Bundesinnenminister Horst Seehofer, CSU. (Foto: BK/M. Priske)
Asylpolitik

Seehofer stoppt Bremer Flüchtlingsamt

Die Affäre um rechtswidrige Asylbescheide in Bremen zieht immer weitere Kreise. Jetzt sprach Innenminister Horst Seehofer ein Machtwort. Gegen die Chefin des Flüchtlingsbundesamts ist unterdessen eine Strafanzeige eingegangen.

Als Konsequenz aus der Affäre um unrechtmäßige Asylentscheide in Bremen verbietet Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) der dortigen Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) bis auf weiteres, über Anträge von Flüchtlingen zu entscheiden. Das teilte das Ministerium am Mittwoch mit.

Das Vertrauen in die Qualität der Asylverfahren und die Integrität des Ankunftszentrums Bremen ist massiv geschädigt worden.

Horst Seehofer

Seehofer sagte demnach: „Das Vertrauen in die Qualität der Asylverfahren und die Integrität des Ankunftszentrums Bremen ist massiv geschädigt worden.“ Um dieses wiederherzustellen, habe er daher entschieden, dass das Ankunftszentrum in Bremen „ab sofort und bis zum vollständigen Abschluss des Ermittlungsverfahrens und der laufenden Überprüfungen“ keine Asylentscheidungen mehr trifft. Asylverfahren des Ankunftszentrums Bremen würden ab sofort von anderen Außenstellen übernommen, „bis zum vollständigen Abschluss des Ermittlungsverfahrens und der laufenden Überprüfungen“. Weiter hieß es in der Mitteilung des Bundesinnenministeriums, ein Bericht der internen Revision des Bamf vom 11. Mai zeige deutlich, „dass im Ankunftszentrum Bremen bewusst gesetzliche Regelungen und interne Dienstvorschriften missachtet wurden“. In dem Bericht wurden insgesamt 4.568 Asylverfahren geprüft, in denen „Unregelmäßigkeiten aufgrund der Beteiligung von zwei Rechtsanwaltskanzleien“ zu vermuten waren.

Bessere Kontrollen

Seehofer selbst will am Dienstag im Innenausschuss des Bundestages Rechenschaft über die Unregelmäßigkeiten ablegen. Er hatte bereits Konsequenzen für das Bamf angekündigt. Jetzt gab der Minister bekannt, dass die Qualität der Asylentscheidungen für ihn an erster Stelle stehe. Weitere Maßnahmen sollen das sicherstellen: Zukünftig werden beispielsweise zusätzlich nach dem Zufallsprinzip 10 Prozent aller Asylentscheidungen des BAMF vor der Zustellung durch die Qualitätssicherung des BAMF überprüft. Dafür wird die Mitarbeiterzahl in der Qualitätssicherung in der BAMF-Zentrale erheblich verstärkt. „In Zukunft sollen auch regelmäßig Entscheidungen der Außenstellen überprüft werden, deren Schutzquoten vom bundesweiten Durchschnitt abweichen.“ so Seehofer weiter.

Asyl für Geld?

In der Bamf-Außenstelle Bremen sollen zwischen 2013 und 2016 Mitarbeiter mindestens 1200 Menschen ohne ausreichende rechtliche Grundlage Asyl gewährt haben. Gegen die damalige Bremer Bamf-Chefin und weitere Verdächtige laufen Ermittlungen wegen Bestechlichkeit und bandenmäßiger Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth geht außerdem einer Strafanzeige gegen Bamf-Chefin Jutta Cordt und weitere Mitarbeiter nach. In der Bamf-Zentrale waren die Unregelmäßigkeiten schon Anfang 2016 bekannt.

Verwirrung um Strafanzeige gegen Cordt

Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth sagte der Deutschen Presse-Agentur zu der eingegangenen Strafanzeige, förmliche Ermittlungen seien nicht eingeleitet worden. Bislang sei routinemäßig lediglich ein Aktenzeichen vergeben worden. Geprüft werde nun der in der Anzeige aufgeworfene Verdacht einer Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt im Bundesgebiet. „Wir prüfen, ob ein solcher Verdacht besteht und ob Ermittlungen einzuleiten sind.“ Diese Prüfungen stünden ganz am Anfang. Sie widersprach Darstellungen, ihre Anklagebehörde habe ein Ermittlungsverfahren gegen Cordt eingeleitet.

Die Bild-Zeitung hatte hingegen den Pressesprecher der Generalsstaatsanwaltschaft, Stephan Popp, mit den Worten zitiert, ein solches Ermittlungsverfahren sei schon eingeleitet. Dieser sagte dazu auf dpa-Anfrage, seine Formulierung sei eine „rein formale“ Aussage, unter anderem weil ein Aktenzeichen vergeben wurde, und stehe aus seiner Sicht auch nicht im Widerspruch zu den Aussagen der Staatsanwaltschaft in Nürnberg-Fürth. Er habe die eingegangene Anzeige dorthin weitergeleitet; inhaltlich könne er zu dem Vorgang nichts sagen, weil er nicht zuständig sei.

Weitere Prüfungen in Bamf-Außenstellen

Inzwischen überprüft das Bundesamt auch zehn andere Außenstellen, die Flüchtlingen über- oder unterdurchschnittlich oft Schutz gewährt haben. Auf die Frage, ob es dort anders als in Bremen „nur“ um Schlamperei, Unvermögen oder schlichte Überlastung gehe, hatte Seehofer gesagt: „Letzteres scheint der Fall zu sein. Aber ich sage immer: Scheint der Fall zu sein. Wir sind ja mit Hochdruck dabei, die ganzen Dinge aufzuklären.“

Es gab keine Strukturen, die dieser Belastung hätte gerecht werden können.

Frank-Jürgen Weise, Ex-Bamf-Chef

Der ehemalige Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise führt die Unregelmäßigkeiten beim Bamf auch auf eine chaotische Organisation in der Behörde zurück. „Es gab keine Strukturen, die dieser Belastung hätte gerecht werden können, keine funktionierende IT, keine Prozesskette“, sagte Weise dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es habe „kaum Kontrollmechanismen“ gegeben. „Eine Innenrevision zur Prüfung von Vorgängen und Entscheidungen habe erst ich eingeführt“, so Weise. Obendrein sei das Bamf durch „die enorm hohe Zahl von Asylanträgen überfordert“ gewesen. Der inzwischen pensionierte Weise hatte von September 2015 bis Ende 2016 gleichzeitig die Bundesagentur für Arbeit und das Bamf geleitet. Anfang 2017 war Cordt an die Bamf-Spitze gerückt.

Die Anerkennungsquoten für Schutzsuchende bewegt sich nach einem Medienbericht derweil weiter auf einem niedrigen Niveau. Bei den zwischen Januar und Ende April vom Bamf getroffenen Entscheidungen habe nur jeder Dritte (32,5 Prozent) einen Schutztitel zugesprochen bekommen, berichtete die Welt mit Verweis auf offizielle Zahlen.