1700 „Reichsbürger“ in Bayern
In Bayern leben 1700 selbsternannte Reichsbürger, die die Bundesrepublik nicht als Staat anerkennen und damit die verfassungsmäßige Ordnung unterlaufen. Das hat Innenminister Herrmann dem Innenausschuss des Landtags mitgeteilt und konsequentes Durchgreifen der Behörden angekündigt.
Innenminister Herrmann

1700 „Reichsbürger“ in Bayern

In Bayern leben 1700 selbsternannte Reichsbürger, die die Bundesrepublik nicht als Staat anerkennen und damit die verfassungsmäßige Ordnung unterlaufen. Das hat Innenminister Herrmann dem Innenausschuss des Landtags mitgeteilt und konsequentes Durchgreifen der Behörden angekündigt.

Früher galten die „Reichsbürger“ nur als realitätsfremde Spinner. Das hat sich jedoch seit Oktober 2016 nach einem Polizistenmord bei einer Razzia durch einen dieser Fanatiker im mittelfränkischen Georgensgmünd drastisch geändert. Die sogenannte ‚Reichsbürgerszene‘ wird in Bayern deshalb noch stärker observiert und mit allen Mitteln des Rechtsstaats bekämpft. Das hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im Innenausschuss des Bayerischen Landtags deutlich gemacht. „Wir haben bayernweit mittlerweile rund 1700 Personen eindeutig als ,Reichsbürger‘ identifiziert“, erklärte Herrmann. Darüber hinaus prüfe die bayerische Polizei zusammen mit anderen Behörden derzeit weitere rund 1600 Verdachtsfälle.

Wir wollen möglichst genau wissen, mit wem wir es zu tun haben und welche Gefahren von diesen Personen ausgehen können.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU)

„Nach dem schrecklichen Mord an unserem Polizeikollegen in Georgensgmünd und angesichts der sich häufenden Vorfälle haben wir unser Vorgehen gegen die ,Reichsbürgerszene‘ deutlich verschärft“, erklärte Herrmann weiter. „Wir wollen möglichst genau wissen, mit wem wir es zu tun haben und welche Gefahren von diesen Personen ausgehen können.“ Wie Herrmann erklärte, wird die gesamte „Reichsbürgerszene“ vom bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Dazu gehören auch die sogenannten „Selbstverwalter“. Im Unterschied zu den „Reichsbürgern“, die allein das Deutsche Reich als rechtsgültig fortbestehend ansehen, erklären sich die „Selbstverwalter“ oftmals als exterritorial und gründen beispielsweise ihren eigenen Pseudo-„Staat“.

„Harter Kern“ umfasst 150 bis 200 Personen, 40 davon rechtsextrem

Herrmann machte klar, dass der bayerische Verfassungsschutz bereits seit 2005 bestimmte rechtsextremistische Reichsbürgergruppierungen wie die selbsternannte „Exil-Regierung Deutsches Reich“ oder die „Kommissarische Reichsregierung“ überwacht. Laut Verfassungsschutz umfasst der „harte Kern“ der Reichsbürgerszene rund 150 bis 200 Personen. Der Schwerpunkt liege mit rund 70 Prozent im Altersbereich der 40- bis 69-Jährigen. Außerdem ist die „Reichsbürgerszene“ mit rund 75 Prozent stark männlich geprägt. Eine eindeutige Zuordnung von „Reichsbürgern“ zur rechtsextremistischen Szene konnte das BayLfV bislang in etwa 40 Fällen bestätigen.

Waffen und Munition haben in den Händen von ,Reichsbürgern‘ nichts zu suchen. Unsere Waffenbehörden arbeiten mit Hochdruck daran, bekannte ,Reichsbürger‘ schnell und konsequent zu entwaffnen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU)

Neben der verstärkten Beobachtung durch den bayerischen Verfassungsschutz hat Herrmann auch veranlasst, dass die bei den Behörden und Kommunen über „Reichsbürger“ vorliegenden Erkenntnisse bei der Bayerischen Polizei gebündelt werden. Dafür haben alle Polizeipräsidien zentrale Informationssammelstellen eingerichtet. „Dadurch wollen wir ein genaueres Bild von Größe, Vernetzung und ideologischer Ausrichtung der ,Reichsbürgerbewegung‘ erhalten“, erläuterte der Innenminister. Die polizeilichen Zentralstellen geben ihre Erkenntnisse auch dem Verfassungsschutz und dem Landeskriminalamt weiter. Soweit sich die Zugehörigkeit einer Person zur Reichsbürger-Szene eindeutig nachweisen lasse, werden die Daten auch den „Erlaubnisbehörden“ zur Verfügung gestellt, so Herrmann.

33 Reichsbürger wurden bereits entwaffnet

Wie der Innenminister weiter erläuterte, überprüfen diese Behörden beispielsweise, ob „Reichsbürger“ Waffenerlaubnisse haben und im Besitz von Waffen sind oder über Erlaubnisse nach dem Sprengstoffrecht verfügen. „Waffen und Munition haben in den Händen von ,Reichsbürgern‘ nichts zu suchen“, stellte Herrmann klar. „Unsere Waffenbehörden schöpfen daher alle rechtlichen Möglichkeiten aus, bestehende Waffenerlaubnisse von ,Reichsbürgern‘ zu widerrufen und Neuanträge abzulehnen.“

Jemand, der das Bestehen der Bundesrepublik Deutschland und die Geltung unseres Grundgesetzes verneint, hat beim Staat nichts verloren.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU)

Bisher konnten nach Herrmanns Worten bayernweit 130 Waffenbesitzer eindeutig der „Reichsbürgerszene“ zugeordnet werden. Weitere Verdachtsfälle werden derzeit noch überprüft. „Unsere Waffenbehörden arbeiten mit Hochdruck daran, bekannte ,Reichsbürger‘ schnell und konsequent zu entwaffnen“, sagte der Minister. Die Waffenbehörden leiten dazu umgehend die entsprechenden Widerrufsverfahren ein, an deren Ende der Entzug der Waffenerlaubnis steht. In 33 Fällen wurden „Reichsbürger“ in Bayern bereits entwaffnet.

Disziplinarmaßnahmen gegen 15 Polizisten, davon zwölf aktive

Kein Verständnis hat Herrmann für „Reichsbürger“ im öffentlichen Dienst. „Jemand, der das Bestehen der Bundesrepublik Deutschland und die Geltung unseres Grundgesetzes verneint, hat beim Staat nichts verloren“, betonte der Minister im Innenausschuss. „In solchen Fällen setzen wir alle rechtlich zulässigen Hebel in Bewegung, um die Betreffenden aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen.“ Bei der bayerischen Polizei werden nach Herrmanns Worten derzeit 15 Disziplinarmaßnahmen gegen Polizeivollzugsbeamte wegen des Verdachts der Zugehörigkeit zur „Reichsbürgerbewegung“ geführt. Betroffen sind zwölf aktive Polizisten sowie drei Ruhestandsbeamte. Sechs aktive Polizeibeamte wurden bislang suspendiert.

Laut Herrmann liegen im öffentlichen Dienst in Bayern außerhalb der bayerischen Polizei derzeit konkrete Erkenntnisse zu vier Bediensteten vor, die der „Reichsbürgerbewegung“ angehören. Es handelt sich dabei um drei Beamte und einen Arbeitnehmer. Bei den drei Beamten wurde jeweils ein Disziplinarverfahren eingeleitet, dem Arbeitnehmer wurde inzwischen gekündigt.

(PM/wog)