Wichtig: die Veredlung der Produkte in Afrika muss vor Ort stattfinden. (Bild: Imago/Zuma Press)
Entwicklung

Saft statt Frucht

Welche Rolle spielt China als Partner für die deutsche Entwicklungshilfe in Afrika und wie bleibt die Wertschöpfung bei den Menschen? Darüber hat der BAYERNKURIER mit Bundesentwicklungsminister Gerd Müller gesprochen.

Entwicklungs- und Sicherheitspolitik gehören untrennbar zusammen. Denn nur wenn die Menschen Zukunftsperspektiven haben, flüchten sie nicht nach Europa. Darüber waren sich Florian Hahn, Bundestagsabgeordneter und außenpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe, und Bundesentwicklungsminister Gerd Müller einig. Gemeinsam diskutierten sie mit Bürgern in Pullach darüber, was fairen Handel ausmacht und wie Deutschland Globalisierung gerecht gestalten kann.

Neben den aktuellen Kriegen in Syrien und Osteuropa zählt Müller die Bevölkerungsdynamik des afrikanischen Kontinents zu den größten Herausforderungen für die Entwicklungspolitik. Bis zum Jahr 2050 werden dort voraussichtlich zwei Milliarden Babys geboren. Daraus wachse ein enormer Migrationsdruck. Denn finden Jugendliche in ihrer Heimat keine Arbeit, könnten sich Millionen für eine bessere Zukunft auf den Weg Richtung Europa machen. Bereits heute hat jeder zweite junge Mensch keinen Job. Nötig sind nicht nur wesentlich mehr Ausbildungsmöglichkeiten, sondern auch eine höhere Wertschöpfung aus lokalen Ressourcen. Der BAYERNKURIER sprach mit Entwicklungsminister Müller über Maßnahmen der deutschen Entwicklungshilfe in Afrika.

Sie nannten folgendes Beispiel: Ein Kilo Kaffee kostet in Deutschland rund zehn Euro, 50 Cent davon bekommen die Plantagenbauer in Westafrika. Damit Wertschöpfung bei den Menschen vor Ort bleibt, fordern Sie, dass die Veredlung der Produkte nicht auf anderen Kontinenten stattfindet – wie wollen Sie das erreichen?

Die größten Erfolge erreichen sie in der Landwirtschaft. Nehmen wir als Beispiel eine Getränkeproduktion in Kenia aus örtlichen Früchten. Dort wurde mit gut sieben Millionen Euro langfristigem Darlehen ein Verarbeitungsbetrieb aufgebaut, der über Hunderttausend Kleinbauern und ihren Familien Arbeit gibt. Der dort produzierte Mangosaft wird inzwischen auch auf dem europäischen Markt verkauft. Mit unseren 14 Grünen Innovationszentren in Afrika und Asien bauen wir Musterbetriebe auf, die sich dann vervielfachen. Wichtig ist es außerdem, die privatwirtschaftlichen Investitionen in unseren Partnerländern zu intensivieren. Gerade im Energie- und Klimasektor gibt es enorme Zukunftsfelder für deutsche und bayerische Firmen.

Aber nur rund 1000 deutsche Unternehmen investieren in Afrika – weltweit sind es 400.000. Was muss sich ändern, damit mehr Unternehmer in Afrika investieren?

Wir brauchen neue Rahmenbedingungen für Investments in Entwicklungs- und Schwellenländer. Insbesondere ein Instrument zur Risikoabsicherung von Eigenkapitalinvestments. Und wir müssen staatlicherseits Investitionsanreize schaffen. Wir arbeiten an einem Entwicklungssteuergesetz, das steuerliche Impulse setzt und Möglichkeiten der steuerlichen Abschreibung einräumt.

Sie fliegen kommende Woche nach Peking um auch einen neuen Weg der Kooperation mit China in Afrika einzuschlagen. Wie setzen Sie die Zusammenarbeit mit den Chinesen um?

Wir gehen einen neuen Weg der Kooperation mit China. Dazu werde ich nächste Woche das deutsch-chinesische Zentrum für nachhaltige Entwicklung mit dem chinesischen Außenhandelsminister in Betrieb nehmen. Dabei geht es in einem ersten Schritt um trilaterale Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit in Afrika, möglicherweise auch in Pakistan. Ein Ansatz ist die Einbeziehung der afrikanischen Bevölkerung bei den großen Bauprojekten, insbesondere der Jugend. Unser Vorschlag an die Chinesen wird sein, dass wir unter anderem auch bei chinesischen Projekten den Part der beruflichen Ausbildung konzipieren und umsetzen. Es dürfen keine Investitionen in Afrika stattfinden ohne Einbeziehung der afrikanischen Jugend. Wir praktizieren dies längst und möchten das zum Standard der chinesischen Investitionen machen.

Um die Kooperation mit Nordafrika zu stärken haben Sie in Tunesien ein Beratungszentrum für Flüchtlinge eröffnet. Welche Aufgaben hat das Zentrum?

Dieses Zentrum für Jobs, Migration und Reintegration bietet Rückkehrern auf freiwilliger Basis aber auch abgelehnten Asylbewerbern eine Anlaufstelle um vor Ort in Tunesien in Beschäftigungs- und Ausbildungsprogramme integriert zu werden. Das ist wichtig, damit die Rückkehrer nicht übermorgen wieder bei uns vor der Haustür stehen, aber auch damit sie nicht als Verlierer nach Hause kommen. Zweitens versuchen wir in enger Zusammenarbeit mit der tunesischen Agentur für Arbeit in Tunesien eine Struktur aufzubauen, wie wir sie mit der Bundesanstalt für Arbeit in Deutschland haben. Dieses Land muss einen Überblick haben, nicht nur in Tunis, sondern auch in den ländlichen Regionen, wie der Arbeitsmarkt ausschaut, was gebraucht wird und welches Arbeitskräftepotential da ist. Tunesien ist ein privilegierter Partner insbesondere beim Aufbau beruflicher Bildung. Und dieses Zentrum ist sozusagen der Nucleus für unsere Berufsbildungsoffensive.

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Minister Müller eröffnet deutsch-tunesisches Migrationsberatungszentrum

Sie wollen nordafrikanische Staaten wie Tunesien und Marokko in den europäischen Wirtschaftsraum integrieren. Wie erreichen Sie, dass die Länder nicht nur als Ressourcenlieferant, sondern als Handelspartner agieren?

Wichtig ist, dass wir den Maghreb-Staaten schrittweise eine Entwicklung anbieten, wie wir es vor 25 Jahren den osteuropäischen Ländern angeboten haben. Das heißt Integration in den europäischen Wirtschaftsraum mit ihren Agrargütern. Hier gibt es noch Zölle und Quoten. Es macht keinen Sinn, dass ich deutsche Steuergelder nach Tunesien bringen, aber die Tunesier mit ihrem Obst und Früchten auf dem europäischen Markt kein Geld verdienen dürfen. Das bedeutet eine gewisse Konkurrenz für den Unterglasbau in Spanien, deshalb gibt es dort Widerstand in den Südländern, aber das müssen wir aushalten. Und der zweite Bereich sind Waren, Güter und Dienstleistungen. Hier gibt es erfolgreiche Kooperationen der deutschen Automobilwirtschaft, die in Marokko und in Tunesien jeweils bis zu 25.000 Arbeitsplätze geschaffen haben. Dabei kommt es nicht zur Verlagerung ganzer Firmenzweige, sondern zu „win-win“-Situationen. Und das schafft für deutsche Firmen Vorteile.