Eine Ausnahme in der Geschichte: Bei der Bundestagswahl 1957 gewinnt Adenauers Union die absolute Mehrheit der Mandate. Das Foto zeigt Adenauer (r.) und Wirtschaftsminister Ludwig Erhard. (Foto: ZUMA/Keystone/imago)
Regierung

So geht Koalition

Was ist eine Koalition? Wie verhandelt man einen Koalitionsvertrag? Und was bedeutet eine Koalition für die Bürger? Der BAYERNKURIER beantwortet die wichtigsten Fragen, bevor kommende Woche in Berlin die Koalitionsverhandlungen beginnen.

Koalition: Was bedeutet das eigentlich?

Das Wort leitet sich aus dem Lateinischen ab. „Coalitio“ bedeutet Zusammenschluss. Und genau darum geht es auch in der Politik. Mehrere Parteien schließen sich zeitlich befristet zusammen, um eine stabile Regierung zu bilden. Das ist dann nötig, wenn eine Partei alleine nicht die absolute Mehrheit der Abgeordneten im Parlament stellt.

Das ist in der Bundesrepublik üblich. Nur ein Mal konnte eine Partei bei Bundestagswahlen die absolute Mehrheit erringen: 1957 fuhr die CDU/CSU 50,2 Prozent der Stimmen ein. Trotzdem bildete die Union anschließend ein Bündnis mit der konservativen Deutschen Partei, deren Minister später zur CDU überliefen. Wer im Bund regieren will, muss also kompromissfähig sein – und offen für Koalitionen.

Die Partei, die damit beauftragt ist, die Regierung zu bilden, nennt man Regierungspartei. Sie stellt in der Regel später auch den Regierungschef – aktuell ist das Angela Merkel mit ihrer CDU. Die Koalitionspartner nennt man Koalitionsparteien, die anderen Oppositionsparteien.

Wie kommt eine Koalition zustande?

Oft treffen Parteien schon während des Wahlkampfes Aussagen zu möglichen Koalitionen. Nach der Wahl beginnen dann formlos Sondierungsgespräche. Nach diesen Gesprächen sieht aktuell so aus, als bekämen wir eine Jamaika-Koalition. Nun folgen formale Koalitionsverhandlungen. Sie beginnen kommende Woche in Berlin.

Die Einladung zu Gesprächen verschickt die Partei mit den größten Chancen auf Koalitionspartner – das muss nicht zwingend die Partei mit den meisten Stimmen sein, in der Regel ist sie es aber. Deswegen hat die Union die Einladung verschickt. CDU und CSU verhandeln mit FDP und den Grünen.

Wie laufen Koalitionsgespräche ab?

Die Parteien senden ihre Spitzenpolitiker zu solchen Gesprächen. Also Vorsitzende, Mitglieder des Vorstandes, Generalsekretäre, Minister oder auch Ministerpräsidenten.

CSU-Chef Horst Seehofer will seine Partei mit einem elfköpfigen Team in die Sondierungsgespräche für ein mögliches Jamaika-Bündnis schicken. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, Generalsekretär Andreas Scheuer, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer werden verstärkt von Seehofers fünf Stellvertretern. Außerdem soll Entwicklungsminister Gerd Müller mitverhandeln.

Alle Beteiligten müssen Kompromisse eingehen, das liegt der in der Natur der Koalition. Koalitionsverhandlungen sind schwierig, vor allem, wenn die Parteien sich inhaltlich nicht unbedingt nahe stehen. Sind kleine Parteien zur Regierungsbildung unbedingt notwendig, besteht die Gefahr, dass sie Dinge durchsetzen, die nur wenige Wähler wollen.

Die Parteien schließen ihre Verhandlungen ab, indem sie einen Koalitionsvertrag abschließen.

Was ist ein Koalitionsvertrag?

Der Koalitionsvertrag gibt einen Überblick über die geplanten Gesetze der Regierung, die die Koalition unterstützt. Es gibt keine gesetzlichen Grundlagen für einen Koalitionsvertrag. Der Koalitionsvertrag kann, muss aber nicht veröffentlicht werden. Allerdings ist es heute üblich, diesen Vertrag publik zu machen.

Dass Koalitionen überhaupt Verträge über ihre Zusammenarbeit abschließen, ist aber keine Selbstverständlichkeit. Das zeigt der Blick auf die Geschichte der Bundesrepublik. Die Koalitionäre der ersten Wahlperioden des Bundestages trafen oft nur lose, teils nicht veröffentlichte Absprachen. Manchmal stimmten sich die Parteien nur per Briefwechsel oder mündlich ab.

Übrigens: Rechtlich bindend sind Koalitionsverträge nach Ansicht vieler Juristen nicht. Denn: Gesetze verabschieden die Parlamentarier im Bundestag. Die sind laut Grundgesetz nur ihrem Gewissen verpflichtet. Es muss ihnen also möglich sein, in Abstimmungen gegen den Koalitionsvertrag zu verstoßen.

Trotzdem überprüfen die Parteien natürlich die Einhaltung des Koalitionsvertrages. Das ist die Aufgabe des Koalitionsausschusses. Ihm gehören Spitzenpolitiker aller Partner an. Der Koalitionsausschuss entschärft Spannungen, schlichtet Streit und koordiniert die Zusammenarbeit. Er ist also ein wichtiges Organ. Und deswegen bei Staatsrechtlern umstritten: Der Koalitionsausschuss kann als eine Art Nebenregierung wirken, ohne dem Parlament verantwortlich zu sein.

Wie lange dauert es, bis eine Regierung steht?

Das ist natürlich unterschiedlich. Im Schnitt dauert es 37 Tage vom Wahltag bis zum Ende der Koalitionsverhandlungen und knapp 43 Tage bis das neue Kabinett vereidigt ist. Bei der letzten Bundestagswahl 2013 lagen zwischen Wahl und Vereidigung allerdings 86 Tage – so viele wie nie zuvor. Der Grund: Die SPD ließ sich den Koalitionsvertrag in einer Mitgliederbefragung von ihrer Basis bestätigen. Weil die Verhandlungen für die Jamaika-Koalition schwierig werden, dürfte es dieses mal auch eher länger dauern, bis die neue Regierung steht. Bis dahin bleibt die alte Bundesregierung geschäftsmäßig im Amt.

Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung