Eine Studentin arbeitet an Solaranlagen in einer Ausbildungseinrichtung für Solartechniker in Nairobi. (Bild: imago/photothek)
G20 Gipfel

Markt vor der Haustür

Afrika ist eines der Kernthemen auf dem anstehenden G20-Gipfel. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller will die Zusammenarbeit mit dem Kontinent neu gestalten. Dazu zählen für ihn faire Handelsbedingungen und private Investitionen.

Mit seinem „Marshallplan mit Afrika“ will Entwicklungsminister Gerd Müller den ärmsten Ländern helfen. Ziel ist es, den Staaten nicht einfach weitere Milliarden zu geben, sondern sie gezielt und stärker zu fördern. Dazu gehören für ihn eine neue Handelspolitik sowie eine andere Umwelt- und Klimapolitik. Müllers Konzept findet sich auch im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU wieder. Den G20-Gipfel in Hamburg nutzt der Minister, um weiter für seine Vorschläge zu werben.

Die Verantwortung Europas

„Es muss jetzt eine neue, gleichberechtigte Partnerschaft entwickelt werden – und Afrika muss auch selber mehr leisten“, fordert der CSU-Politiker im Interview mit der Augsburger Allgemeinen. Müller erinnert an die besondere Verantwortung Europas und der Welt für Afrika: „Der Kontinent wurde von den Kolonialmächten bis in die Sechzigerjahre in der totalen Unfreiheit gehalten. Innerhalb von 50 Jahren sind da Sprünge, wie wir sie gemacht haben, nicht möglich.“

Saft statt Frucht

Welche Rolle spielt China als Partner für die deutsche Entwicklungshilfe in Afrika und wie bleibt die Wertschöpfung bei den Menschen? Darüber hat der BAYERNKURIER mit Bundesentwicklungsminister Gerd Müller gesprochen. Lesen Sie hier das komplette Interview.

Fairer Handel schaffe für Afrika die schnellsten Entwicklungssprünge, so Müller. Doch auch die afrikanischen Länder müssten ihren Teil zur Entwicklung beitragen: „Dazu gehören die Achtung der Menschenrechte, Korruptionsbekämpfung und Rechtssicherheit für Investoren. Länder, die diese Standards erfüllen, bekommen die Zusage der G20 für Investitionspartnerschaften in den Bereichen Energie, Infrastruktur und Ausbildung“, sagt Müller.

Afrika ist der Zukunftsmarkt vor der Haustür, wir sollten den Markteintritt nicht verpassen.

Gerd Müller, Bundesentwicklungsminister

Müller setzt vor allem auf Privatinvestoren. Für ein Afrika ohne Hunger, den Klimaschutz und die Entwicklung der Infrastruktur für eine Bevölkerung, die sich bis 2050 verdoppele, bedürfe es einer Vervielfachung der Investitionen. „Das ist mit öffentlichen Mitteln nicht machbar“, so Müller.

Faire Preise bringen Wohlstand

Bayerischen Mittelständlern etwa empfiehlt der Minister, sich auf bestimmte Regionen wie Nordafrika, Tunesien oder Ägypten zu konzentrieren. Dort sei die ganze Breite der Energiewirtschaft möglich. Hauptinvestoren in Afrika sind derzeit allerdings China, Russland und die Türkei. Müller warnt im Interview davor, dass europäische Firmen den Markteintritt nicht verpassen dürfen. Bisher investieren nur rund 1.000 deutsche Unternehmen in Afrika.

Die Aufgabe der G20-Staaten sieht der Minister darin, verbindliche Zielvorgaben zu vereinbaren, damit globaler Güteraustausch auf der Basis von sozialen und ökologischen Mindeststandards erfolge. Aber auch jeder einzelne könne etwas tun. Müller rät jedem Verbraucher dazu, Nachhaltigkeitsstandards im Konsum zur Grundlage seines Lebens zu machen: fair gehandelte Produkte einkaufen, sei es Kaffee, Obst, Kleidung oder Elektronik. So könne Druck auf die Hersteller erzeugt werden.

Über fairen Handel, so Müller, erreiche man für Afrika die schnellsten Entwicklungssprünge: „Wenn wir den Erzeugern faire Preise zahlen, fließt Geld aus unserem Wohlstand in den Aufbau vor Ort. In den letzten 50 Jahren hat man Ressourcen und Menschen billigst genutzt, um unseren Wohlstand zu steigern.“

Gerd Müller will nordafrikanische Staaten wie Tunesien und Marokko in den europäischen Wirtschaftsraum integrieren. Der BAYERNKURIER hat nachgefragt: Wie erreichen Sie, dass die Länder nicht nur als Ressourcenlieferant, sondern als Handelspartner agieren?

Müller: „Wichtig ist, dass wir den Maghreb-Staaten schrittweise eine Entwicklung anbieten, wie wir es vor 25 Jahren den osteuropäischen Ländern angeboten haben. Das heißt Integration in den europäischen Wirtschaftsraum mit ihren Agrargütern. Hier gibt es noch Zölle und Quoten. Es macht keinen Sinn, dass ich deutsche Steuergelder nach Tunesien bringen darf, aber die Tunesier mit ihrem Obst und Früchten auf dem europäischen Markt kein Geld verdienen dürfen.

Der zweite Bereich sind Waren, Güter und Dienstleistungen. Hier gibt es erfolgreiche Kooperationen der deutschen Automobilwirtschaft, die in Marokko und in Tunesien jeweils bis zu 25.000 Arbeitsplätze geschaffen haben. Dabei kommt es nicht zur Verlagerung ganzer Firmenzweige, sondern zu „win-win“-Situationen. Und das schafft für deutsche Firmen Vorteile.“