Zeit für klare Ansagen
Beinahe zwei Drittel der türkischen Wähler in Deutschland haben für eine Erdogan-Diktatur gestimmt. Daraus muss Deutschland Konsequenzen ziehen. Wer hier leben will, muss sich klar zu unserem Staat und seinen Grundwerten bekennen und kann nicht einem ausländischen islamistisch-nationalistischen Despoten zujubeln.
Deutsch-Türken

Zeit für klare Ansagen

Kommentar Beinahe zwei Drittel der türkischen Wähler in Deutschland haben für eine Erdogan-Diktatur gestimmt. Daraus muss Deutschland Konsequenzen ziehen. Wer hier leben will, muss sich klar zu unserem Staat und seinen Grundwerten bekennen und kann nicht einem ausländischen islamistisch-nationalistischen Despoten zujubeln.

Dortmund: 76 Prozent pro Erdogan-Diktatur in der Türkei. Düsseldorf: 70 Prozent. Stuttgart: 66 Prozent. München: 63 Prozent. Nürnberg/Fürth: 55 Prozent. Berlin: 50 Prozent. Insgesamt stimmten 63,1 Prozent der türkischen Wähler in Deutschland für die Verfassungsreform, die den Nato-Partner Türkei in eine von Erdogan gelenkte Autokratie verwandeln wird. Ein rotes Fahnenmeer und Autokorsos in München, Nürnberg und anderen Städten ließen eine Stimmung aufkommen, als hätte die Türkei die Fußball-WM gewonnen oder zumindest Besiktas respektive Fenerbahce den Europacup. Noch schlimmer sieht es in anderen Ländern der EU aus: Belgien 75 Prozent pro Diktatur, Österreich 73 Prozent, Niederlande 71 Prozent, Frankreich 65 Prozent.

Auslands-Türken als Mehrheitsbeschaffer

Angesichts der insgesamt sehr knappen Mehrheit von 51,4 Prozent und der lokalen Wahlergebnisse in der Türkei – Istanbul, Ankara, Izmir, die Touristenregionen an der Südküste sowie die Kurdengebiete im Osten stimmten deutlich gegen die Autokratie – wird klar, dass die Millionen Auslandstürken das Referendum im Sinne Erdogans entschieden haben. Das Kalkül des Möchtegern-Diktaturs, mit Nazi-Vergleichen, Kulturkampf- und Hass-Rhetorik die Massen aufzuheizen sowie die Türken in Europa gegen Demokratie und die Grundwerte des freien Westens in Stellung zu bringen, ist aufgegangen.

Ratlos betrachten vor allem selbsternannte, linke Integrationsexperten das Wahlergebnis: Was reitet die Türken in Deutschland nur? Sie selbst leben in einer freiheitlichen Demokratie und können hier ihre Meinung frei kundtun. Gleichzeitig befürworten sie, dass Erdogan, ihr König der Herzen, in der Heimat ihrer Väter die Demokratie abschafft, den Ausnahmezustand zementiert, zehntausende Militärs, Richter, Professoren, Politiker und kritische Journalisten ihrer Ämter enthebt, großteils einsperrt und damit die Opposition zerschlägt. Die Bevölkerung stand außerdem unter einem medialen Trommelfeuer pro Verfassungsänderung. Von einer demokratischen, fairen Abstimmung kann angesichts dieser Bedingungen keine Rede sein, unabhängig vom Nachweis konkreter Manipulationen bei der Wahl.

Linke Integrations-Träumer sind ratlos

Die linken Integrations-Euphoriker haben sich die Lage in Deutschland jahrelang schöngelogen und unter Aufgabe westeuropäischer Werte immer weitergehende Kompromisse und Zugeständisse zugunsten einer anwachsenden Parallelgesellschaft gefördert. Jahrelang sagte man angesichts solcher Phänomene und Rückschläge gern: Die angeworbenen Gastarbeiter seien nun einmal keine Großstädter aus Istanbul, sondern einfache Bauern aus Anatolien. Aber beim Verfassungsreferendum hat auch die mittlerweile dritte Generation von Deutsch-Türken gesprochen – die allermeisten der Wähler sind hier geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen.

Jetzt sieht sich Deutschland sprachlos einer nationalen Minderheit im eigenen Land gegenüber, die sich offensichtlich mehr und mehr radikalisiert, sich weg von Deutschland und seinen Werten orientiert, hin zum islamistischen Autokraten am Bosporus. Die Deutschland als gemeinsame kulturelle Heimat der hier Wohnenden ablehnt und stattdessen mehrheitlich einem ausländischen Diktator zujubelt. Es scheint, als hätten viele Deutsche all die Jahre die latente Aggression und den Deutschen-Hass bei zahlreichen hier lebenden Türken unterschätzt. Die Anzeichen dafür wurden jahrelang nicht wahrgenommen.

Fehlentwicklungen verschwiegen

Ein Beispiel: Schon seit mehreren Jahren rieben sich Münchner und Nürnberger am Samstag Nachmittag die Augen angesichts türkisch-offizieller Massendemonstrationen in den Innenstädten: mit professionell gefertigten, ordentlich bedruckten rot-weißen Transparenten, auf denen sauber übersetzte, aber kompliziert formulierte politische Forderungen erhoben wurden – meist gegen die PKK, aber auch für den Doppelpass und weitere türkisch-staatliche Anliegen, die in Deutschland durchgesetzt werden sollten. Schon die Professionalität der Transparente verriet die Initiatoren, nämlich türkische Konsulate oder ihnen nahestehende Kulturvereine.

Diese offiziösen türkischen Massendemonstrationen gab es schon vor Erdogan. Doch kein Präsident vor ihm missbrauchte die staatliche Gewalt und die damit verbundenen Einrichtungen je so rücksichtslos für die Durchsetzung seines Machtstrebens, niemand vor Erdogan torpedierte die Integration mit seiner Propaganda dermaßen aggressiv, um einen Keil zwischen „seine“ Türken und Europa zu treiben.

Mit jedem wohlwollenden Verschweigen derartiger Einflussnahme des türkischen Staates in Deutschland, dem stillschweigenden Akzeptieren von innertürkischen Konflikten hierzulande wurde nicht der „Integration“ gedient, sondern im Gegenteil der Herausbildung einer deutsch-türkischen Parallelgesellschaft Vorschub geleistet: Viele Türken lebten zwar gern hier, denn man verdiente gut oder bezog eventuell großzügige soziale Unterstützung. Aber im Herzen blieben viele der Zuwanderer und ihre Kinder offensichtlich immer Türken, sie hielten sich emotional und kulturell auf Distanz. Wer sich zu sehr anpasste, wurde und wird zunehmend aus der eigenen Community heraus beschimpft, er wolle nur „den Deutschen gefallen“, wie Hasnain Kazim in Spiegel-Online schreibt.

Integration ist eine Bringschuld

Die gesamte Integrationsdebatte ist seit Jahren ein Debakel. Die politisch korrekte öffentliche Auseinandersetzung vermeidet es seit jeher, den Kern des Problems zu benennen. Die Linken fordern permanent mehr „Integrationsbemühungen“ von Seiten des deutschen Staates und der Mehrheitsgesellschaft. Dabei ist Integration relativ einfach zu formulieren: Sie ist eine Bringschuld der Zuwanderer. Schon der heilige Ambrosius sagte, wie es geht: „Si fueris Romae, Romano vivito more. Si fueris alibi, vivito sicut ibi.“ (Wenn Du in Rom bist, sollst Du nach römischer Weise leben; bist Du woanders, sollst Du leben wie dort.) Bekannter ist dieser kluge Spruch heute in der englischen Kurzform: „When in Rome, do as the Romans do.“

Also: Deutsch lernen, die Mehrheitsgesellschaft mit grundsätzlicher Sympathie betrachten, sich selbst aktiv einbringen, die Leitkultur anerkennen, sich eine ehrliche Arbeit suchen und sich redlich und gesetzestreu verhalten. Warum können sich Millionen Rumänen, Vietnamesen, Italiener, Polen, Griechen und Thailänder problemlos hier integrieren? Warum dreht sich die gesamte Integrationsdebatte immer nur um Türken und Araber? Nie hat man von vietnamesischen oder rumänischen Parallelgesellschaften in Deutschland mit eigenen Friedensrichtern oder ähnlichem gehört.

Größter Fehler war der Doppelpass

Als größter Fehler von Seiten des Gesetzgebers erweist sich dabei das Recht auf doppelte Staatsbürgerschaft ohne Optionspflicht. Wie es der Beschlusslage der CSU entspricht – und wie auch die CDU beim jüngsten Parteitag im Dezember beschloss – muss diese Fehlentscheidung rückgängig gemacht werden. Auch muss die Möglichkeit geschaffen werden, Doppelstaatlern, die in Deutschland verfassungsfeindlich, terroristisch, islamistisch oder extremistisch im Sinn der Durchsetzung der Interessen einer ausländischen Macht auffällig werden, die deutsche Staatsbürgerschaft abzuerkennen und sie auszuweisen.

Es ist nicht zu viel verlangt von Erwachsenen, die dauerhaft in Deutschland leben wollen, sich klar zu entscheiden, zu welchem Land sie gehören wollen. Eine solche Positionierung ist nach dem verheerenden Abstimmungsverhalten nötiger denn je: Wer sich dauerhaft nicht völlig integrieren will, den sollte Deutschland nicht versuchen zu halten.