Bei einer umfangreichen Razzia gegen die Salafisten-Szene hat die hessische Polizei 54 Objekte durchsucht und einen Terrorverdächtigen festgenommen. (Foto: Imago/Ralph Peters)
Razzien

Massiver Schlag gegen Salafisten

Die Polizei hat bei Großrazzien gegen die salafistische Szene in Hessen, sowie bei Polizeiaktionen in Berlin und Nürnberg mehrere Terrorverdächtige festgenommen. Die mutmaßlichen IS-Sympathisanten sollen Anschläge im In- und Ausland geplant haben. Ein in Hessen gefasster 36-jähriger Tunesier soll 2015 an einem Anschlag in Tunis mit mehr als 20 Toten beteiligt gewesen sein.

Bei einer großangelegten Razzia gegen islamistischen Terror in Hessen hat die Polizei einen mutmaßlichen Terroristen festgenommen, einen 36 Jahre alten Tunesier. Insgesamt durchsuchten rund 1100 Polizisten in ganz Hessen 54 Wohnungen, Geschäftsräume und Moscheen. Schwerpunkt war das Rhein-Main-Gebiet, vor allem die Stadt Frankfurt. Die Ermittlungen richten sich gegen insgesamt 16 Beschuldigte im Alter zwischen 16 und 46 Jahren. In 13 Fällen geht es um den Vorwurf, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) erklärte, es sei gelungen, ein „weit verzweigtes Netzwerk von Salafisten“ zu zerschlagen.

Der festgenommene 36 Jahre alte Tunesier soll für die Terrormiliz IS einen Anschlag in Deutschland geplant haben und an Anschlägen in Tunesien beteiligt gewesen sein, unter anderen auf das Bardo-Museum in Tunis. Deshalb wurde er gesucht und saß zwischenzeitlich schon in Deutschland in Haft. Eine Auslieferung kam aber nicht zustande. Auch im Fall des Attentäters vom Berliner Weihnachtsmarkt, Anis Amri, war eine Auslieferung gescheitert.

Anschlag im frühen Planungsstadium vereitelt

Ein konkretes Ziel in Deutschland gab es laut Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt noch nicht, auch soll der Anschlag nicht unmittelbar bevorgestanden haben. Der 36-Jährige soll zudem Anwerber und Schleuser für den IS gewesen sein und ein Netzwerk von Unterstützern aufgebaut haben.

Mit den Maßnahmen senden wir eine deutliche Botschaft an die radikalen Islamisten in Hessen: Wir haben die Szene fest im Blick.

Peter Beuth (CDU), hessischer Innenminister

Die Planung eines Anschlags in Deutschland war nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft noch in einer frühen Phase. In seinem Heimatland soll der 36-Jährige an einem Anschlag auf das berühmte Bardo-Museum in der Hauptstadt Tunis mit mehr als 20 Toten im März 2015 beteiligt gewesen sein. Auch bei einem Angriff von Dschihadisten auf die tunesische Grenzstadt Ben Gardane im März 2016 soll er dabei gewesen sein. Damals hatte es Dutzende Tote sowie Straßenkämpfe zwischen Extremisten und Sicherheitskräften gegeben.

Verdächtiger reiste im Sommer 2015 als Asylbewerber ein

Nach Deutschland eingereist ist der Tunesier den Angaben der Behörden zufolge im August 2015 als Asylbewerber. Davor habe er schon zwischen 2003 und April 2013 in der Bundesrepublik gelebt. Wegen eines Festnahmeersuchens der tunesischen Behörden saß der 36-Jährige ab September 2016 in Auslieferungshaft. Weil bis zum Ende der Frist die tunesischen Behörden nicht die vollständigen Auslieferungsunterlagen vorgelegt hätten, sei der Mann am 4. November 2016 aus der Haft entlassen worden. Von da an sei er bis zu seiner Festnahme am frühen Mittwoch rund um die Uhr observiert worden.

Auch der Berliner Attentäter Amri war ausreisepflichtig. Er konnte aber nicht abgeschoben werden, weil sein Heimatland Tunesien nicht rechtzeitig Papiere dafür ausgestellt hatte. Amri hatte am 19. Dezember 2016 auf dem Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche zwölf Menschen getötet und rund 50 teils schwer verletzt. Er war als islamistischer Gefährder eingestuft.

Razzia war „nachhaltiger Präventivschlag“

Der hessische Innenminister Beuth nannte die Razzia einen „nachhaltigen Präventivschlag“: „Mit den Maßnahmen senden wir eine deutliche Botschaft an die radikalen Islamisten in Hessen: Wir haben die Szene fest im Blick“, erklärte der Innenminister. Die Polizei habe frühzeitig eingegriffen. „Wir dulden in unserem Land keine verblendeten Fanatiker, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen, die unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit Hassbotschaften verbreiten und zum Kampf gegen Andersgläubige aufrufen.“

Wir dulden in unserem Land keine verblendeten Fanatiker.

Peter Beuth (CDU), hessischer Innenminister

Gegen diejenigen unter den Beschuldigten, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, wolle man „umgehend aufenthaltsbeendende Maßnahmen“ prüfen, so Beuth. Der Hauptverdächtige war nach Angaben Beuths nicht als „Gefährder“ registriert. Warum, konnte Beuth nicht sagen. Er wies aber darauf hin, dass er in den vergangenen Monaten rund um die Uhr überwacht worden sei. Beuth sagte, es handele sich nicht um eine Ermittlungspanne, sondern um „mangelhafte Zusammenarbeit der tunesischen Behörden mit den deutschen“. Das kenne man „aus vielen anderen Zusammenhängen“. Er fordere daher die Tunesier auf, sich „kooperativer“ zu verhalten.

Weitere Ermittlungen richten sich unter anderem gegen einen 17 Jahre alten Deutsch-Iraker. Er steht im Verdacht, im Juli 2016 versucht zu haben, vom Frankfurter Flughafen aus über Dubai nach Syrien zu reisen, um dort ein Terrortraining zu absolvieren. Ein 16 Jahre alter Deutsch-Afghane soll im September 2016 von Frankfurt aus nach Afghanistan gereist sein, ebenfalls mit dem Ziel Syrien.

Drei Islamisten in Berlin festgenommen

In Berlin nahm die Polizei unterdessen bei einer Razzia gegen die Salafisten-Szene drei Terrorverdächtige fest. Ihnen wird vorgeworfen, sich im Ausland zur Vorbereitung von Terroranschlägen ausbilden lassen zu wollen. Gegen die Verdächtigen im Alter von 21, 31 und 45 Jahren bestehe der Verdacht einer geplanten „Ausreise in Kampfgebiete“ – womöglich Syrien oder der Irak, sagte ein Sprecher der Berliner Polizei. Es bestehe auch die Annahme, dass es Verbindungen zur Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) gebe. Eine unmittelbare Anschlagsgefahr für Deutschland bestand demnach nicht.

Nach Informationen der Bild-Zeitung wurde auch die „Fussilet“-Moschee in Berlin-Moabit durchsucht, wo die Männer verkehrt haben sollen. Der Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri war in diesem Moschee-Verein ein- und ausgegangen. Auch unmittelbar vor dem Terroranschlag am 19. Dezember war er dort von einer Überwachungskamera gefilmt worden. Zwei der jetzt in Berlin verhafteten Islamisten sollen Kontakte zu Amri gehabt haben. Dies erfuhr die dpa aus Sicherheitskreisen.

Festnahme in Nürnberg

Die Polizei hat in Burgthann (Landkreis Nürnberger Land/Mittelfranken) unterdessen einen 31 Jahre alten Terrorverdächtigen festgenommen. Der Mann soll von Dezember 2013 bis Januar 2014 in Syrien Mitglied der radikal-islamischen Terrormiliz „Junud al-Sham“ gewesen sein, wie die Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft mitteilte. Er soll in dem Bürgerkriegsland eine Waffenausbildung erhalten und Wachdienste für die Miliz geleistet haben. Nach Informationen der Nürnberger Nachrichten kam der Beschuldigte aus Bonn und besuchte in Burgthann seine Eltern.

(dpa/wog)