Die EU kritisiert die deutschen Mautpläne. (Bild: Fotolia/Trueffelpix)
Pkw-Maut

CSU kritisiert EU-Kommission

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) verschiebt die Einführung der Pkw-Maut, weil die EU-Kommission juristisch dagegen vorgehen will. Frühester Termin ist nun 2017. Gleichzeitig will Dobrindt die Vorbereitungen weiter vorantreiben und dem Mahnbrief aus Brüssel mit Härte begegnen. Die CSU richtet ihren Zorn auf die EU-Kommission.
  • Aktualisiert am 19. Juni 2015 um 11.30 Uhr

Bundesverkehrsminister Dobrindt will die Einführung der PKW-Maut verschieben. Mit der Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens bremse die EU-Kommission die Umsetzung der Infrastrukturabgabe, sagte der CSU-Politiker der „Bild“-Zeitung. „Wir verhalten uns rechtsstaatlich und werden eine Gerichtsentscheidung abwarten.“ Wegen des schwebenden Verfahrens und der damit verbundenen Rechtsunsicherheit sei eine Ausschreibung für die Betreiberfirmen der Maut nicht möglich. Er werde die Vorbereitungen für die Einführung jedoch wie geplant weiter vorantreiben, sagte Dobrindt. „Die Bundesregierung hat eindeutig nachgewiesen, dass die Mautgesetze EU-konform sind. Deshalb bereiten wir Ausschreibung und Vergabe des Mautmodells vor.“ Damit ist der früheste realistische Termin für die Einführung 2017. Laut Bundesverkehrsministerium soll die Maut nach Abzug der Kosten jährlich 500 Millionen Euro einbringen.

Die EU-Kommission machte klar, dass sie wegen der Maut juristisch gegen Deutschland vorgehen werde. Das teilte der Sprecher von EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc mit. Somit geht die EU-Kommission davon aus, dass die Maut gegen EU-Recht verstößt. Deutschland erhalte zunächst ein Mahnschreiben aus Brüssel. Zu den Vorwürfen müsse Berlin innerhalb von acht Wochen Stellung nehmen. Wenn sich beide Seiten nicht einigen können, droht Deutschland am Ende eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Bis zu einem Urteil könnten zwei Jahre vergehen. Damit wäre der ursprünglich geplante Starttermin im Laufe von 2016 faktisch kaum haltbar. Die Behörde sieht in der Abgabe eine gezielte Diskriminierung ausländischer Autofahrer. Denn unter dem Strich würden nur ausländische Fahrer belastet, weil Inländer ihr Geld über eine Senkung der Kfz-Steuer zurückbekommen sollen, hieß es.

Heftige Kritik aus der CSU

In der CSU stieß das Vorgehen der EU-Kommission auf scharfe Kritik. Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt betonte in der „Welt“, mit der Infrastrukturabgabe vollziehe Deutschland den Systemwechsel hin zur Nutzerfinanzierung bei der Verkehrsinfrastruktur. „Das ist ein Ziel, das auch die EU-Kommission unterstützt. Trotzdem scheint sie sich in der Rolle des Verhinderers zu gefallen. Das ist nicht die EU, die wir brauchen“, so Hasselfeldt. „Das geht die EU überhaupt nichts an“, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer im selben Blatt. Die EU sei schuld daran, dass Gerechtigkeit auf Deutschlands Straßen verschoben werden müsse. „Die Maut kommt und kann nicht von irgendwelchen Bürokraten gestoppt werden. Wie wir in Deutschland unsere Kfz-Steuer gestalten, ist unsere nationale Angelegenheit.“

Dobrindt kündigte eine harte Auseinandersetzung mit Brüssel an. „Ich erwarte eine harte Auseinandersetzung mit Brüssel“, sagte Dobrindt. Er sprach der Kommission die rechtliche Zuständigkeit ab, gegen das vom deutschen Parlament beschlossene Gesetz zur Pkw-Maut vorzugehen. Die Kfz-Steuer sei schließlich allein Sache der Bundesrepublik und gehe die EU schlichtweg nichts an. Er erinnerte daran, dass die EU-Kommission 2011 in ihrem Weißbuch Verkehr den Mitgliedstaaten ausdrücklich empfohlen habe, die Nutzerfinanzierung als Alternative zur Steuerfinanzierung einzuführen.

Auch Österreich und Großbritannien haben ihre Steuerzahler entlastet

Kritik übte Dobrindt auch an Österreich, das unabhängig von der EU-Kommission eine Klage gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof angekündigt hatte. Der Bundesverkehrsminister warf dem Nachbarland vor, es diskriminiere selbst ausländische Autofahrer bei der Mauterhebung. „Ungleichbehandlungen kann man in Österreich sehen, zum Beispiel beim Felbertauerntunnel, da zahlen Ausländer zehn Euro Gebühr, Autofahrer aus Teilen Österreichs vier Euro“, so Dobrindt. Auch am Katschbergtunnel hätten Österreichs Pendler „satte Sonderkonditionen“ und sparten sich so rund 100 Euro im Jahr gegenüber Autofahrern aus dem Ausland.

Zudem habe Österreich, als dort 1997 die Pkw-Maut eingeführt worden sei, zeitgleich die Pendlerpauschale für inländische Steuerzahler erheblich angehoben. 2011 wurde auch die Kfz-Steuer, die natürlich nur Inländer zahlen, massiv gesenkt: Von 2,54 Euro pro angefangene Tonne Gesamtgewicht und Monat auf 1,55 Euro. Das bedeutete für einen VW-Golf im Jahr 37,20 Euro statt 60,96 Euro. Auch als Großbritannien vergangenes Jahr die Lkw-Maut eingeführt habe, sei dort gleichzeitig die Kfz-Steuer für Lastkraftwagen erheblich gesenkt worden. „In beiden Fällen hatte die EU nichts zu beanstanden“, sagte Dobrindt.

Dobrindt zeigte sich davon überzeugt, dass die deutsche Pkw-Maut auch einen Rechtsstreit auf EU-Ebene ohne Änderungen überstehen werde. „Wir diskriminieren niemanden“, so Dobrindt. „Wenn es mit Brüssel tatsächlich zu Verhandlungen käme, werde auch über die anderen europäischen Mautsysteme gesprochen werden“, warnte Dobrindt. Das hätte weitreichende Konsequenzen für andere Länder.

Ein Rechtsgutachten, das von dem Bonner Jura-Professor Dr. Christian Hillgruber erstellt wurde, sieht keine Ausländerdiskriminierung: „Die vorgesehene Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Nutzung des deutschen Bundesfernstraßennetzes stellt auch in der Kombination mit entsprechenden Freigrenzen bei der Kfz-Steuer, in deren Genuss tatsächlich nur Halter von im Inland zugelassenen Kfz kommen, keine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar, weil diese Nutzer des deutschen Bundesfernstraßennetzes bereits anderweitig, nämlich durch Kfz-Steuern, einen Beitrag zur Verkehrsinfrastrukturfinanzierung leisten, der in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen ist und dazu führt, dass im Ergebnis EU-Ausländer keine höhere Belastung als Inländer zu tragen haben.“

Spaniens Maut-Autobahnen von EU finanziert – 2012 vor Milliarden-Bankrott

Die Maut-Autobahnen der Nachbarländer nah und fern, ihre Zahlsysteme und ihre finanzielle Situation sind tatsächlich einer Betrachtung wert. In Spanien etwa gerieten die Betreiber der Maut-Autobahnen 2012 in den Sog der Krise – nicht ganz unverschuldet, wie sich zeigte. Im Juni 2012 standen die Betreiber unrentabler mautpflichtiger Autobahnen vor allem im Großraum Madrid, aber auch an der Mittelmeerküste vor dem Bankrott. In den Kassen fehlten sage und schreibe vier Milliarden Euro, berichtete damals die Madrider Tageszeitung El Pais. „Spaniens Maut-Autobahnen müssen auch gerettet werden“, titelte damals die „FAZ“.

Für Landenteignungen wurden Entschädigungen von mehr als 3000 Euro pro Quadratmeter bezahlt.

Interessant: Die unrentablen Autobahnen waren überwiegend auf Kredit und mit Hilfe europäischer Strukturfonds gebaut worden – also mit europäischen Steuergeldern, die Brüssel bereitwillig weitergegeben hatte. Die Angelegenheit wird noch unerfreulicher, wenn man in der FAZ von vor drei Jahren nachliest, warum die Kosten für die von Brüssel finanzierten Maut-Autobahnen explodierten: Weil beim Bau der Autobahnen für Enteignungen von Ackerflächen Entschädigungen von mehr als 3000 Euro pro Quadratmeter bezahlt wurden – soviel wie für einen Quadratmeter umbauten Raum einer Eigentumswohnung in München. Brüssel hat in der Tat Grund, bei Maut-Autobahnen einmal in die Bücher zu schauen – aber nicht in Deutschland.

wog/HM/avd