In die Enge getrieben: Thüringens linker Ministerpräsident Bodo Ramelow muss eine instabile Regierung zusammenhalten. (Foto: Common Lens/imago)
Thüringen

Rot-Rot-Grün in der Krise

Die rot-rot-grüne Regierung in Thüringen steckt wegen einer geplanten Gebietsreform in der Krise. Die verunsicherten Bürger wenden sich zunehmend von der Regierung ab. Der BAYERNKURIER beantwortet die wichtigsten Fragen.

Worum geht es überhaupt?

Grund für den heftigen Streit ist eine geplante Gebietsreform. Thüringen verliert Einwohner, der demografische Wandel trifft das Bundesland hart. Seit Jahren wird in Thüringen die Reform diskutiert, die die Gemeinden leistungsfähig machen soll. Vorgesehen ist eine Reduzierung der 17 Landkreise um rund die Hälfte; von den 850 Gemeinden sollen am Ende nur 200 übrig bleiben. Und: Die mittlere Verwaltungsebene soll abgeschafft werden, ihre Aufgaben sollen auf Städte und Gemeinden übertragen werden. Dies ruft in betroffenen Städten großen Widerstand hervor. Die heftigsten Proteste gibt es in Sonneberg – mit Unterstützung der benachbarten oberfränkischen CSU.

Worin sind sich SPD, Linke und Grüne uneinig?

Die Grünen als kleinster Koalitionspartner waren stets skeptisch, hatten sich aber der Koalitionsdisziplin gebeugt, berichtet FOCUS-Online. Und jetzt der Knall: Ein kleiner Parteitag am Wochenende entschied, die Reform auszusetzen, die bei den Kommunalpolitikern in Thüringen ohnehin auf großen Widerstand stößt. Selbst sozialdemokratische Bürgermeister und Landräte stellen sich gegen dagegen. Letzlich haben die Grünen sich im Koalitionsausschuss durchgesetzt: Die Reform soll auf 2021 vertagt werden. Die Stimmung in der Koalition ist vergiftet, der Streit offen.

Was sagt die Thüringer CDU dazu?

Die CDU stand der Reform immer schon skeptisch gegenüber. CDU-Fraktionschef Mike Mohring sagt im Gespräch mit FOCUS-Online: „In Umfragen hat Rot-Rot-Grün in Thüringen schon lange keine Mehrheit mehr, und für die Umsetzung ihres zentralen Regierungsprojektes, der Gebietsreform, hat die Linkskoalition nach den Ankündigungen von mehreren Koalitionsabgeordneten keine eigene parlamentarische Mehrheit.“ Aktuelle Umfragen zeigen jedenfalls: Die CDU gewinnt Sympathie, während das Vertrauen in Rot-Rot-Grün sinkt.

Wie instabil ist die rot-rot-grüne Regierung?

Die Stabilität der Regierung hängt an einer Stimme. Niemand im Landtag will aktuell eine Mehrheit für die Gebietsreform garantieren. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) könnte den Rückhalt für sein Prestige-Projekt wegen eines Abweichlers verlieren. Brisant: Seine aktuelle Mehrheit verdankt das Bündnis einem ehemaligen AfD-Mann, der zur SPD übertrat: Oskar Helmerich. Die SPD hatte vorher eine Abgeordnete an die CDU verloren.

Im Gegensatz zu der Grünen-Abgeordneten Elke Twesten, die in Niedersachsen kürzlich zur CDU ging und hinter deren Übertritt die SPD dunkle Machenschaften sowie Stimmenkauf der CDU vermutete, haben die Genossen in Thüringen offenbar kein Problem mit dem Parteiwechsel des AfD-Abgeordneten zur SPD gehabt.

Wie geht es jetzt weiter?

Der erste Anlauf eines Gesetzgebungsverfahren ist bereits gescheitert. Im Juni erklärte das Landesverfassungsgericht das Vorhaben aus formalen Gründen für nichtig. Dadurch ist Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) in die Kritik geraten. Er bekommt einen Staatssekretär an die Seite, der sich mit der Gebietsreform befassen soll: Den zuletzt einzigen SPD-Landrat, der nicht gegen seine Reform war, Harald Zanker (SPD). Dessen Haushaltsführung war so „erfolgreich“, dass er 2014 einen Zwangsverwalter zur Ordnung der Finanzen an die Seite gestellt bekam, wie die CDU auf Facebook mitteilte. Den neuen Posten beschloss der rot-rot-grüne Koalitionsausschuss zu später Stunde. Was wie eine Arbeitsteilung aussehen soll, wird von der Opposition in Erfurt deutlich als Misstrauensvotum gegen den Innenminister gewertet, schreibt FOCUS-Online. Die Regierung könnte an dem Thema zerbrechen, Deutschlands erster linker Ministerpräsident wäre damit Geschichte.

Mike Mohring, CDU-Fraktionschef, spricht bei einer Pressekonferenz auch zur Gebietsreform:

Pressekonferenz zur Sommerklausur 2017

#RotRotGrün gibt auf. Die Probleme werden nicht gelöst, nur Zeit gekauft, um diese #Linkskoalition "zu retten". Unsere Pressekonferenz zu unserem Antrag heute im Landtag mehr gegen den #Linksextremismus zu tun und unsere Reaktion auf die nächtliche Koalitionssitzung, die #Gebietsreform auf 2021 zu verschieben:

Posted by Mike Mohring on Donnerstag, 17. August 2017