Umweltministerin Ulrike Scharf im Gespräch mit Chefredakteur Marc Sauber. Foto: Eleana Hegerich
Klimaschutz

„Umweltschutz ist konservativ“

Interview Ab Montag findet in Bonn die Weltklimakonferenz statt. Bayern wird durch Umweltministerin Ulrike Scharf vertreten. Im Vorfeld sprach die CSU-Politikerin mit BAYERNKURIER-Chef Marc Sauber - auch über die Jamaika-Sondierungsgespräche in Berlin.

In Berlin geht die Reise möglicherweise in Richtung Jamaika – mit den Grünen an Bord. Wie bewertet das die bayerische Umweltministerin?

Ich bin gespannt, welche Ergebnisse am Ende erzielt werden können. Im Bereich Umweltschutz brauchen wir die Grünen aber eigentlich nicht. Denn bevor es die Partei überhaupt gegeben hat, hatte die CSU in Bayern schon das erste Umweltministerium in ganz Europa gegründet. Das war 1970. Die Bewahrung der Schöpfung, der Schutz unserer Lebensgrundlagen ist zutiefst konservativ.

Was sind aktuell die größten Herausforderungen im Bereich Umwelt- und Naturschutz?

Der Klimawandel ist bestimmt eines der bedeutendsten Themen. Er ist zwar eine globale Erscheinung, die Auswirkungen sind aber sehr stark regional. Wir haben Ende 2015 den Klimareport Bayern erstellt, in dem wir für Bayern festgestellt haben, wie sich der Klimawandel auswirkt. Das Ergebnis ist eindeutig: Der Klimawandel ist Fakt. Wir müssen uns zunehmend auf Extremereignisse einstellen – wie beispielsweise der Starkregen letztes Jahr in Simbach. Die Alpen sind von der Erderwärmung besonders betroffen. Die Temperatur ist dort etwa doppelt so stark angestiegen wie im globalen Durchschnitt. Die Alpenwelt ist ganz besonders sensibel. Wenn in den Bergen der Permafrost schmilzt – und wir sind auf dem Weg dorthin – dann schmilzt damit der Kitt, der die Berge zusammenhält. Zudem verlagern sich die Höhenstufen nach oben und damit verschiebt sich auch die Vegetation nach oben. Der Klimawandel hat aber natürlich auch konkrete Auswirkungen auf die Wirtschaft und auf den Tourismus. Denn die Schneesicherheit wird ebenfalls abnehmen.

Die Alpen sind von der Erderwärmung besonders betroffen. Die Temperatur ist dort etwa doppelt so stark angestiegen wie im globalen Durchschnitt.

Ulrike Scharf

Und in den anderen Regionen Bayerns – wie macht sich der Klimawandel dort bemerkbar?

In Nordbayern, insbesondere in Unterfranken, sind wir mit dem Thema Trockenheit konfrontiert. Dort haben wir traditionell ein Drittel weniger Niederschlag als in Südbayern. Denken sie nur an den Sommer 2015. Der war extrem, wir haben Temperaturrekorde erreicht, in Kitzingen wurden über 40 Grad gemessen. Die Trockenheit führte dazu, dass wir sogar mit der Wasserversorgung Probleme bekamen. Hier greift dann das Wasserüberleitungssystem vom Süden Bayerns in den Norden. Dieses Überleitungssystem ist die wasserwirtschaftliche Lebensversicherung für Nordbayern. Im Sommer 2015 wurden so rund 200 Millionen Kubikmeter Wasser über den Main-Donau-Kanal und die Fränkischen Seen in die Flusssysteme nach Franken transportiert, um die Gewässerökologie zu stabilisieren und natürliche Grundwasserverhältnisse zu gewährleisten. Und um auch Nutzungskonflikte zwischen Landwirtschaft und Trinkwasserversorgung zu verhindern. Gerade in Unterfranken müssen wir aufpassen, in Zukunft keinen dauerhaften Konkurrenzkampf um das Wasser zu bekommen. Die Aspekte der Ökologie und der Ökonomie müssen hier gleichermaßen berücksichtigt werden.

Der Klimawandel ist ein globales Problem. Inwieweit kann man da als bayerische Umweltministerin überhaupt etwas bewegen?

Klimaschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Zum einen können wir Vorbild sein, wie man mit dem Klimawandel umgeht und wie man ihn mit konkreten Maßnahmen bremst. Zum anderen müssen wir uns an die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels anpassen, zum Beispiel mit einem effektiven Hochwasserschutz. Wir haben hier ein breit gefächertes Portfolio von natürlichem Hochwasserschutz über Deichrückverlegungen bis hin zu unserem Flutpolderprogramm. Und als Drittes setzen wir auf die Klimaforschung. Ein Leuchtturm ist hier mit Sicherheit unser Schneefernerhaus auf der Zugspitze. Dort wird Klimaforschung im wahrsten Sinne des Wortes auf höchstem Niveau betrieben. Im virtuellen Alpenobservatorium sind wir international vernetzt – von der Schweiz über Italien bis nach Norwegen. Dort tauschen wir Messdaten aus, um den Klimawandel noch präziser in den Blick zu nehmen. Nebenbei engagiere ich mich auch persönlich stark international. Als Vorsitzende der Umweltministerkonferenz war ich beispielsweise beim entscheidenden Weltklimagipfel 2015 in Paris. Ich habe dort viele Gespräche geführt mit Kollegen aus aller Welt, gleiches werde ich dieser Tage bei der Weltklimakonferenz in Bonn tun. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir zum einen regional handeln, dass wir aber auch auf der internationalen Bühne aktiv sind. Wir können hier nicht nur Vorbild sein, sondern vor allen Dingen auch unser Wissen einbringen.

Deutschland ist aktuell ja leider kein gutes Vorbild, wir werden die für das Jahr 2020 gesteckten Klimaziele wohl nicht erreichen. Was muss sich ändern?

Die Frage der Laufzeit von Kohlekraftwerken ist hier mit Sicherheit ein wichtiger Punkt. Hier brauchen wir einen guten Kompromiss zwischen den Wirtschaftsbereichen, die noch von der Kohlekraft abhängen, und den Belangen des Klimaschutzes. Man sollte den Mut aufbringen, in den Ausstieg einzusteigen und die alten Kohlekraftwerke in angemessener Zeit stillzulegen. Die uralten Meiler schaden dem Klima. Gleichzeitig brauchen wir Programme, die die Stromversorgung umweltverträglich garantieren.

Man sollte den Mut aufbringen, in den Ausstieg einzusteigen und die alten Kohlekraftwerke in angemessener Zeit stillzulegen.

Ulrike Scharf

Inwieweit hat sich das Bewusstsein für die Notwendigkeit des Umweltschutzes in den vergangenen Jahren oder Jahrzehnten verändert, inwieweit ist es in der Breite der Gesellschaft angekommen?

Bis in die 70er-Jahre war das Thema Umweltschutz noch nicht so in den Köpfen der Menschen präsent. Das hat sich total gedreht. Heute sind wir wirtschaftlich so gut aufgestellt, dass die Menschen auch offener für die Themen sind, die neben dem Arbeitsplatz eine Rolle spielen. Wir stellen über verschiedene Umfragen fest, dass immer mehr Leute sagen, die Lebensqualität ist mir ausgesprochen wichtig – und dazu gehört zwingend auch die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen, der Schutz unserer Natur. Wenn man sich erinnert, wie die Fassade des Justizpalasts am Münchner Stachus vor 30 Jahren ausgesehen hat: die war komplett schwarz, weil die Luft so schlecht war. Das wäre heute völlig undenkbar. Wir müssen nur immer wieder schauen, dass an bestimmten Stellen nicht überzogen oder überreguliert wird. Natur- und Umweltschutz brauchen die breite Akzeptanz in der Bevölkerung.

Ich bin natürlich für den Erhalt von Ackerland und Grünflächen und gegen unnötige Flächenversiegelung. Aber ich bin auch gegen die Symbolpolitik, die die Grünen hier veranstalten.

Ulrike Scharf

Jeden Tag verschwindet die Fläche von knapp 20 Fußballfeldern in Bayern unter Beton. Dieser immense Flächenverbrauch kann Sie nicht glücklich machen…

Nein, das stimmt mich überhaupt nicht glücklich. Boden ist eine lebensnotwendige Ressource, die sich nicht vermehren lässt. Wir müssen aber auch feststellen, dass wir in einem Land leben, das von einem unglaublichen Zuzug geprägt ist. Seit den 90er-Jahren hat die Bevölkerung in Bayern um bald zwei Millionen Menschen zugenommen. Jeder, der hier lebt, hat Anspruch auf Wohnraum und auf Infrastruktur. So einfach lässt sich die Umnutzung von Flächen nicht abstellen. Ich bin natürlich für den Erhalt von Ackerland und Grünflächen und gegen unnötige Flächenversiegelung. Aber ich bin auch gegen die Symbolpolitik, die die Grünen hier veranstalten. Pauschal zu sagen, wir begrenzen den Flächenverbrauch auf eine bestimmte Größe – so leicht geht das nicht. Das würde auch viel zu stark in die kommunale Planungshoheit eingreifen, die Gemeinden möchten ja auch Unternehmen und Arbeitsplätze bei sich ansiedeln. Wir brauchen Lösungen im Konsens mit den Kommunen. Wir stellen den Kommunen für das Flächensparen wichtige Instrumente bereit. Beispielsweise eine Flächenmanagement-Datenbank und einen Folgekostenrechner. Wir setzen auf interkommunale Zusammenarbeit und Flächen-Recycling. Industrie- oder Gewerbebrachen und militärische Liegenschaften sollen so zurückgebaut werden, dass man diese Flächen wieder nutzen kann. Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass wir Bauherren unterstützen, die Brachflächen oder mit Altbestand bebaute Flächen nutzen wollen. Es ist doch viel sinnvoller, wenn wir die bebauten Flächen im Ortskern nutzen und nicht am Ortsrand wertvolles Acker- oder Grünland opfern. Bauherren, die ein altes Bestandsgebäude sanieren und nicht neu auf die grüne Wiese bauen, sollten wir unter die Arme greifen. Außerdem müssen wir die Zusammenarbeit der Kommunen noch weiter verbessern, so dass sie etwa vermehrt gemeinschaftliche Gewerbegebiete einrichten. Das spart Platz und Kosten.

Auszug

Dies ist ein Auszug des Interviews mit Ulrike Scharf. Das komplette Gespräch mit der bayerischen Umweltministerin lesen Sie im neuen BAYERNKURIER-Magazin. Alle Informationen finden Sie hier.