Montagsdemonstration in Sonneberg für den Erhalt des Landkreises. (Foto: Michael Volk/Landratsamt SON)
Sonneberg

Montags gegen Rot-Rot-Grün

Neustadt bei Coburg und die oberfränkische CSU unterstützen die fränkischen Landsleute in Sonneberg im Kampf um ihren Landkreis. Dort protestieren jeden Montag Tausende gegen die Gebietsreform der rot-rot-grünen Thüringer Landesregierung.

Die Region in Thüringen südlich des Rennsteigs ist seit jeher fränkisch geprägt. Nur durch eine Laune der Geschichte wurde diese Gegend 1919 nicht Bayern, sondern Thüringen zugeschlagen. Dann kam die deutsch-deutsche Teilung – doch auch nach 40 Jahren DDR sprechen die Menschen im Raum Sonneberg ein astreines Oberfränkisch. Seit der Wiedervereinigung ist die Bevölkerung auf beiden Seiten des ehemaligen Eisernen Vorhangs wieder eng zusammengewachsen.

Unser derzeitiger Landkreis würde mit 20 Prozent in einem Monsterlandkreis aufgehen.

Heiko Voigt (CDU), Bürgermeister von Sonneberg

Mehr noch: Die 24.000-Einwohner-Kreisstadt Sonneberg (fränkisch „Sumbarch“), das nur vier Kilometer von der bayerischen Landesgrenze entfernt liegt, gehört als einzige Kommune außerhalb Bayerns zur Metropolregion Nürnberg. 2019 wollen Sonneberg und das benachbarte Neustadt bei Coburg gemeinsam den „Tag der Franken“ ausrichten, und schon bald wollen die beiden Städte ein gemeinsames Oberzentrum bilden. Außerdem gilt Sonneberg als wahre Boom-Town, die die ganze Region nach oben zieht – für alle Beteiligten wären das eigentlich gute Aussichten.

Rot-Rot-Grün gefährdet Entwicklung Sonnebergs

Doch diese positive Entwicklung droht die rot-rot-grüne Thüringer Landesregierung mit ihren Plänen für eine Kreisgebietsreform zunichte zu machen. Flächendeckend sollen in der Regel je drei bis vier Landkreise zu einem Landkreis verschmelzen – gegen den erbitterten Widerstand der Bürger. Der bisherige Kreis Sonneberg droht in einem Mega-Kreis von der Größe des Saarlandes aufzugehen.

Damit würde die Selbstverwaltung der Region zerstört, befürchtet der Sonneberger Bürgermeister Heiko Voigt (CDU). „Unser derzeitiger Landkreis würde mit 20 Prozent in einem Monsterlandkreis aufgehen, in dem die jetzt bestehenden regionalen Verflechtungen von Sonneberg und dem Coburger Land und im Rahmen der Metropolregion Nürnberg eine untergeordnete Rolle spielen“, sagte Voigt dem BAYERNKURIER. Beispiele aus anderen Ländern würden zudem zeigen, dass „mit dem Wegfall des Kreissitzes auch ein Rückgang von Arbeitsplätzen nicht nur in der Kreisverwaltung, sondern in angeschlossenen Bereichen verbunden“ ist.

Bedeutungslos im neuen Mega-Kreis?

Nach jüngsten Plänen von SPD-Innenminister Holger Poppenhäger sollen die Kreise Hildburghausen, Sonneberg und Suhl zusammengelegt werden. Die Verwaltung des neuen Mega-Kreises soll im 40 Kilometer von Sonneberg entfernten Hildburghausen sitzen. Ursprünglich wollte Rot-Rot-Grün sogar noch den Kreis Schmalkalden-Meiningen mit in den Kessel werfen. In letzter Konsequenz wäre damit auch die fränkische Identität der Region Sonneberg gefährdet, fürchten viele Politiker und Bürger.

Landrätin Christine Zitzmann (parteilos) sorgt sich, dass mit der Reform „gewachsene Strukturen zu Lasten des ländlichen Raums zerstört werden“. Die Entscheidung für Hildburghausen als Kreissitz zeuge „von der Unkenntnis der Entwicklung sowie des Potentials der Stadt Sonneberg und von der geringen Wertschätzung unserer Kreisstadt von Seiten des Innenministers“, sagte Landrätin Zitzmann dem BAYERNKURIER. Aber sie gibt nicht auf: „Es gilt nun mehr denn je, für den Verwaltungssitz zu kämpfen, Forderungen zu stellen und die Stadt Sonneberg hinsichtlich ihrer Aufgaben für die Menschen vor Ort zu stärken.“

Rot-Rot-Grün stürzt Kreisstädte in die Bedeutungslosigkeit

Auch die Landespolitiker der CDU Thüringen kämpfen gegen die rot-rot-grüne Monster-Reform. „Von 17 Kreisstädten werden acht übrig bleiben, von sechs kreisfreien Städten zwei“, erklärt der Thüringer CDU-Chef, Mike Mohring. „Doch der Status dieser Städte ist keine nette Zugabe. Das sind Kristallisationspunkte im ländlichen Raum mit Verwaltungsfunktionen, an denen sich viele andere Strukturen ausrichten. Von der Polizei, über die Krankenhäuser, bis zu den Gerichten.“ Konkret befürchtet Mohring, dass alle ehemaligen Kreisstädte massiv an Bedeutung verlieren und letztlich veröden könnten.

Wer die Rechte der parlamentarischen Opposition verkürzt, der meint es nicht gut mit der Demokratie.

Mike Mohring, Landespartei- und Fraktionschef der CDU Thüringen

Rot-Rot-Grün will auch vielen Gemeinden ihre Selbständigkeit nehmen und zu Großgemeinden vereinheitlichen, kritisiert der CDU-Landeschef. „Nach den rot-rot-grünen Vorgaben werden aus derzeit rund 840 rechtlich selbständigen Gemeinden rund 110. All die vielen kleinen Städte und Dörfer sind dann Ortsteile und können nicht einmal mehr einen Vertrag schließen. Das hat ihnen der Innenstaatssekretär ganz unverblümt gesagt, damit sie freiwillig tun, wozu die Linkskoalition sie zwingen will.“

Gegen diese „aberwitzige Reform“ habe man im Landtag Alternativen vorgelegt. „Die sind aber nicht so beraten worden, wie es Recht und Gesetz erfordern“, kritisiert Mohring. „Rot-Rot-Grün hat auch die Rechte unserer Fraktion beschnitten. Wer die Rechte der parlamentarischen Opposition verkürzt, der meint es nicht gut mit der Demokratie.“

Montagsdemonstrationen: Erst gegen Erich, jetzt gegen Bodo

Die Bürger der Region Sonneberg zeigen ihre Ablehnung mit einer Protestform, die seit dem Kampf gegen das DDR-Unrechtsregime 1989 bekannt ist: Montagsdemonstrationen. Jeden Montagabend protestieren Tausende Bürger vor dem Sonneberger Rathaus für den Erhalt des Landkreises: Erst 3000, dann 3500, am vergangenen Montag gar 4500. Auf der jüngsten Demonstration erklärte der Hildburghausener Landrat Thomas Müller (CDU), er werde sich niemals gegen die Sonneberger ausspielen lassen – und wurde dafür lautstark bejubelt. Dagegen wurden die beiden Abgeordneten von Linken und SPD gnadenlos ausgepfiffen.

Es entsteht immer mehr der Eindruck, dass die Regierung in Erfurt völlig abgehoben und vom Bürgerwillen meilenweit entfernt ist.

Jürgen W. Heike, CSU-Landtagsabgeordneter aus Neustadt bei Coburg

Die Sonneberger Montagsdemos sind die größten in ganz Thüringen, doch auch in Schleiz (Saale-Orla-Kreis) und Apolda (Weimarer Land) protestierten Tausende gegen die Pläne. „Ich hoffe, dass unser Protest erfolgreich ist, denn eine demokratische Regierung muss immer ein Problem damit haben, wenn das Volk, wenn die Bürger auf die Straße gehen, ihren Unmut zeigen und gegen das kämpfen, was die Regierung tut“, sagt Bürgermeister Voigt. Doch schon die Montagsdemos von 1989 richteten sich gegen eine linke unbelehrbare Regierung.

Protest-Unterstützung aus Oberfranken

Auch viele Oberfranken unterstützen die Sonneberger in ihrem Protest. So machte sich der Stadtrat von Neustadt bei Coburg geschlossen auf den Weg, um gegen die rot-rot-grüne Reform zu protestieren. „So etwas hat es in Geschichte der Region noch nicht gegeben, dass ein komplettes Parlament einer Nachbarstadt über die Landesgrenze hinweg ein solch starkes Signal sendet“, begrüßte Voigt die Gäste freudestrahlend.

Bereits mehrfach hat sich auch der CSU-Landtagsabgeordnete und frühere bayerische Staatssekretär Jürgen W. Heike auf den Weg nach Sonneberg gemacht, um zu protestieren. Heike beklagt die „Feigheit“ der Thüringer Koalitionäre: „Wenn sie vom Bürgermeister eingeladen werden und das Recht zur Stellungnahme vor den Demonstranten erhalten, dann erscheinen sie nicht.“ Für ihn hingegen sei der Besuch „eine Selbstverständlichkeit“ gewesen: „Wenn es die Regierenden in Erfurt nicht für notwendig halten, mit ihren Bürgern zu reden, dann setzt eben der frühere Staatssekretär im Innenministerium in Bayern ein Zeichen und kommt, um Solidarität mit den Thüringer Nachbarn zu zeigen.“

Wechsel nach Bayern wieder aktuell

Bereits 1993 habe er gemeinsam mit den Sonnebergern gegen damalige Fusionspläne protestiert, erinnert Heike. Doch im Gegensatz zu Rot-Rot-Grün heute habe sich die damalige CDU-Landesregierung von Bernhard Vogel die Kritik der Menschen zu Herzen genommen und die Pläne ad acta gelegt. Doch nun „entsteht immer mehr der Eindruck, dass die Regierung in Erfurt völlig abgehoben und vom Bürgerwillen meilenweit entfernt ist“.

Wer Politik gegen die Menschen macht, der wird am Ende des Tages die Quittung dafür erhalten.

Hans Michelbach, CSU-Bundestagsabgeordneter

Mit den Protesten wird auch wieder eine Idee aktuell, die bereits 2016 Furore machte: Eine Übersiedlung des Landkreises Sonneberg nach Oberfranken, also nach Bayern. Mehrere tausend Unterschriften wurden damals für einen Länderwechsel gesammelt. „Ramelow sollte sich doch eigentlich noch daran erinnern, dass eine Reihe von Landkreisen die Übersiedlung nach Bayern und Hessen im Auge hatten und haben“, sagt Heike. „Die Bayerische Staatsregierung hat klargemacht, dass man den Bürgerwillen schätzt und, wenn sich die Bürger dafür aussprechen, auch eine Aufnahme unter dem Dach des Freistaates Bayern nicht abgelehnt werden wird.“

Bundestag soll helfen

Der Coburger CSU-Bundestagsabgeordnete Hans Michelbach regte an, dass die Stadt Sonneberg sich an den Petitionsausschuss des Bundestages wenden solle. Zusammen mit Carola Stauche, CDU-Abgeordnete aus Thüringen, würde er dieses Anliegen gerne unterstützen, erklärte Michelbach dem BAYERNKURIER. Außerdem fordert er, die rot-rot-grüne Thüringer Regierung solle doch „die Menschen vor Ort in einer freien und geheimen Abstimmung an die Wahlurne rufen, damit diese über die Pläne der Gebietsreform selbst entscheiden können“. Für Michelbach ist klar: „Wer Politik gegen die Menschen macht, der wird am Ende des Tages die Quittung dafür erhalten.“