Wird von Europas Links- und Rechtspopulisten gleichermaßen hofiert: Russlands Autokrat Putin. (Foto: Imago/UPI-Photo)
Europa

Putins Populisten

Europas Rechts- und Linkspopulisten sind sehr unterschiedlich, doch sie eint ihr Idol: Russlands Potentat Putin. Er unterstützt viele dieser destruktiven Truppen. Derweil entwickeln die etablierten Parteien Abwehrstrategien gegen die Populisten.

Die Verbindungen zwischen dem „politkriminellen autokratischen Regime“ von Wladimir Putin in Moskau zu den westeuropäischen Rechts- und Linkspopulisten sind nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Uwe Backes „erschreckend eng“. Putin habe ein grundsätzliches Interesse daran, alle Kräfte in Europa zu stärken, die die westlichen Demokratien, sowie EU und NATO schwächen, sagte der Forscher vom Dresdener Hannah-Arendt-Institut bei einer Expertentagung der Hanns-Seidel-Stiftung in Kloster Banz. Insgesamt nannte er sie „Putins Populisten“.

Griff nach Europa

So sei der jetzige AfD-Fraktionschef Alexander Gauland 2015 auf Einladung der St.-Basilius-Stiftung nach Moskau gereist, habe sich mit dem rechtsextremen Eurasien-Philosophen Alexander Dugin getroffen und ihn hinterher ausdrücklich gelobt. Die „Junge Alternative“ unterhalte enge Verbindungen nach Russland, etwa zur „Jungen Garde“ der Kreml-Partei Einiges Russland, auch habe man an einer Donbas-Konferenz in der Ostukraine teilgenommen.

Eine nostalgische, irrationale, emotionale Russland-Freundschaft.

Uwe Backes

Europaweit gebe es Moskauer Einflussnahme oder finanzielle Förderung bei allen populistischen Parteien, die eine gewisse Machtposition haben, so Backes: Front National, Vlaams Belang, FPÖ, Lega, die niederländische PVV. Diese verklärten Putin als Helden, wegen seiner angeblichen Verteidigung von konservativen Werten und christlichen Traditionen, konservativer Moral- und Gesellschafts-Vorstellungen, der russischen Eurasien-Ideologie sowie Putins imperialem Denken.

AfD und Linkspartei trommeln eifrig für Putin

Auf Seiten der Linkspartei beobachtet Backes ebenfalls bedenkliche Tendenzen der Putin-Verharmlosung. So seien 2014 vier Funktionäre der Linkspartei, darunter zwei Landtagsabgeordnete, als „Wahlbeobachter“ zum umstrittenen Krim-Referendum gereist und hätten dafür beträchtliches Honorar kassiert. Gregor Gysi habe die Besetzung der Krim mit der Lage im Kosovo gleichgesetzt. „Das lässt einen fassungslos zurück“, so Backes. Europaweit unterstütze Moskau zudem die linken Parteien „La France insoumise“ und „Front de gauche“ in Frankreich sowie KKE und Syriza in Griechenland.

Die Freundschaft zu Putin sei bei Europas Linkspopulisten anders begründet als bei den Rechten: Hier stehe die Kritik an EU und USA und das gemeinsame antiwestliche Denken im Mittelpunkt, so Uwe Backes. „Eine kulturelle Russophilie, eine nostalgische, irrationale, emotionale Russland-Freundschaft, Sympathie für Volk und Geschichte, die fälschlicherweise auf das Putin-Regime übertragen wird“, so Backes. Damit verteidige die europäische Linke nämlich auch Phänomene, die sie „eigentlich keinesfalls goutieren kann“, etwa Putins „kleptokratische Selbstbereicherungsmechanismen“: Beobachter schätzten das Privatvermögen Putins auf 40 bis 120 Milliarden US-Dollar, verteilt auf bis zu 25 enge Freunde („Proxies“), erklärte Backes.

Gefährliche „Rote Hilfe“

Die Extremismusforscherin Bettina Blank vom Verfassungsschutz Baden-Württemberg warnte vor dem linksextremen Verein „Rote Hilfe“. Dieser sei keineswegs nur eine „selbstlose Betreuungsorganisation für Straftäter“, sondern unterstütze ausschließlich Menschen, die wegen linksextrem motivierter Straf- und Gewalttaten in Polizeigewahrsam, vor Gericht oder im Gefängnis sitzen. Bemerkenswert sei der Sammlungscharakter der „Roten Hilfe“ in der linksextremen Szene: Hier helfen Autonome, Leninisten, Maoisten, Trotzkisten und andere Radikale einträchtig zusammen. Mit der Einschaltung szenetypischer Anwälte und Druck über die Öffentlichkeit werde versucht, Gerichte zu beeinflussen und geringere Strafen herauszuholen. Wenn aber ein Inhaftierter gegenüber irgendeiner staatlichen Stelle eine Aussage mache, sei jede Unterstützung von der „Roten Hilfe“ kategorisch ausgeschlossen, so die Extremismusforscherin.

Kennzeichen seien unter anderem szenetypische Begriffsverdrehungen, sagte Bettina Blank. So höre es sich ganz anders an, wenn man sage, dass linksextreme Strafgefangene „wegen Verfolgung Nachteile erleiden“ als wenn man denselben Sachverhalt als „Strafe für Straftaten“ bezeichne. In der Sicht der „Roten Hilfe“ gebe es kein staatliches Gewaltmonopol, denn der Staat sei grundsätzlich parteiisch, handle im „Auftrag des Kapitals“ und sorge für die „Aufrecherhaltung des Systems von Ausbeutung und Unterdrückung“, so Blank. Die Rote Hilfe verharmlose Gewalt gegen Polizisten als „Widerstand gegen polizeiliche Übergriffe“ und „linke Gegengewalt gegen die Repression des Staates“. Dabei ist die „Rote Hilfe“ kein kleiner Verein: Laut Wikipedia hatte sie Ende 2016 knapp 8300 Mitglieder, multipliziert mit 120 Euro Jahresbeitrag ergibt sich eine Million Euro Einnahmen im Jahr. Dazu kommen Erlöse aus punktuellen Spendenwerbungen, T-Shirt-Verkäufen und so weiter. In der Folge größerer linker Krawalle wie beim G20-Gipfel in Hamburg und bei der EZB-Einweihung in Frankfurt gebe es mehr und größere Einzelspenden, so Blank.

Strategie gegen Populisten

Die Strategien der etablierten Parteien gegen die Populisten analysierte Tom Mannewitz aus Chemnitz, Schüler des Extremismusforschers Eckhard Jesse. Er identifizierte fünf grundsäzliche Ansätze: Ausgrenzen, ignorieren, einbinden, kopieren oder kontern. Das Ignorieren oder „Totschweigen“ könne funktionieren, wenn es früh genug erfolge und die Medien mitmachten. Bei den Republikanern Anfang der 1990er Jahre sei das gelungen, so Mannewitz. Allerdings habe sich die Ausgangslage durch das Aufkommen der sozialen Medien stark geändert, „totschweigen“ sei heute nicht mehr möglich.

Zusammengefasst dürfte eine flexible Mischung verschiedener Gegenstrategien am erfolgversprechendsten sein – je nachdem, wer sie anwendet: Ausgrenzen der Populisten von Seiten entschiedener politischer Gegner, Kopieren der inhaltlichen Positionen und Zurückgewinnen verlorener Angänger durch glaubwürdige Politik, wenn es sich um politisch nahestehende etablierte Parteien handelt, vor allem in Regierungsverantwortung. Und Kontern zumindest extremer Positionen im öffentlichen Diskurs und letztlich Entlarven der Populisten als reine Dampfplauderer, die nichts zur realen Lösung der Probleme beitragen.