Bundeskanzlerin Merkel bei ihrer Regierungserklärung (Foto: Imago/ZUMA-Press)
Generaldebatte

Wie Merkel die Spaltung überwinden will

Im Rückblick auf die Flüchtlingskrise hat Bundeskanzlerin Merkel eigene Fehler eingeräumt, die massive Zuwanderung habe Deutschland gespalten. Der neue Koalitionsvertrag gebe darauf eine Antwort: Erklärtes Ziel sei es, diese Spaltung zu überwinden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Fehler im Zusammenhang mit dem Syrienkrieg und der Flüchtlingskrise eingeräumt und mehrere Punkte skizziert, wie eine neue Zuwanderungswelle verhindert werden soll. Deutschland sei aufgrund der Entwicklungen der vergangenen Jahre „gespalten“, sagte sie in der ersten Regierungserklärung nach ihrer Wiederwahl. Daher ziehe sich die Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts wie „ein roter Faden“ durch den Koalitionsvertrag, sagte Merkel. Es sei das erklärte Ziel der großen Koalition, die Spaltung in der Gesellschaft zu überwinden.

Der Ton sei rauer geworden, stellte Merkel fest. Obwohl es Deutschland wirtschaftlich so gut gehe wie noch nie seit der Wiedervereinigung, bewege viele Menschen, wie gut der Rechtsstaat funktioniere. Die Flüchtlingskrise habe Deutschland „in beispielloser Weise“ gefordert, sagte die Kanzlerin. Und nicht nur das. „Vielmehr hat auch die Debatte unser Land bis heute gespalten und polarisiert. Und zwar so sehr, dass ein so banaler Satz wie ‚Wir schaffen das‘, den ich in allen möglichen Zusammenhängen auch schon privat gesagt habe, zum Kristallisationspunkt dieser Auseinandersetzung werden konnte“, sagte Merkel. Dieser Satz stehe symptomatisch dafür, „was unser Land schaffen kann und was wir schaffen wollen“.

Wir brauchen eine solche Kontrolle, denn wir mussten erleben, dass unter den so vielen friedlichen und unbescholtenen Flüchtlingen auch islamistische Terroristen waren.

Angela Merkel, Bundeskanzlerin

Europa und die Nato hätten viel zu lang im Syrienkrieg „zu halbherzig reagiert“ und zugelassen, dass Millionen Flüchtlinge in der Türkei, im Libanon und Jordanien jahrelang schlecht versorgt und perspektivlos vegetierten, so dass viele sich dann den Schleppern nach Europa anvertraut hätten. „Das war im Nachhinein ein Fehler“, so Merkel. Insbesondere hätte der Westen nicht zulassen dürfen, dass das UN-Flüchtlingsprogramm so „dramatisch unterfinanziert“ sei. „Trotzdem haben wir im Großen und Ganzen diese Aufgabe bewältigt“, sagte sie.

Alles tun, damit sich Flüchtlingskrise nicht wiederholt

Eine derartige Flüchtlingskrise wie 2015 dürfe sich nicht wiederholen, betonte die Kanzlerin. Dazu diene das EU-Türkei-Abkommen, um Schleusern und Schleppern das Handwerk zu legen. Fluchtursachen müssten entschlossen bekämpft werden. In diesem Zusammenhang verurteilte Merkel die Bombardierung von Ost-Ghuta durch Syriens Diktator Assad und den türkischen Angriff auf die syrische Kurdenstadt Afrin „aufs Schärfste“.

Die EU-Außengrenzen müssten endlich wirksam geschützt werden. „Wir brauchen eine solche Kontrolle, denn wir mussten erleben, dass unter den so vielen friedlichen und unbescholtenen Flüchtlingen auch islamistische Terroristen waren“, so Merkel. Wer einen Schutzstatus in Deutschland erhalte, müsse integriert werden, wer aber nicht in Deutschland bleiben dürfe, müsse das Land auch wieder verlassen. Über den Aufenthaltsstatus von Asylbewerbern werde laut Merkel zukünftig in sogenannten „AnkER“-Zentren entschieden. Von dort sollten gegebenenfalls auch die Rückführungen erfolgen.

Sicherheit, Wehrfähigkeit, Durchsetzen wirtschaftlicher Interessen in der Welt.

Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef, zu den zentralen Aufgaben der EU

Klar sei, dass Deutschland christlich und jüdisch geprägt sei, so Merkel weiter. „Doch so richtig das ist, so richtig ist es auch, dass mit den 4,5 Million bei uns lebenden Muslimen ihre Religion, der Islam, inzwischen ein Teil Deutschlands geworden ist“, erklärte sie. Jeder habe das gute Recht, diesen Gedanken nicht anzunehmen. Die Bundesregierung aber habe die Aufgabe, alle Diskussionen so zu führen, dass am Ende durch konkrete Entscheidungen der Zusammenhalt aller dauerhaft in Deutschland lebenden Menschen größer und nicht kleiner werde. Die große Mehrzahl der Muslime in Deutschland lehne Radikalismus und islamistischen Terror ab. „Viele von ihnen leben ihren Glauben, den Islam, friedlich, verfassungs- und gesetzestreu“, sagte Merkel.

Integration muss eine Richtung haben

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hingegen stellte klar, dass seiner Ansicht nach der Islam nicht zu Deutschland gehört. Zwar seien die „Muslime, die hier leben und sich in unser Wertesystem integrieren wollen, ein Teil Deutschlands“. Aber es müsse klar sein, wohin Zuwanderer sich integrieren müssten, und das sei ein „klar christliches Land“. Die überwiegende Mehrheit der Bürger wolle auch, dass Deutschland ein christlich geprägtes Land bleibe, so Dobrindt.

Es muss sich etwas in den Köpfen grundsätzlich ändern. Wir sind an manchen Stellen zu satt.

Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung

Der Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten betonte auch, er halte am Ziel fest, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Bundeswehr auszugeben: „Es geht nicht um Aufrüstung, sondern es geht um Ausrüstung.“ Die EU müsse sich entscheiden, ob sie Mitspieler sein wolle oder Spielwiese für Amerika, Russland und Asien. „Wir brauchen ein neues Selbstverständnis für Europa“, so Dobrindt. Das Ziel könne nicht mehr die „Ever Closer Union“ sein, das immer engere Zusammenwachsen der EU, sondern die externen Herausforderungen: „Sicherheit, Wehrfähigkeit, Durchsetzen wirtschaftlicher Interessen in der Welt.“

Genervt von Bedenkenträgern

„Es muss sich etwas in den Köpfen grundsätzlich ändern“, erklärte die neue Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär (CSU). Sie höre zu oft Bedenken statt Zuversicht, wenn es darum gehe, die Herausforderungen der Digitaliserung offensiv anzugehen und zu gestalten. „Für die deutsche Wirtschaft entscheidet sich jetzt, ob wir in den kommenden Jahrzehnten noch mitspielen dürfen“, betonte Bär. „Wir sind an manchen Stellen zu satt“, warnte sie. Durch diese Trägheit drohe Deutschland, große „Chancen zu verschlafen“.