Noch ist nicht klar, was die Bürger sich mit einem Jamaika-Bündnis einhandeln. Es ist sogar noch fraglich, ob es zu einer solchen Koalition kommt. (Foto: Imago/Ralph Peters)
Jamaika

Es knarzt und knirscht

Bei der Sondierung zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen stockt es: Bei den Themen Klima und Energie sowie Zuwanderung und Asyl treten die Unterschiede zwischen den Parteien klar zutage. Sind die Grünen überhaupt reif für eine bürgerliche Regierung?

Es geht ans Eingemachte bei den Sondierungsgesprächen für ein Jamaika-Bündnis zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen. In der Frage Umwelt, Klima und Energieversorgung hakt es vor allem zwischen FDP und Grünen, während sich bei Asyl, Flüchtlingen und Zuwanderung die Ziele von Union und Grünen diametral gegenüberstehen. Am Donnerstagabend trennten sich die Gesprächsdelegationen ohne Ergebnis, nun sollen es die Parteichefs regeln und in kleiner Runde mögliche Kompromisslinien vermessen. Ab nächster Woche wird nahezu täglich weiterverhandelt, ein Zwischenergebnis soll Mitte November vorliegen.

Die Reise nach Jamaika, das klappt nicht als Egotrip, sondern es ist eine Gruppenreise.

Jens Spahn (CDU)

Ärger hatte es bereits gegeben, als die Grünen-Verhandler Trittin und Özdemir die zuvor erreichte vorläufige Jamaika-Einigung in Steuer- und Finanzfragen postwendend wieder in Frage stellten. Die FDP sprach aus, was viele Beobachter dachten: „Mir scheint, die Grünen sind nicht verhandlungsfähig“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann. „Wenn sie künftig an jedem Morgen danach die Kompromisse des Vorabends aufkündigen, könnten wir uns die künftigen Sondierungsrunden schenken“, so Buschmann. Der konservative Finanzstaatssekretär Jens Spahn (CDU) warnte im ZDF: „Die Reise nach Jamaika, das klappt nicht als Egotrip, sondern es ist eine Gruppenreise.“ Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt äußerte sich kritisch über die Grünen, die eine Debatte über konkrete Maßnahmen verweigert hätten. Dobrindt warnte, dass es sehr schwierig mit einer Regierungsbildung werde, wenn die Grünen keine Begrenzung der Zuwanderung akzeptierten.

Grüne müssen ihren linken Flügel überzeugen

Korrespondenten meinten, dass die vielköpfige Grünen-Delegation offenbar gezwungen sei, die Ergebnisse jeweils rasch von der linken Basis absegnen zu lassen – eine Erklärung für solche Stop-and-Go-Manöver. Die entscheidende Frage für Jamaika dürfte daher sein, ob die Grünen zu Gunsten der Verantwortung für Deutschland ihren linken Flügel überzeugen und sich als pragmatischer Teil einer bürgerlich-liberal-konservativen Regierung einbringen können. FDP-Generalsekretärin Nicola Beer schätzte im SWR diese Chance auf 50 Prozent ein. Noch ist niemand bereit, „Jamaika“ für gescheitert zu erklären.

Beim Themenbereich Energie, der zusammen mit Klima und Umwelt verhandelt wird, stößt der zentrale Punkt der Grünen-Ideologie, der „Klimaschutz“ mit Kohle-Ausstieg und Verbot von Verbrennungsmotoren, auf das Ziel der Energie-Versorgungssicherheit und -Bezahlbarkeit für Bürger und Wirtschaft, das vor allem der FDP, aber auch der Union am Herzen liegt. Die Grünen fordern, die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke schnell abzuschalten, um das deutsche Ziel zu schaffen, bis 2020 den Treibhausgas-Ausstoß um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren, sowie einen zügigen Kohleausstieg und 100 Prozent Ökostrom bis 2030.

Wir sind jetzt noch relativ weit weg von klaren Zusagen, von klaren Vereinbarungen.

CSU-Parteivize Manfred Weber

Union und FDP halten dies für schädlich im Hinblick auf Arbeitsplätze, Grundlastfähigkeit der Kraftwerke und Energie-Bezahlbarkeit. Weitere Knackpunkte sind das Erneuerbare-Energien-Gesetz und die Zukunft der Verbrennungsmotoren. „Es war am Ende des Tages aber nicht mehr klar, ob man sich die Ziele nach dem Motto ,schaun mer mal‘ vornimmt oder ob sie verbindlich gelten“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt dem Spiegel.

Zuwanderung: Fundamentale Unterschiede zwischen Union und Grünen

Ebenso drastisch fällt die Konfrontation zwischen Union und Grünen bei der Zuwanderungspolitik aus. CSU-Vize Manfred Weber bilanzierte im Bayerischen Rundfunk: „Es war ein Gedankenaustausch. Wir sind jetzt noch relativ weit weg von klaren Zusagen, von klaren Vereinbarungen.“ Weber betonte, dass die CSU auf der Zuwanderungs-Obergrenze bestehen werde: „Wir wissen, dass die Zuwanderungsfrage eine der zentralen Themen im Wahlkampf war, und die CSU wird darauf pochen, dass wir den Menschen die Zusage auch einlösen, dass es zu einer Begrenzung der Zuwanderung kommt und dass trotzdem Deutschland ein offenes Land bleibt.“ Die Obergrenze könne durchaus ein Signal in Richtung Europa sein, so Weber: „Alle vier Koalitionsparteien haben sich ja dazu bekannt, dass sie auch bei der Migration eine europäische Lösung bevorzugen. Wir wollen ja dauerhafte Grenzkontrollen in Europa wieder abschaffen.“ Dazu müssen aber die Außengrenzen gesichert sein.

Während CDU und CSU in den Gesprächen erneut die Begrenzung der Flüchtlingszahlen auf 200.000 pro Jahr zur Bedingung erklärten, forderten die Grünen starr die Ausweitung des Familiennachzugs. Beide Seiten begründen dies interessanterweise mit der Sorge um die Integration: Während die Union – und etwa realitätsorientierte Grüne wie der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer – darauf verweisen, dass unter den Bedingungen einer unbegrenzten Zuwanderung wegen der Einheimischen keine Integration möglich sei, behaupten linke Grüne, dass gerade durch den massenhaften Nachzug von Familienangehörigen die Integration der Ausländer gefördert würde. Ein klarer Unterschied: Die Union sorgt sich zuerst um die Einheimischen, die Grünen zuerst um die Migranten.