Der Familiennachzug für eingeschränkt Schutzbedürftige ist ein Kompromiss aus Humanität und Zuwanderungsbegrenzung. (Symbolfoto: Imago/ZUMA-Press)
Bundestag

Eingeschränkter Familiennachzug beschlossen

Der Bundestag hat mit Mehrheit der großen Koalition die Obergrenze von 1000 pro Monat beim Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus beschlossen. Schaufensteranträge von FDP und AfD lehnte der Bundestag mit großer Mehrheit ab.

Der Bundestag hat den Familiennachzug für Flüchtlinge neu geregelt. Das Gesetz der großen Koalition sieht vor, dass Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus vom 1. August an wieder Familienangehörige zu sich nach Deutschland holen können. Pro Monat sollen aber bundesweit nur 1000 Angehörige einreisen dürfen. Die Abgeordneten billigten die Neuregelung mit 370 Ja-Stimmen, 279 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen.

Union und SPD machten in der abschließenden Debatte klar, dass bei der Regelung des Familiennachzugs eine Abwägung zwischen Humanität, Regelung und Begrenzung der Zuwanderung gelungen sei. Innenstaatssekretär Stephan Mayer (CSU) nannte das Gesetz ein „sehr wichtiges Projekt der Bundesregierung“ und erwähnte, es sei „durchaus umstritten“ gewesen. Aber nun habe man einen „sehr guten Kompromiss gefunden“. Mayer sagte, diese Neuregelung sei „nicht isoliert zu betrachten, sondern sie fügt sich ein in große Regelwerk Migration“ – und zwar nach dem „Grundsatz ordnen, steuern und begrenzen der Migration ins Land.

FDP und AfD scheitern

Unterdessen lehnte der Bundestag mit breiter Mehrheit einen Antrag der FDP ab, Asylbewerber an der Grenze abzuweisen, falls sie aus einem EU-Land oder sicheren Drittstaat kommen. Dafür stimmten 73 Abgeordnete – die FDP-Fraktion hat 80 Mitglieder. 577 Abgeordnete lehnten den FDP-Antrag in namentlicher Abstimmung ab. Beobachter werteten den FDP-Antrag als rein taktischen Versuch, den diesbezüglichen Streit zwischen CSU und Kanzlerin Merkel zu instrumentalisieren – einen sogenannten Schaufensterantrag. Mit diesem Mittel arbeiten sonst vor allem AfD und Linkspartei. Ein weiterer Antrag der AfD auf Grenzsicherung und Zurückweisung wurde von allen anderen Fraktionen abgelehnt.

Bei dem Familiennachzug gehe es nicht um Zurückweisung an der Grenze, antwortete Innenstaatssekretär Mayer auf eine Zwischenfrage der AfD. „Es geht bei dem 1000er-Kontingent um Menschen, die in Jordanien, im Libanon oder in Syrien sitzen.“ Bei der Auswahl der maximal 1000 Angehörigen von Flüchtlingen pro Monat die ab 1. August kommen dürften, würden humanitäre Notlagen und das Kindeswohl berücksichtigt. Mayer: „Der Grundsatz der Humanität ist uns sehr wichtig.“ Gefährder oder Kriminelle seien hingegen prinzipiell ausgeschlossen, betonte Mayer. Hier würden Bundesinnenministerium, Auswärtiges Amt, die deutschen Vertretungen im Ausland sowie das Bundesverwaltungsamt in Köln eng zusammenarbeiten.

Weiterhin kein Rechtsanspruch auf Nachzug

Die Kritik von Grünen und Linkspartei, bei der Neuregelung des Familiennachzugs werde ein Rechtsanspruch von subsidiär Schutzdürftigen eingeschränkt oder abgeschafft, entgegnete der Innenstaatssekretär, es habe einen solchen Rechtsanspruch nie gegeben: „Weder völkerrechtlich noch europarechtlich gibt es eine Grundlage für einen Rechtsanspruch“, so Mayer. Er sagte, er sei „froh, dass es dabei bleibt, dass es keinen Rechtsanspruch gibt“.

Die subsidiär Schutzbedürftigen hätten in Deutschland lediglich Schutz für ein Jahr und sollten danach grundsätzlich das Land wieder verlassen – nach Prüfung der persönlichen Umstände. „Damit unterscheiden sie sich deutlich von Flüchtlingen nach der Genfer Konvention oder anerkannten Asylbewerbern“, erklärte der Staatssekretär. Bei der Zumessung des Familiennachzugs müsse man „Sicherheit, Humanität, Integrationsbereitschaft des Landes mit berücksichtigen“.

Koalition zeigt sich handlungsfähig

Das Gesetz beweist nach Auffassung der stellvertretenden SPD-Fraktionschefin Eva Högl die Handlungsfähigkeit der Koalition. „Wir haben gezeigt, dass wir fähig sind, gute, konsequente und konstruktive Politik zu machen. Wir wollen Freiheit bewahren, Wohlstand sichern und Sicherheit gewährleisten. Dazu leistet dieser Gesetzentwurf einen wichtigen Beitrag“, so Högl. Das Gesetz kombiniere „humanitäre Verantwortung mit staatlicher Steuerung und Verantwortung“, diese Zuwanderung verlaufe legal, nach staatlichen Regeln.

Der CDU-Innenpolitiker Mathias Middelberg erklärte, zwischen 2015 und 2017 seine alleine über den Nachzug für anerkannte Flüchtlinge volle 126.000 Menschen nach Deutschland gekommen. An die Adresse von Kritikern, die Unionspolitik sei unchristlich und familienfeindlich, sage Middelberg. „Das ist humanitär und bestimmt nicht gegen Familien gerichtet.“ Im Rahmen des Familiennachzugs für weitere Nicht-EU-Ausländer seien im selben Zeitraum mehr als 300.000 Menschen nach Deutschland gekommen, so der CDU-Politiker. Ähnlich äußerte sich der CDU-Familienpolitiker Marcus Weinberg.

CSU setzte sich durch

Derzeit ist der Familiennachzug für diese Flüchtlingsgruppe ausgesetzt – bis auf wenige Härtefälle. Die Neuregelung sieht vor, dass ihre Ehepartner und minderjährigen Kinder bis zu einer Höchstgrenze von 1000 pro Monat demnächst wieder kommen dürfen. Das Gleiche gilt für Eltern von unbegleitet in Deutschland lebenden minderjährigen Flüchtlingen. Zusätzlich können Härtefälle geltend gemacht werden, was in der Vergangenheit aber nur sehr wenigen Betroffenen gelang.

Union und SPD hatten 2016 angesichts hoher Asylzahlen beschlossen, dass Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus und eng befristetem Bleiberecht – sogenannte subsidiär Schutzberechtigte – ihre Angehörigen für zwei Jahre nicht nachholen dürfen. Subsidiären Schutz bekommt, wem in der Heimat ernsthafter Schaden droht, zum Beispiel die Todesstrafe, Folter oder Krieg. Die Neuregelung mit der strikten Begrenzung auf 1000 Menschen pro Monat gilt als politischer Erfolg der CSU. So warf ein Zwischenrufer von der FDP im Bundestag der SPD vor, sie solle sich schämen, der CSU ein solches „Wahlkampfgeschenk“ zu machen.