Kein Geld für Verfassungsfeinde
Auch wenn das NPD-Verbot vor Gericht gescheitert ist - ein Ausschluss von der Parteifinanzierung wäre möglich. Die Linke ist dagegen. Sie fürchtet, solche gesetzliche Regelungen könnten in Zukunft auch andere Parteien treffen.
Parteienfinanzierung

Kein Geld für Verfassungsfeinde

Auch wenn das NPD-Verbot vor Gericht gescheitert ist - ein Ausschluss von der Parteifinanzierung wäre möglich. Die Linke ist dagegen. Sie fürchtet, solche gesetzliche Regelungen könnten in Zukunft auch andere Parteien treffen.

Nach dem gescheiterten Verbotsverfahren gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht werden Forderungen nach einem Ende der staatlichen Finanzhilfen für die rechtsextreme Partei lauter. Auf die Möglichkeit dazu hatte das Gericht bei seiner Urteilsverkündung ausdrücklich verwiesen. Allerdings wäre dafür eine Grundgesetzänderung nötig – eine hohe Hürde für den Gesetzgeber. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann forderte, die Partei von der staatlichen Finanzierung auszuschließen. „Das ist jetzt zwingend notwendig. Die Fraktionen im Bundestag sollten sich schnell mit dieser Frage beschäftigen“, sagte der CSU-Politiker der Passauer Neuen Presse. „Deshalb muss im Bundestag jetzt schnell eine Prüfung stattfinden, wie gegebenenfalls auch mit einer Änderung des Grundgesetzes und des Parteienfinanzierungsgesetzes die Möglichkeiten dazu geschaffen werden können“, sagte er am Dienstag auch der dpa. Es könne nicht sein, dass eine ganz eindeutig verfassungsfeindliche Partei, weiterhin Steuergelder kassieren dürfe.

Rechtsstaatswidrige, ausländerfeindliche Propaganda wird also auch noch aus Steuermitteln finanziert – das ist ein unerträglicher Zustand.

Joachim Herrmann, bei n-tv

„Ich finde, man kann keinem Steuerzahler erklären, dass wir solch eine Partei mit unseren Steuern finanzieren“, sagte auch Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU). Bundesjustizminister Heiko Maas begrüßte Herrmanns Forderung ebenfalls. Er kündigte an, die staatliche Parteienfinanzierung für die Rechtsextremisten „sehr sorgfältig auf den Prüfstand zu stellen“. Das Wichtigste in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus sei eine klare Haltung gegen Hetze, sagte Maas der Rheinischen Post. „Wir alle sind gefordert, unsere Demokratie und unsere Grundrechte entschlossen zu verteidigen.“

1,3 Millionen Euro für die NPD

Parteien bekommen nach dem Gesetz staatliche Unterstützung, wenn sie bei der jüngsten Bundestags- oder Europawahl mindestens 0,5 Prozent oder bei einer Landtagswahl ein Prozent der Stimmen erhielten. Für jede ihrer ersten vier Millionen Stimmen ist es ein Euro, für jede weitere Stimme sind es 83 Cent. Sie erhalten bis zu einer Obergrenze für jeden Euro, der an sie aus Beiträgen oder Spenden geht, 45 Cent. Die NPD hatte 2015 etwa 1,3 Millionen Euro aus staatlichen Mitteln erhalten. Die Partei verfügt über überschaubare Geldmittel, ein Finanzierungsstopp von staatlicher Seite würde sie stark einschränken.

Konflikt mit dem Grundgesetz

Der Parteienforscher Oskar Niedermayer sagte allerdings, eine solche Reform müsste „so formuliert werden, dass sie nicht alle kleinen Parteien in Deutschland trifft – und das ist nicht einfach“, laut tagesschau.de. Grundsätzlich stünden diese Überlegungen mit einem zentralen Prinzip des Grundgesetzes in Konflikt: „Es ist im Grundgesetz ja gerade so eingerichtet, dass der Gesetzgeber Mitbewerber nicht von Vorteilen des Parteien-Status ausschließen kann“, erläuterte Niedermayer. Insofern sei ein solcher Ausschluss nach Gesinnung problematisch. Allerdings hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil genau diesen Hinweis selbst gegeben.

Linke beurteilt Ausschluss „politisch zweifelhaft“

Die Linkspartei sprach sich deutlich gegen einen Ausschluss der NPD von der Parteienfinanzierung aus. „Wenn man versuchen würde, so einen politischen Konkurrenten aus dem Weg zu räumen, das wäre politisch zweifelhaft“, sagte der Innenpolitiker Frank Tempel. Der Bundestagsabgeordnete gab zu bedenken, dass eine solche gesetzliche Regelung in Zukunft auch andere Parteien treffen könnte. „Man weiß ja auch nicht, in welcher politischen Konstellation wir in zehn Jahren darüber reden“, sagte Tempel. Er fürchtet womöglich auch um die eigenen Finanzen, denn Teile der Linkspartei, die „Kommunistische Plattform“, die „Sozialistische Linke“ und die „Arbeitsgemeinschaft Cuba Sí“ werden vom Verfassungsschutz als „offen extremistisch“ eingestuft. Auch die Parteizusammenschlüsse „Antikapitalistische Linke“ und „Geraer/Sozialistischer Dialog“ sowie die von der Linken nicht anerkannten aber dennoch innerhalb der Partei aktiven Gruppierungen „marx21“ und „Marxistisches Forum“ finden sich im Verfassungsschutzbericht 2015 wieder.

Auf EU-Ebene sehen Linkspolitiker das allerdings etwas anders. „Wenn man Nazis Geld gibt, kommt nichts Gutes dabei heraus“, sagte die Fraktionschefin der linken Parteien im EU-Parlament, Gabi Zimmer. Sie verwies auf Zuwendungen durch das Parlament für die „Allianz für Frieden und Freiheit“ in Höhe von fast 420.000 Euro in diesem und 400.000 Euro im vergangenen Jahr. In der „Allianz“ sind neben Mitgliedern der NPD auch Anhänger der rechtsextremen Partei Goldene Morgenröte aus Griechenland organisiert.

Keine Mythenbildung und Bunkermentalität

Trotz der Niederlage für die deutschen Bundesländer bezeichnete es Bayerns Innenminister Herrmann als “absolut richtig und konsequent, nach Karlsruhe zu gehen und den Verbotsantrag zu stellen”. Das Gericht habe jetzt auf immerhin knapp 300 Seiten dargelegt, dass die NPD eine verfassungsfeindliche Partei sei. “Karlsruhe hat klar gemacht: Mit unserer Verfassungsordnung sind diese Partei und ihre Ziele nicht vereinbar”, sagte Herrmann. So könne jetzt auch kein Zweifel mehr daran bestehen, dass Anhänger und Funktionäre der NPD im Öffentlichen Dienst nichts zu suchen hätten.

Karlsruhe hat klar gemacht: Mit unserer Verfassungsordnung sind diese Partei und ihre Ziele nicht vereinbar.

Joachim Herrmann

Dass die NPD von dem Scheitern des Verbotsfahrens profitieren könnte, schloss der Chemnitzer Extremismusforscher Tom Thieme aus. „Ich sehe wegen des Nicht-Verbotes keine besseren Perspektiven für die NPD, im Gegenteil. Bei einem Verbot hätte sie sich zum Märtyrer verklären können und ihre Bunkermentalität gestärkt“, sagte Thieme der Deutschen Presse-Agentur. So aber werde die Mythenbildung verhindert – von Mundtotmachen könne nun keine Rede sein.

Die Partei ist nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers und Rechtsextremismus-Experten Hans-Joachim Funke immer noch gefährlich. „Trotz aller Veränderungen, trotz AfD und Pegida in allen Schattierungen: Die NPD ist weiter ein zentrales intaktes Netzwerk Rechtsaußen“, sagte Funke der Zeitung Neues Deutschland. „Die Anfeindungen gegen Flüchtlinge sowie andere Minderheiten, mit denen sich jetzt aktuelle Kräfte hervortun, sind von der NPD initiiert und angestachelt worden.“ Thüringens Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) geht aber davon aus, dass die NPD trotz ihrer vom Gericht in Karlsruhe festgestellten aktuellen Schwäche weiter vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Für das Verbotsverfahren waren bundesweit V-Leute aus NPD-Führungsgremien abgezogen worden. Es werde in Zukunft mehr Anstrengungen der Sicherheitsbehörden bedürfen, rechtsextreme und verfassungsfeindliche Tendenzen zu bekämpfen, bekräftigte der Minister.

Warum kein Verbot der NPD?

Ein Verbot der rechtsextremen Partei wäre leichter zu verkaufen gewesen wäre. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhles Zweiter Senat hat sich der historischen Verantwortung erwartungsgemäß gestellt. Das Ergebnis ist eines der umfangreichsten Urteile in der Geschichte des Gerichts, 298 Seiten lang, selbst das Verlesen in geraffter Fassung dauerte um die zwei Stunden. Es geht um nichts Geringeres als die Frage, welche Rolle Parteiverbote in der heutigen Demokratie spielen und nach welchen Regeln sie funktionieren. Vor diesem Hintergrund heißt die Botschaft für die Richter nicht: Das NPD-Verfahren ist gescheitert. Sondern, wie Voßkuhle es sagt, das Verfahren habe die Zweifel beseitigt, dass „Parteiverbotsverfahren überhaupt noch praktisch erfolgreich durchführbar sind“.

Kern des Urteils sind die Ausführungen dazu, was ein Parteiverbot rechtfertigen kann – nach Voßkuhles Worten „die schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats“. Hier setzen sich die Richter ausdrücklich ab von den Kriterien, nach denen 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) aufgelöst wurde, indem sie die Hürde hoch hängen: Es reicht nicht, verfassungsfeindliche Ziele zu hegen, solange es keine gewichtigen Anhaltspunkte gibt, dass diese auch zu erreichen sind. Ein Parteiverbot sei „kein Gesinnungs- und Weltanschauungsverbot“.

Im konkreten Fall heißt das: Ja, die NPD tritt die Menschenwürde all derer, die nicht zur ihrer „Volksgemeinschaft“ gehören, mit Füßen. Ja, ihre Ideologie hat Parallelen zum Nationalsozialismus. Aber die NPD hat eben auch nur gut 5000 Mitglieder und ist derzeit in keinem einzigen Landtag vertreten. Sie hat keine Koalitionspartner und nur in ein paar wenigen kleinen Ortschaften großen Einfluss. Chancen zum Umsturz? Voßkuhle: „Das ist bei der NPD nicht der Fall.“

Dass die Richter die NPD so klar als verfassungsfeindlich klassifizieren, kann nach dieser Argumentation aber auch als Warnung gelesen werden: Denn sollte irgendwann der Tag kommen, an dem die Rechtsextremen tatsächlich mit zweistelligen Wahlergebnissen Landtag um Landtag erobern, gäbe es in einem Verbotsverfahren keine Schonung.

dpa/AS