Fraglich: Die Jamaika-Koalition. (Foto: imago/Christian Ohde)
Dobrindt

Weit weg von Jamaika

Das Zustandekommen eines Jamaika-Regierungsbündnisses ist nach Ansicht des CSU-Landesgruppenchefs Alexander Dobrindt unsicher, zu groß seien die Differenzen zu den Grünen. Vor allem in Flüchtlings- und Umweltpolitik gibt es große Unterschiede.

Ein erfolgreicher Abschluss von Koalitionsverhandlungen sei absolut offen, so Dobrindt. „Im Augenblick sind wir weit weg davon“, sagte Dobrindt den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Differenzen sieht er vor allem mit den Grünen. „Eine Schnittmenge zwischen den Wahlprogrammen der Grünen und der Unionsparteien ist fast nicht vorhanden“, meinte der neue CSU-Landesgruppenchef.

Eine Schnittmenge zwischen den Wahlprogrammen der Grünen und der Unionsparteien ist fast nicht vorhanden.

Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef

Dobrindt sagte den Funke-Zeitungen, die Grünen müssten akzeptieren, dass ihre Chance darin bestehe, einer bürgerlichen Regierung von CDU, CSU und FDP beizutreten. Er fügte hinzu: „Wir werden keine linken Spinnereien dulden.“ Zur Kritik grüner Politiker am Unionskompromiss zur Zuwanderung sagte Dobrindt, wenn die Grünen jetzt die Vereinbarungen von CDU und CSU kritisierten, „lehnen sie in Wahrheit doch die Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland ab“. Der CSU-Landesgruppenchef betonte, die Beschlüsse der Union müssten wesentlicher Bestandteil eines Koalitionsvertrags sein.

Gerechtigkeitslücke schließen

In der Rheinischen Post pochte Dobrindt zudem auf eine Erhöhung der Mütterrente für Frauen, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben. „Wir wollen die Gerechtigkeitslücke bei der Rente schließen.“ Frauen hätten im Durchschnitt halb so viel Rente wie Männer und es gebe eine systematische Ungerechtigkeit zwischen älteren und jüngeren Müttern. Die Jüngeren bekämen pro Kind drei und die Älteren zwei Punkte.

Merkel optimistisch

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) rief die potenziellen Koalitionspartner zu verantwortungsvollen Verhandlungen über eine künftige Regierung auf. Erste Sondierungsgespräche über ein Jamaika-Bündnis sollen Mitte kommender Woche mit getrennten Treffen der Union mit FDP und Grünen starten. Die Kanzlerin äußerte sich etwas optimistischer als Dobrindt. „Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, ja unsere Pflicht, daraus eine Regierung zu bilden und vernünftige Politik für die Bürger und unser Land zu gestalten“, sagte die CDU-Chefin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Ich halte das für möglich.“

Auch sie erwartet aber schwierige Verhandlungen bei ökologischen Fragen wie dem von den Grünen geforderten Verbot des Düngemittels Glyphosat. Merkel mahnte, neben der ökologischen Landwirtschaft nicht die ökonomischen Aspekte zu vernachlässigen.

Familiennachzug in Obergrenze enthalten

Ein entscheidender Faktor könnte der Familiennachzug werden, der für eine bestimmte Gruppe mit eingeschränktem Schutzstatus für zwei Jahre ausgesetzt ist: bis März 2018. Die Union will diesen „subsidiär Geschützten“ auch über diesen Termin hinaus verbieten, dass enge Familienangehörige nachziehen.

CDU und CSU hatten sich am Sonntagabend auf das Ziel geeinigt, maximal 200.000 Flüchtlinge pro Jahr aufzunehmen, mit eingerechnet der Familiennachzug. „Wir wollen erreichen, dass die Gesamtzahl der Aufnahmen aus humanitären Gründen (Flüchtlinge und Asylbewerber, subsidiär Geschützte, Familiennachzug, Relocation und Resettlement, abzüglich Rückführungen und freiwillige Ausreisen künftiger Flüchtlinge) die Zahl von 200.000 Menschen im Jahr nicht übersteigt“, heißt es im Unions-Papier. Der Kompromiss sieht aber Ausnahmen nach oben und unten für Sondersituationen vor, etwa wenn die Arbeitslosigkeit in Deutschland stark steigt.

Das ist kein Papiertiger, aber auch keine Verleugnung urchristlicher Werte, sondern pragmatische Politik.

Boris Palmer, Grüner, zu Unions-Plänen

Die Grünen wollen den Familiennachzug für die „Subsidiären“ wieder erlauben. Die Grüne Claudia Roth hatte angekündigt, ihre Partei werde den Familiennachzug in den Gesprächen stark nach vorn stellen. Jürgen Trittin, Mitglied des Grünen-Sondierungsteams, hatte CDU und CSU zuletzt eine Verleugnung urchristlicher Werte vorgeworfen. Die Grünen sprechen aber wie so oft nicht mit einer Stimme: Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer mahnte in der Rhein-Neckar-Zeitung mit Blick auf die Unionspläne: „Die Ausweitung sicherer Herkunftsländer, die Einrichtung von Ausreisezentren, Aussetzung des Familiennachzuges – das ist kein Papiertiger, aber auch keine Verleugnung urchristlicher Werte, sondern pragmatische Politik. Über deren Inhalte und Ziele muss man streiten.“

70.000 Syrer und Iraker wollen nachziehen

Regelmäßig kursieren Schätzungen, wonach möglicherweise jährlich viele Hunderttausend oder gar Millionen Menschen über den Familiennachzug zusätzlich ins Land kommen könnten. Dazu gibt es aktuelle Zahlen aus dem Außenamt: Rund 70.000 Syrer und Iraker bemühen sich danach derzeit um einen Familiennachzug nach Deutschland. Von Anfang 2015 bis Mitte 2017 hatte das Außenamt bereits rund 102.000 Visa zum Familiennachzug für Syrer und Iraker erteilt. Das Ministerium schätzt, dass bis einschließlich 2018 etwa 100.000 bis 200.000 weitere solcher Visa hinzukommen könnten, insgesamt also bei Syrern und Irakern um 200.000 bis 300.000 Angehörige. Welchen Familiennachzug es aus anderen Ländern geben könnte, darüber ist nichts bekannt.

Kommt ein Zuwanderungsgesetz?

Vergleichsweise unproblematisch dürfte dagegen die Einigung auf ein Zuwanderungsgesetz werden. Auch die CSU will die Zuwanderung von Fachkräften besser steuern.

CSU-Chef Horst Seehofer will seine Partei mit einem elfköpfigen Team in die Sondierungsgespräche für ein mögliches Jamaika-Bündnis schicken. Neben Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Generalsekretär Andreas Scheuer, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer sollen seine fünf Stellvertreter dem Team angehören, dazu noch Entwicklungsminister Gerd Müller. Der parlamentarische Geschäftsführer der Landesgruppe, Stefan Müller, soll alles organisieren.