Noch ist nicht klar, was die Bürger sich mit einem Jamaika-Bündnis einhandeln. Es ist sogar noch fraglich, ob es zu einer solchen Koalition kommt. (Foto: Imago/Ralph Peters)
Jamaika

Wie geht es weiter?

Wie geht es weiter? Da die Verhandlungen zu einer Jamaika-Koalition gescheitert sind, bleiben nun sechs Szenarien übrig: Große Koalition, Kenia-Koalition, Minderheits- oder Allparteienregierung, Rückkehr der FDP oder Neuwahlen. Ein Erklärungsversuch.

Nach dem Scheitern der Jamaika-Koalition sind sechs Szenarien denkbar: Große Koalition, Kenia-Koalition, Minderheitsregierung, Allparteienregierung, die Rückkehr der FDP oder Neuwahlen. Eine Koalition mit der AfD haben alle Parteien ausgeschlossen.

Was spricht für und was gegen die plausiblen Varianten?

  • Eine Große Koalition wäre zwar möglich, wird aber von der SPD kategorisch abgelehnt – am Montag sogar in einem einstimmigen Parteivorstandsbeschluss. Die „GroKo“ ist damit nahezu ausgeschlossen. Es sei denn, der Parteivorsitz würde von Martin Schulz auf jemand wechseln, der sich eine Große Koalition vorstellen kann.
  • Eine Kenia-Koalition aus CDU/CSU, Grünen und SPD dürfte schon aus dem gleichen Grund scheitern. Hier wäre eine Einigung obendrein noch schwerer als mit der FDP.
  • Es könnte auch eine Minderheitsregierung geben. Die Regierung braucht dann aber bei jeder Abstimmung einige Dutzend Stimmen aus einer oder mehreren anderen Fraktionen. Dies kann etwa bei der Haushaltsaufstellung zu großen Problemen führen, aber auch generell einen stabilen politischen Kurs gefährden. Der Vorteil wären intensive Debatten über strittige Themen. „Eine Minderheitsregierung mit den Grünen wird es sicherlich nicht geben“, sagte jedoch CSU-Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer am Montag im Deutschlandfunk.
  • Möglich wäre auch eine Allparteienregierung nach Schweizer Vorbild, mit Ministern aus jeder Fraktion außer der AfD und der Linken. Ob das aber zu gemeinsamen Positionen führt, ist zweifelhaft.
  • Die FDP kehrt an den Verhandlungstisch zurück. Da sie jedoch das Scheitern wegen „unüberbrückbarer Differenzen“ erklärt hat, spricht nichts für diese Variante.
  • Neuwahlen sind erst nach einer Kanzlerwahl möglich. Wird ein neuer Regierungschef nur mit relativer Mehrheit gewählt, kann der Bundespräsident den Bundestag auflösen. Innerhalb von 60 Tagen muss es dann Neuwahlen geben. Verschiedene Politiker aus CSU und Grünen halten Neuwahlen für wahrscheinlich.

Was folgt, wenn man Neuwahlen abhält?

Abgesehen von den Schwierigkeiten, Neuwahlen abzuhalten: Ob sich an dem Wahlergebnis nach so kurzer Zeit überhaupt etwas verändern würde, weiß wohl niemand. Einerseits könnten noch mehr Wähler von den Stammparteien abrücken, andererseits könnten auch viele Wähler der Ansicht sein, der Denkzettel sei ausreichend gewesen. Schließlich hatten rund 60 Prozent der AfD-Wähler gesagt, sie wählten die Partei nicht aus Überzeugung, sondern aus Protest gegen die etablierten Parteien. Zudem haben die Wähler gesehen, dass sie mit der Wahl der AfD nur die Grünen gestärkt und sonst nichts erreicht haben.

Die Union hat alles Menschenmögliche getan, um eine stabile Regierung zu bilden. Das Zusammenstehen von CDU und CSU bleibt auch weiterhin wichtig.

Horst Seehofer

Aus Neuwahlen würde die CSU nach Meinung von CSU-Landtagsfraktionschef Kreuzer eher gestärkt herausgehen. Den Unionsparteien zugute kommen könnte ihre wieder gewonnene Einigkeit, insbesondere in der Frage einer Obergrenze. Oder aber es wird, wie der CSU-Landtagsabgeordnete Erwin Huber meinte, „schwierig für die Unionsparteien, weil ihr Regierungsanspruch zunächst gescheitert ist“. Neuwahlen wären jedenfalls für alle Parteien teuer, da alle Direktkandidaten neu aufgestellt und die Wahlkämpfe nochmal finanziert werden müssten.

Was bedeutet das Jamaika-Aus für die Landtagswahl und die CSU?

Die Hoffnung von CSU-Chef Horst Seehofer war, dass Jamaika dabei helfen könnte, die Polarisierung der Gesellschaft zu überwinden und radikale Kräfte zurückzudrängen. Zudem hatte er in den Sondierungen alle wesentliche Positionen der CSU durchsetzen können, darunter Obergrenze, Mütterente, Landärzteprogramm, Steuerentlastung, ein umfassendes Familienpaket, ein gesicherter Automobilstandort und Hilfen für die Bauern. Eingriffe in die Bildungshoheit der Länder wurden verhindert. Allerdings gab es bei vielen CSU-Mitgliedern auch große Bedenken gegen eine Koalition mit den Grünen, mit deren Positionen man in der Vergangenheit so oft und so deutlich auseinander lag. Ein Jamaika-Bündnis sah man eher als demokratische Pflicht und nicht als Liebesheirat.

Wir wollen dafür sorgen, dass unser Programm zum Tragen kommt. Das haben wir in den Sondierungsgesprächen bewiesen und werden es auch weiterhin tun.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer

Nun steht im Herbst 2018 die für die CSU wichtigere Landtagswahl an, vermutlich nur wenige Monate nach der Bundestagswahlwiederholung. Ob die Bundestagswahl dann Rückenwind oder Gegenwind bedeutet, lässt sich schwer vorhersagen. Bisher haben die Wähler jedenfalls immer die Politik in Berlin und München trennen können. Den Bürgern ist immer klar gewesen, dass es Bayern fast überall besser geht, sei es bei der Wirtschaft, den Finanzen (auch den Kommunalfinanzen), der Bildung, dem Arbeitsmarkt, der Inneren Sicherheit und vielem anderen mehr.

Zwei Unsicherheitsfaktoren gibt es allerdings für die Landtagswahl:

  • Die Flüchtlingsfrage ist immer noch das alles dominierende Thema, wie sich auf Nachfrage des BAYERNKURIERS bei CSU-Funktionären ergibt. Dabei spielt weniger der geringere Zuzug eine Rolle, als vielmehr die Frage, warum plötzlich so viel Geld für Integration und Flüchtlinge da war und ist, aber nicht für die Einheimischen (sei es für Straßen, Kliniken und deren Geburtshilfeabteilungen, Alleinerziehende, Renten u.a.).
  • Die Personalfrage: Niemand kann mit Sicherheit sagen, ob und wie sich durch eine mögliche CSU-Personalrochade das Ergebnis verändern wird.

Sicher scheint nur, dass „die nächsten Wochen sehr, sehr schwierig werden – und vielleicht sogar keine Werbeveranstaltung für Parteipolitik“, wie CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte.