung Sorgen machen oder ablehnend reagieren. Anstatt diese Menschen zu belehren, sollte man ihnen zuhören und ihre Sorgen ernst nehmen. Es ist nicht rechtsradikal oder rassistisch, die Sorgen der eigenen Bevölkerung ernst zu nehmen.

Wie haben Sie die Angriffe auf Ihren Vater erlebt?

Das war manchmal sehr verletzend. Nicht alles steckt man so einfach weg. Das gilt übrigens auch für die Art, wie Horst Seehofer und Markus Söder jetzt angegangen werden. Derzeit glauben die radikalen Linken und Rechten, sie dürften jede Form der Aggression an führenden Politkern der CSU auslassen. Ich erlebe das als Europaabgeordnete auch. Mein Vater war ein Profi durch und durch. Aber es gab auch persönlich tief verletzende Aggressionen, die ihn fast in die Knie gehen ließen. Wir als CSU müssen zusammenstehen und uns gegen Hetze gegen uns wehren.

Wer SS-Symbole verwendet, um die CSU zu diskreditieren, vergeht sich an der Geschichte und den Gründern der CSU, unter denen einige waren, die von den Nazis verfolgt wurden.

Sind Sie froh, dass Ihr Vater nicht in Zeiten von Twitter und Facebook aktiv ist?

Mein Vater hätte sich sicher auch auf diese digitalen Medien einstellen können. Aber es stimmt bedenklich, dass anonyme Beleidigungen und Accounts auf Facebook und Twitter fast Volkssport sind. Ich halte das für eine Unkultur.

Ihr Vater hat regelmäßig mehrstündige Grundsatzreden gehalten, US-Präsident Trump regiert via Twitter. Wäre in der heutigen Politik- und Medienlandschaft noch Platz für einen wie Strauß?

Mein Vater würde heute medial anders agieren als zu seiner Zeit. Und Twitter hätte er auch beherrscht. Er konnte sehr prägnant und knapp formulieren. Aber 140 Zeichen hätten ihm auf Dauer nicht genügt. Das wäre für einen Menschen mit dem Intellekt und dem historischen Wissen meines Vaters zu wenig gewesen. Er war immer der Überzeugung, dass man argumentieren und die Menschen überzeugen muss. Die Leidenschaft, mit Argumenten zu überzeugen, ist etwas, das heute in der Politik zum Teil fehlt.

Warum fasziniert Franz Josef Strauß bis heute so viele Menschen?

Mein Vater war eine Ausnahmepersönlichkeit mit großem Charisma. Zum einen durch sein fundamentales Wissen und seinen Intellekt, gepaart mit einer Rhetorik, wie sie nicht jedem gegeben ist. Er hat nicht an den Menschen vorbei, er hat mit den Menschen gesprochen. Er konnte während einer Rede in den Gesichtern der Menschen lesen. Und er hatte den Menschen etwas mitzuteilen. Das haben die Menschen gespürt.

Was können heutige Politiker von Strauß lernen?

Mein Vater hat stets versucht, die klügsten Köpfe um sich zu versammeln, ob das Wissenschaftler waren oder Kollegen aus der eigenen oder anderen Parteien. Er hatte nie Angst vor dem Wissen und den Fähigkeiten anderer oder, dass er von einem von ihnen verdrängt werden könnte. Das kann ich nur jedem Politiker wünschen: nie Angst zu haben, dass man von herausragenden Leuten verdrängt werden könnte. Sie können einen nur bereichern, einem Wissen vermitteln. Mein Vater hat sich alle sechs Wochen mit Kardinal Ratzinger getroffen. Das wusste kaum jemand. Er wollte die fundamentalen Fragen über die Gesellschaft auch aus vollkommen anderen Blickwinkeln erörtert sehen und die eigenen Positionen immer wieder überprüfen. Mein Vater hat stets versucht, sich intellektuell weiterzuentwickeln. Das sollte sich jeder Politiker bewahren: immer neugierig bleiben, nie glauben, man hätte schon alles gesehen.

Auf welche seiner Leistungen sind Sie besonders stolz?

Eindeutig, dass er die Volkspartei CSU über so lange Zeit auf einem so hohen Niveau zusammenhalten konnte. Heute, in einer Gesellschaft, die sich immer mehr individualisiert, wäre das auch für ihn schwieriger.

Nun gibt es ja die Situation, dass sich mit der AfD eine rechte Partei zu etablieren scheint, die auch noch mit ihrem Vater wirbt. Wie empfinden Sie das?

Das ist empörend. Die AfD missbraucht das Andenken eines Toten, weil sie unter den Lebenden keine Argumente hat. Einen Toten zu missbrauchen, das ist das Schäbigste, was man tun kann. Wir haben im vergangenen Jahr als Kinder versucht, juristisch dagegen vorzugehen. Aber unsere Anwälte haben uns erklärt, dass eine Klage mit Risiken verbunden ist. Mein Vater ist seit dreißig Jahren tot und hat daher so gut wie keine Rechte mehr auf Schutz seiner Persönlichkeit.

Es ist dringend nötig, das Persönlichkeitsschutzrecht in Deutschland zu stärken. Auch dreißig Jahre nach dem Tod kann man das Andenken an einen Menschen noch missbrauchen, wie das Beispiel meines Vaters zeigt. Die AfD ist da völlig skrupellos.

Mein Vater ist Mitbegründer der CSU, sie ist sein politisches Lebenswerk! Franz Josef Strauß würde nie im Leben für die AfD stimmen. Mein Vater hat während seiner gesamten politisch aktiven Zeit rechte Parteien bekämpft. Er war zutiefst geprägt von den Erlebnissen des Nationalsozialismus. Er hat uns Kinder immer vor den verführerisch einfachen Botschaften und Lösungen der Nationalsozialisten gewarnt. Das hat er uns regelrecht eingeimpft. Er hat sich übrigens genauso scharf gegen die Linksradikalen gewandt. Mein Vater hätte mit aller Macht dagegen gekämpft, dass eine Partei wie die AfD und die Nachfolger der SED, heute die Linke genannt, in ein Parlament einziehen. Das wäre ihm zutiefst zuwider gewesen. Er wollte immer, dass die demokratisch gesinnte Rechte in der Volkspartei CSU ihre Heimat findet, damit die Rechtsextremisten niemals wieder eine Plattform bekommen.

Und wen würde Franz Josef Strauß wählen?

Mein Vater würde selbstverständlich Markus Söder wählen. Ich werde ihn übrigens auch wählen.

Das Interview führte Thomas Röll.