Im grünen Traumland: Katrin Göring-Eckardt. (Bild: Imago/Rüdiger Wölk)
Grüne

Macht hoch die Tür

Die Grünen-Spitzenkandidatin Göring-Eckardt fordert die Aussetzung des Dublin-Abkommens. Diese Idee würde aber dazu führen, dass die meisten Migranten nach Deutschland kämen. Die CSU kritisiert die Grüne für ihre Vorschläge als absolut realitätsfern.

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!“, so heißt ein altes Kirchenlied. Das hat sich offenbar die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt, von 2009 bis 2013 Präses der Synode der EKD, zu Herzen genommen.

Politisch hat sich Dublin längst überlebt.

Katrin Göring-Eckardt, Grüne

Auf nach Deutschland

In einem Interview mit dem Deutschlandfunk forderte sie jetzt ein neues europäisches System im Umgang mit Migranten. „Weil, was ja auch gilt, ist: Natürlich hat der EuGH gesagt, Dublin gilt. Aber was auch gilt, ist: Politisch hat sich Dublin längst überlebt“, so Göring-Eckardt. Laut Dublin-Abkommen ist es Pflicht, dass derjenige Staat für die Bearbeitung von Asylanträgen zuständig ist, in dem ein Flüchtling zuerst EU-Territorium betritt.

Schafft man dieses Abkommen ab, wie es die Grüne indirekt fordert, könnten alle Flüchtlinge in dem Land ihren Asylantrag stellen, in das sie wollen. Das dürften wie bisher in der Regel die wirtschaftsstarken Länder und die mit der besten Sozialversorgung sein – wie Deutschland, Österreich, Schweden und (noch) Großbritannien. Zugleich würde man durch das Dublin-Aus für alle Migranten einen enormen Anreiz setzen, denn es wäre klar: Betritt ein Asylbewerber irgendwo europäischen Boden, so hat er es geschafft. Hinzu kommt, wie CSU-Chef Horst Seehofer kürzlich sagte, selbst die Rückführung abgelehnter Asylbewerber scheitert in der Praxis allzu oft, weil sich fast immer irgendein Abschiebehindernis finden lässt.

Sollte Göring-Eckardt mit ihrer zweideutigen Aussage gemeint haben, eine EU-Verteilung sollte Dublin ersetzen, so scheitert auch das: Zum einen an den Ländern, die sich der Verteilung widersetzen, zum anderen an den offenen Grenzen in der EU. Jeder Asylbewerber würde auch mit dieser Lösung dorthin gehen, wo er hin will.

Fähren über das Mittelmeer

Doch damit nicht genug: Göring-Eckardt will einen Shuttle-Service für alle Migranten, wie auch ihre Partei: Es gehöre zur Lösung der Flüchtlingskrise dazu, sagte sie im Deutschlandfunk, „dass man den Schleppern das Handwerk legt, dass man dafür sorgt, dass die Menschen sicher übers Mittelmeer kommen. Und wir sagen, das geht mit Kontingenten.“ Das bedeutet in letzter Konsequenz, dass man alle Zuwanderungswilligen über das Mittelmeer bringt, egal, wie viele es sind und noch sein werden.

Wie man in so einer Situation überlegen kann, wie die weitere Armutsmigration noch verstärkt werden kann, ist mir ein völliges Rätsel!

Thomas Kreuzer, CSU

Im Wahlprogramm der Grünen finden sich ergänzende Forderungen dazu: Allen anerkannten Flüchtlingen soll vollständiger Familiennachzug zuerkannt werden, eine Obergrenze wird abgelehnt. Deutscher soll nach grünem Willen künftig sein, wer hierzulande geboren wird. Schon die USA mit ihren gut gesicherten Grenzen schaffen es nicht, den „Geburtstourismus“ aus Latein- und Südamerika sowie Asien zu stoppen, der durch diese Regel entstanden ist – für das immer noch ganz leicht erreichbare Deutschland wäre es unmöglich. Kleine Kinder aber haben hierzulande das Recht auf ihre Eltern, sie dürften also auch bleiben.

Kreuzer: Die Grünen leben im „Elfenbeinturm“

Wer so hartnäckig ignoriere, wie schwierig die Integration der bisher schon ins Land gekommenen Menschen ist, dem gehe „jede Problemlösungskompetenz“ ab, warnte CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer auf Facebook. „Wie man in so einer Situation überlegen kann, wie die weitere Armutsmigration noch verstärkt werden kann, ist mir ein völliges Rätsel!“ Der Fraktionschef weiter: „So kann nur denken, wer sich die letzten zwei Jahre in seinem Elfenbeinturm eingemauert hat, statt mit den Bürgerinnen und Bürgern zu sprechen.“ Seit Monaten und Jahren würden Integrationsprobleme, Belastungen der Sozialsysteme, Unterbringungssorgen und auch Sicherheitsfragen die ganzen Ehrenamtler, Kommunalpolitiker, Behörden und Sicherheitskräfte in Atem halten.

Eine Einwanderung in die sozialen Sicherungssysteme lehnen wir ab.

Thomas Kreuzer, CSU

Im Regierungsprogramm der Union für die nächsten vier Jahre werde deshalb zu Recht festgehalten, dass die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, dauerhaft niedrig bleiben muss. Nur so sei es möglich, dass Deutschland seinen humanitären Verpflichtungen gegenüber Schutzbedürftigen nachkommen und Integration gelingen könne. „Ich glaube auch, dass das auf lange Sicht auch die humanere Politik gegenüber den Menschen aus den anderen Kontinenten ist“, betonte Kreuzer. Im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU ist vorgesehen, dass ein „Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz“ die bestehenden Regelungen zusammenfasst und, wo nötig, effizienter gestaltet. Voraussetzung sind aber immer der Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzes und die Sicherung des Lebensunterhalts. „Eine Einwanderung in die sozialen Sicherungssysteme lehnen wir ab“, machte Kreuzer klar.

Strafzahlungen für bessere Verteilung?

In dem Interview mit dem Deutschlandfunk forderte Katrin Göring-Eckardt zudem politischen und finanziellen Druck auf EU-Staaten, die sich nicht am Umverteilungsmechanismus für Flüchtlinge beteiligen. Diese sollten zumindest keine Mittel mehr aus einem (noch zu schaffenden?) EU-Fonds für die Flüchtlingsaufnahme erhalten. Darüber hinaus müssten aufnahmeunwillige Staaten zu Strafzahlungen verpflichtet werden. Dafür gibt es allerdings bisher keine juristische Grundlage im EU-Recht. Unklar ist, wie sich ein noch ausstehendes Urteil des EuGH auswirkt, bei dem der Generalanwalt des EuGH in einem Gutachten feststellte, dass auch aufnahmeunwillige EU-Länder zur Teilnahme am beschlossenen Umverteilungsmechanismus verpflichtet seien.

Ebenfalls realitätsfern mutet dann noch die Forderung der grünen Spitzenkandidatin an, notfalls müssten alle EU-Länder solange zusammensitzen, bis eine Lösung für die Asylbewerber-Verteilung gefunden sei. „Also, ich würde so nach dem Motto verfahren: Man muss dann so lange zusammensitzen, bis es auch eine Lösung dafür gibt.“ Das könnte in der Realität ziemlich lange dauern, wenn Länder wie Frankreich, Ungarn oder Polen wie schon bisher standhaft ablehnen, sich an der Verteilung zu beteiligen.