Die Schüler am St.-Gotthard-Gymnasium in Niederaltaich lernen bereits seit April 2016 mit Laptop und Smartphone. (Bild: AS)
Digitale Schule

Video statt Tafelbild

In jeder Schule in Bayern sollen Schüler künftig mit digitalen Tafeln lernen. Zum ersten Mal bezuschusst das Kultusministerium den Kauf von IT-Geräten. Wie sich Laptop und Smartphone im Unterricht bewähren, zeigt das St.-Gotthard-Gymnasium.

Kurz vor halb Neun, Englisch-Unterricht: Zwei abenteuerlustige Bären schippern auf einem Boot durch den Yellowstone National Park. Die Schüler der 7a am St.-Gotthardt-Gymnasium im niederbayerischen Niederalteich blicken gebannt auf den Videotrailer und lachen über die tollpatschigen Tiere. Englischlehrerin Daniela Schmitt spielt den Film ein zweites Mal ab, diesmal ohne Ton. Sandra und Martin synchronisieren die Unterhaltung der Bären auf Englisch und ahmen die Szene nach. „Mit digitalen Medien kann man die Kinder sehr gut motivieren, aber man sollte es nicht übertreiben“, sagt Englischlehrerin Schmitt. Sie selbst müsse aufpassen, dass sie sich während der Unterrichtsvorbereitung nicht bei der Fülle an Materialien im Netz verliere.

Geldmangel beheben

Was zu Hause längst die Regel ist – Smartphone und Computer – soll sich auch in den Schulen etablieren. Die Digitalisierungsoffensive unterstützt der Masterplan Bayern Digital II der Staatsregierung. Das bedeutet: mittelfristig sollen alle Klassenzimmer digitale Tafeln besitzen, der Informatikunterricht an weiterführenden Schulen wird gestärkt und pädagogische Angebote im Internetportal ,mebis – Landesmedienzentrum Bayern‘ ausgebaut. Im Rahmen eines mehrjährigen Förderprogramms bekommen Kommunen feste Zuschüsse, wenn sie ihre Schulen mit IT-Geräten ausstatten. Die gab es bislang nicht. Für die EDV-Ausstattung an den Schulen einschließlich Wartung und Pflege der Systeme sind in der Regel Landkreise, kreisfreie Städte und Kommunen zuständig. Oft fehlt aber das Geld für ausreichende Infrastruktur. Dazu zählen neben geeigneten Schulbüchern, die das digitale Lernkonzept ergänzend begleiten, der Breitbandausbau und technische Geräte. Die Zahl der elektronischen Tafeln in Bayerns Schulen hat sich zwar vom Jahr 2013 auf aktuell rund 15.300 verdoppelt. Doch WLAN gibt es bisher nur an der Hälfte aller Schulen in Bayern. Ab Februar 2018 sieht das bayerische Kultusministerium für das Förderprogramm 40 Millionen Euro vor, für die Jahre danach 122,5 Millionen Euro.

Drahtlos zum Lehrer

Das Förderprogramm sei wichtig, sonst bestehe die Gefahr, dass die IT-Ausstattung in Bayern zu unterschiedlich gehandhabt werde, sagte der Präsident des Bayerischen Gemeindetags, Uwe Brandl, dem Münchner Merkur. Das St.-Gotthard-Gymnasium in Niederbayern ist auf diesem Weg schon sehr weit gekommen. Seit vergangenem April gibt es dort nur noch digitale statt Kreidetafeln. Dazu hat unter anderem die Hochwasserkatastrophe 2013 geführt. Ein Viertel der Klassenräume musste nach der Flut renoviert werden. Die Sanierung war Anlass dafür, über eine neue technische Grundausstattung für die 670 Schüler nachzudenken. „Die Diskussionen waren anfangs durchaus heterogen, aber das Kollegium hat sich schließlich für die Einführung von digitalen Tafeln in allen 23 Klassenzimmern entschieden“, erinnert sich Schulleiter Johann Lummer.

Zur Grundausstattung gehören außerdem Dokumentenkameras statt Overheadprojektoren und Medientheken, die das klassische Pult ersetzen. In die integrierten Elektronikeingänge stöpselt sich jeder Lehrer mit seinem eigenen Laptop ein. Fest installierte Geräte gibt es nur in den drei Physikräumen. Sie sind mit einer Software bespielt, die zusätzliche Lernprogramme zum Fach bietet. Die rund 150.000 teure Investition machte ein Zuschuss des Fördervereins möglich.

Zweifel an der Technik

Mathematik-Lehrer Andreas Hartinger war einer derjenigen, die das Projekt vorangetrieben haben. Als Mann vom Fach ist er auch Systembetreuer. „Eine der größten Befürchtungen unter den Kollegen war es, dass man vor der Klasse steht und die Technik versagt“, sagt er. An den digitalen Medien schätzt der Niederbayer vor allem die Möglichkeit, stärkere und schwächere Schüler individuell zu fördern. Und – was sich gerade in der Mathematik auszahlt – Ergebnisse zu veranschaulichen. Trotzdem seien Dinge wie der klassische Hefteintrag unverzichtbar. „Der Lerneffekt für den Schüler ist sicherlich am größten, wenn er mit Stift auf ein Papier schreibt, aber es gibt sinnvolle digitale Angebote zur Ergänzung“, sagt er.

Medienplan und Modellversuch

Dem Kultusministerium gehe es auch nicht darum, „das Klassenzimmer von der Decke bis zum Boden mit Technik vollzustopfen“, wie Bildungsstaatssekretär Georg Eisenreich betonte. Es sei auch nicht notwendig, dass jeder Schüler ein Tablet erhalte und es müssten auch nicht immer Whiteboards sein, sagte Kultusminister Ludwig Spaenle. Jede Schule soll zunächst einen Medienplan erstellen und die Kommunen auf dieser Grundlage selbst entscheiden, was sie brauchen. Mit den kommunalen Spitzenverbänden werden derzeit Richtlinien erarbeitet, damit die Digitalisierung ins Rollen kommt. Gleichzeitig haben acht Schulen in Bayern den Modellversuch „Digitale Schule 2020“ gestartet, mit allen Schultypen. Ziel des dreijährigen Projekts ist es, Handlungsempfehlungen zu entwickeln. Was sich bewährt, sollen Pädagogen nach Abschluss des Projektes bayernweit etablieren (Lesen Sie hier mehr dazu: „Wat is`n Suchmaschin?“).

Dass die Schüler ihre Smartphones im Unterricht lieber zum Chatten als zum Rechnen nutzen, kann der Niederalteicher Mathelehrer Hartinger übrigens nicht bestätigen. „Das kommt schon vor, aber nicht, wenn sie dazu angehalten sind, die Geräte zur Aufgabenlösung einzusetzen“, sagt er. Und auch im digitalen Zeitalter fliegen immer noch Papierkügelchen durchs Klassenzimmer – ganz real.

Wie funktioniert die digitale Schule?

In Niederalteich lernen die Kinder mit PC und Smartphone. Was halten die Schüler davon? Der BAYERNKURIER hat den Unterricht mit der Kamera besucht und nachgefragt.

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Wie funktioniert die Digitale Schule?