Kein Bild, an das man sich in Deutschland gewöhnen will: Lehrerin mit Kopftuch in Afghanistan. (Bild: Imago/photothek/Thomas Trutschel)
Berlin

Kein Kopftuch für Lehrerinnen

Kommentar Der grüne Justizsenator Behrendt will es muslimischen Lehrerinnen in Berlin erlauben, im Unterricht ein Kopftuch zu tragen. Dagegen regt sich breiter Protest, nicht nur in der Hauptstadt. Eine Analyse der Gründe, warum diese Idee verfehlt ist.

Bisher ist es Lehrern, Polizisten und Richtern laut Berliner Neutralitätsgesetz verboten, im Dienst ein religiöses Symbol wie Kopftuch, Kippa oder Kreuz zu tragen. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) will – wie seit einiger Zeit auch Teile von Linken, Grünen und SPD – das Kopftuch bei Lehrerinnen an öffentlichen Schulen erlauben. „Männer muslimischen Glaubens stellen wir ein, denn sie tragen kein Kopftuch – und Frauen weisen wir ab, obwohl wir händeringend Lehrkräfte suchen?“, so der Senator kurz vor Jahreswechsel in der Berliner Zeitung. Und weiter: „Ich bin der Meinung, dass wir es in der multireligiösen Stadt Berlin aushalten sollten, wenn an den Schulen junge Frauen mit Kopftuch unterrichten.“ Eine Missionierung dürfe ja nicht stattfinden.

Was spricht dagegen?

Eine Liste der Gründe, warum diese Idee falsch ist.

  1. Ein breites Bündnis hatte sich Ende 2017 gegen das Aufweichen des Gesetzes formiert, darunter die Frauenrechtlerinnen Alice Schwarzer, Necla Kelek und Seyran Ates. So heißt es in der Resolution des Bündnisses: „In zunehmendem Maße werden muslimische Schülerinnen von Mitschülern, aber auch aus Moscheen heraus, unter Druck gesetzt, das Kopftuch zu tragen.“ Ein Kopftuch bei Lehrkräften würde diesen Druck erhöhen.
  2. Wer will wie überprüfen, ob Kopftuch-Lehrerinnen nicht doch missionieren? Es sitzt ja kein Kontrolleur im Klassenzimmer. Lehrer können über die Noten die Zukunft der Kinder steuern, was einer Kontrolle ebenso kaum zugänglich ist. Gerade kleine Kinder etwa an Grundschulen sind zudem leicht beeinflussbar, schon durch die Vorbildperson Lehrer an sich – hier muss man auch dem umstrittenen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 2015 (immerhin mit abweichender Meinung zweier Verfassungsrichter) widersprechen, das eine „konkrete Gefahr für Neutralität und Schulfrieden“ forderte.
  3. Das Kopftuch steht für eine Religion mit Handlungsvorschriften, die mit westlichen Grundrechten unvereinbar sind. Hier sei nur beispielhaft die Scharia mit ihren Körperstrafen und ihren Benachteiligungen für Frauen genannt. Dem Verfassungsgericht war diese Schlussfolgerung „ohne Hinzutreten weiterer Umstände“ zu „pauschal“. Man könnte sich aber auch darüber unterhalten, inwieweit die Schöpfungslehre des Koran mit der westlichen Evolutionstheorie vereinbar ist. Und jeder muss sich fragen, ob solche Ansichten durch Kopftuch tragende Lehrerinnen sichtbar als akzeptiert eingeführt werden sollten? „Ich möchte nicht, dass unsere Kinder vorgelebt bekommen, dass man sich als Frau den Kopf bedecken muss, wenn man einem Mann gegenübertritt“, so heißt es jedenfalls aus der Berliner CDU. Ein Leser in der Welt schreibt: „Das wäre für mich ein Grund, das Kind von der Schule zu nehmen. ich möchte nicht, dass mein Kind sieht, dass Kleidergefängnisse für Frauen geduldet werden und die Bedeckung des Haares zum Beweis eines züchtigen Lebens ’normal‘ sind.“
  4. Ein Kreuz steht für Nächstenliebe und Vergebung, aber dieses Symbol wollen die Grünen aus Schulen verbannen. Eine Lehrerin in Berlin musste auf Betreiben der Schulleitung im April 2017 eine Kette mit einem Kreuz ablegen. Ein Kopftuch aber soll erlaubt werden?
  5. Die zwei abweichenden Verfassungsrichter urteilten 2015 wie auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2001: Das Erziehungsrecht der Eltern und die negative Religionsfreiheit des Kindes (also frei von Religion zu sein) sowie der staatliche Bildungsauftrag müssen höher bewertet werden, als das Recht auf freie Berufswahl der Lehrerin.
  6. Was ist mit allen anderen Religionen und Sekten, etwa Scientology? Oder was ist mit einem Lehrer, der sichtbare Tätowierungen von verfassungsfeindlichen politischen Organisationen hat, auch wenn das nicht der Religionsfreiheit unterliegt?
  7. Lehrkräfte, die ihre Kleidung aus religiösen Gründen nicht ablegen möchten, können in Berlin auf Berufliche Schulen ausweichen.
  8. Der grüne Senator hat auf die Rechtslage verwiesen, nach der derzeit in Berlin Kopftuch-Lehrerinnen eine finanzielle Entschädigung einklagen können, weil sie nicht eingestellt werden. Dieser juristische Streit ist aber noch nicht letztinstanzlich entschieden. Das vom Senator ebenfalls zitierte Bundesverfassungsgericht hat „pauschale Kopftuch-Verbote“ auch nur dann als rechtswidrig eingestuft, wenn nicht alle äußeren religiösen Bekundungen unterschiedslos für alle Glaubens- und Weltanschauungsrichtungen verboten werden.

Selbst für Polizistinnen und Richterinnen schloss Behrendt das Kopftuch nur im Moment aus, „weil es in diesen Bereichen um die Ausübung unmittelbarer staatlicher Gewalt geht“. Man stelle sich aber den in Berlin nicht unwahrscheinlichen Fall vor: Ein jüdisches Kind wird von moslemischen Mitschülern verprügelt. Die Kopftuch tragende Lehrerin will oder kann nicht helfen, weil sie bei moslemischen Jungs keinen Respekt genießt. Die Eltern gehen zur Polizei, wo eine Kopftuch tragende Polizistin die Anzeige aufnimmt. Der Fall geht vor Gericht, wo eine Kopftuch tragende Richterin entscheidet.

Das Fazit

Es ist erstaunlich, wie sich die angeblich feministischen Grünen dafür einsetzen, dass dieses Symbol der Unterdrückung und der Nachrangigkeit von Frauen mehr Platz in unserer Gesellschaft bekommt. Man mag zur freudigen Einfalt der Grünen über angebliche Vielfalt stehen, wie man will, doch eines muss gelten: Lehrer, Polizisten und Richter repräsentieren den Staat. Sie sind verpflichtet zur absoluten Neutralität, auch in ihrem äußerlichen Erscheinungsbild. Das Kopftuch einer muslimischen Lehrerin ist zwar laut Verfassungsgericht „keine Identifizierung des Staates mit einem bestimmten Glauben“, sondern nur der Trägerin selbst. Es ist aber auch nicht neutral, sondern, so die Berliner CDU, ein religiöses und politisches Statement. Ob ihre Trägerinnen sich dem Grundgesetz verpflichtet fühlen, darf und muss bezweifelt werden.