Jedem Dorf seinen Discounter? Der Flächenverbrauch in der Kritik. (Bild: Imago/argum/Falk Heller)
Umwelt

Schluss mit dem Flächenfraß

Das Volksbegehren zum "Flächenfraß" stößt auf Widerstand in der CSU. Der Arbeitskreis Umwelt und die Kommunalpolitische Vereinigung wollen einen Gegenentwurf erarbeiten, der auch Lösungen für das Problem anbietet und nicht nur plakative Parolen.

Die Kommunalpolitische Vereinigung der CSU (KPV) und der Arbeitskreis Umweltsicherung und Landesentwicklung (AKU) hatten zu einer Diskussion über die Reduzierung des Flächenverbrauchs in Bayern eingeladen. Viele Interessierte kamen, darunter Bundes- und Landtagsabgeordnete. Mit dabei waren auch KPV-Chef Stefan Rößle, Landrat von Donau-Ries, sowie der Landtagsabgeordnete und AKU-Chef Martin Huber.

Jeder Kindergarten, jede Schule, jedes Einfamilienhaus müsste abgelehnt werden.

Martin Huber und Stefan Rößle

„Ist die Höchstgrenze des Volksbegehrens praktikabel?“, wollten Huber und Rößle wissen. „Jeder Kindergarten, jede Schule, jedes Einfamilienhaus müsste abgelehnt werden, wenn die Gemeinde ihr Limit überschritten hat.“ Andererseits würden Innenstädte veröden, Flächen brach liegen und hässliche Discounter die Ortsränder verschandeln sowie versiegelte Flächen Hochwasserprobleme verschärfen.

Strategien gegen Flächenverbrauch

In einer intensiven Debatte ging es darum, Strategien gegen den Flächenverbrauch zu sammeln. Denn deutlich wurde, dass das derzeit laufende Volksbegehren zwar beim Ziel auf breite Zustimmung stößt, aber der falsche Weg ist, um es zu erreichen. Rößle prognostizierte baldige Proteste im Falle der Annahme. „Bevormundung der Kommunen. Höhere Häuser, auch auf dem Land. Weniger Platz: Das bedeutet steigende Mieten und Baulandpreise. Deshalb brauchen wir einen Alternativvorschlag zum Volksbegehren“, erklärte Rößle. „Etwas Besseres! Keine Verbote und Vorschriften, sondern Anreize und Lösungsvorschläge.“

Die Fakten

Erwin Huber, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Landtag, stellte klar: Insgesamt sind für Zwecke wie Wohnen, Wirtschaft und Verkehr 12 Prozent der Landesfläche im Freistaat bebaut. Wirklich versiegelt sind aber nur 6 Prozent, da auch Gärten, Parks oder Spielplätze als bebaute Fläche gelten. Jeden Tag werden in Bayern 10 Hektar neu beansprucht, die Hälfte davon für Wohnraum, ein weiteres Viertel für Gewerbe und Industrie. Weitere 10 Prozent werden für den Verkehr beansprucht, meist für Kommunalstraßen. „Es geht hier also in erster Linie um Wohnraum und Arbeitsplätze, das müssen wir den Menschen klarmachen“, betonte Huber. Aber natürlich könne man den Flächenverbrauch noch reduzieren.

Die Grünen sagen, wir müssten mehr für den Wohnungsbau tun. Und dann fordern sie die Begrenzung der Bebauung.

Erwin Huber

Bayerns Bevölkerung ist seit 1990 um zwei Millionen Menschen gewachsen, die alle Wohnraum, Schulen, Kindergärten und Anderes benötigten. Die Grünen betrieben laut Huber ein falsches Spiel. „Die Grünen sagen, wir müssten mehr für den Wohnungsbau tun. Und dann fordern sie die Begrenzung der Bebauung in einem Volksbegehren.“ Und weiter: „Die Grünen sagen, der ländliche Raum braucht Zukunft und Entwicklung.“ Aber die dazu notwendigen Straßen und Unternehmen wollten sie nun flächenmäßig einschränken. Darauf hinzuweisen, dass die Grünen auch möglichst alle Asylbewerber ins Land lassen wollen, verzichtete Huber.

Was das Volksbegehren bedeuten würde

Er rechnete vor, was die geforderte Beschränkung bedeuten würde: „5 Hektar pro Tag für Bayern, das sind für 2100 Gemeinden rund 1800 Hektar pro Jahr, also weniger als ein Hektar pro Gemeinde.“ Genauer: 87 mal 100 Meter pro Kommune. Laut Huber ist das auch ungerecht, da sich Bayern viel dynamischer entwickle, als etwa die neuen Bundesländer. Und die Gemeinden hätten je nach Lage und Größe unterschiedliche Bedürfnisse. Ob dafür ein Flächen-Zertifikatehandel funktioniere, bezweifelte Huber. Das würde zu einem erstarrten Grundstücksmarkt führen. Der frühere AKU-Chef Josef Göppel widersprach: Der Zertifikathandel sei schon in einigen Städten wie Aschaffenburg oder Nördlingen erprobt worden.

Huber nannte verschiedene Maßnahmen, weil es „die eine große Lösung“ nicht gebe. Dafür brauche es aber mehr Zeit, als das Volksbegehren gebe, das die Beschränkung sofort wolle.

  • Flächen- und Leerstandmanagement in den Kommunen; Nachverdichtung
  • Entsiegelung nicht mehr genutzter Flächen
  • Bebauung des Innen- vor dem Außenbereich
  • In die Höhe bauen, jedenfalls wo das ins Ortsbild passt und nicht zu teuer wird. So sollten Discounter Parkplätze unter oder über dem Verkaufsareal errichten, statt daneben.
  • Städtebauförderung weg vom „musealen Erhalt“ hin zu wirtschaftlicher Entwicklung
  • Finanzielle Anreize zum Flächensparen

Veränderte Landschaften

Norbert Schäffer, der Vorsitzende des Landesbundes für Vogelschutz in Bayern (LBV) mahnte: „Die Landschaft hat viel von ihrem Wert verloren.“ Bereits 2003 habe Bayern ein Bündnis zum Flächensparen gegründet – ohne Ergebnisse. „Wir haben auf Freiwilligkeit gesetzt, das hat sich nicht ausgezahlt.“ Deshalb habe sich der LBV nun dem Volksbegehren angeschlossen.

Die Artenvielfalt sei durch die Bebauung massiv bedroht. „In den letzten 40 Jahren ging bei den Vögeln die Hälfte der biologischen Vielfalt verloren.“ Ausgleichsflächen seien oft nicht zielführend, da man Lebensräume nicht einfach verpflanzen könne. Weitere indirekte Auswirkungen: Mangels Flächen intensiviere sich die Landwirtschaft, Freizeitaktivitäten konzentrierten sich auf die wenigen erhaltenen Naturräume. Das 5-Hektar-Ziel des Volksbegehrens stehe auch in den Sondierungsvereinbarungen der Großen Koalition, wenn auch bis 2030. „Wir wollen keinen Stillstand, wir wollen die Entwicklung lenken“, machte der LBV-Chef klar. „Wir sind gegen die Donut-Entwicklung unserer Dörfer: Innen leer und außen ringsum bebaut.“

Wie kann der Flächenverbrauch reduziert werden?

Jörg Heiler von der Bayerischen Architektenkammer nannte weitere Lösungswege, um Flächenverbrauch zu reduzieren. Auch die Gäste trugen weitere Ideen bei, darunter:

  • Vorhandenes nutzen, etwa in einer alten Scheune den Kindergarten unterbringen.
  • Interkommunale Zusammenarbeit und regionale Planungen: Nicht jede Gemeinde brauche ein eigenes Gewerbegebiet oder vier Discounter.
  • Material wirkt: Viele unansehnliche Bauten könnten durch den Einsatz von Baustoffen wie Holz oder durch ortsübliche Fassaden besser aussehen
  • „Daten- statt Autoverkehr“: Die Digitalisierung könnte Arbeitsplätze aufs Land zurückverlagern, wenn Unternehmen flexibler würden. Dies hätte obendrein soziale Effekte.
  • Flächen wie Talauen, Hangkanten und grüne Bänder zwischen den Orten nicht bebauen.
  • Vorschriften flexibler auslegen: So verlange das Tierwohl größere Ställe oder Denkmalschutz teure Sanierungen. Gemeinderäte würden oft sinnvolle kleine bauliche Veränderungen ablehnen, etwa geänderte Dachneigungen.
  • Den Flächenverbrauch als Faktor in die Gewerbesteuer einfügen.
  • Flächen sparen im Kommunalen Finanzausgleich belohnen.

Die Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber wies darauf hin, dass auch der Bund helfe: Das Baugesetzbuch wurde zur Innenverdichtung um die Kategorie „Urbane Gebiete“ erweitert, Entsiegelung, Flächenmanagement, Ortskern-Revitalisierung und die Konversion von Kasernen würden gefördert.