In weiten Teilen Afghanistans herrscht Ruhe, der unter anderem durch die afghanische Armee garantiert wird. Bild: Im November vereidigte die afghanische Armee 700 Rekruten, darunter 14 Frauen. (Foto: Imago/Xinhua)
Abschiebungen

Wer kein Recht auf Asyl hat, muss gehen

Im Jahr 2015 erlebte Deutschland den Zuzug von 2,14 Millionen Menschen – ein Großteil davon sind Kriegsflüchtlinge oder Asylbewerber aus dem Nahen Osten. Gut eine Million Zuwanderer hat Deutschland wieder verlassen. Heute wurden 34 ausreisepflichtige Afghanen per Charterflug nach Kabul abgeschoben, acht davon aus Bayern. Ein Drittel der Abgeschobenen waren verurteilte Straftäter.

Die ersten 34 abgelehnten afghanischen Asylbewerber sind nach einem Nachtflug aus Frankfurt am Main in der afghanischen Hauptstadt Kabul angekommen. Ihr Flugzeug landete um kurz nach 5.00 Uhr Ortszeit am Hamid-Karsai-Flughafen. Dort wurden sie erwartet von viel Polizei, Vertretern der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und des afghanischen Flüchtlingsministeriums. Die Ankunft verlief ruhig. Sie waren per Charterflug von Frankfurt aus per Sammelabschiebung geflogen worden.

Ich hoffe, dass es keine einmalige Aktion ist.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU)

„Darunter befanden sich auch acht Afghanen aus Bayern“, bestätigte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Er kündigte weitere Rückführungen auch nach Afghanistan an und widersprach Kritik an dieser Praxis. Auch CSU-Chef Horst Seehofer begrüßte die Maßnahme. „Und ich hoffe, dass es keine einmalige Aktion ist“, sagte Seehofer in der ARD-Sendung „Farbe bekennen“. „Wir können das Schutzbedürfnis für wirklich Verfolgte nur erfüllen, wenn wir den Missbrauch dieses Asylrechts nicht zulassen“, betonte der Ministerpräsident. In Afghanistan sorgten unter anderem Bundeswehrsoldaten für Sicherheit – daher würde niemand verstehen, wenn es dorthin keine Abschiebungen gäbe.

Zahlreiche Straftäter unter den Abgeschobenen

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nannte die Sammelabschiebung „richtig und notwendig“. Weite Teile Afghanistan seien „hinreichend sicher“, Anschläge der Taliban richteten sich ausschließlich gegen Sicherheitskräfte und nicht gegen die Zivilbevölkerung. Er erklärte, bei den 34 Abgeschobenen habe es sich ausschließlich um junge Männer gehandelt. Ein Drittel der Abgeschobenen sei Straftäter, die unter anderem wegen Totschlag, Vergewaltigung, Raub, Diebstahl und Drogendelikten verurteilt wurden. Ein Teil sei direkt aus Strafhaft abgeschoben worden. Eigentlich hätten 50 Afghanen abgeschoben werden sollen, einige seien aber vor der Abschiebung untergetaucht. Dies werde „Konsequenzen“ haben, kündigte de Maizière an.

Solche Rückführungsaktionen sind richtig und notwendig, um das Asylsystem aufrecht zu erhalten.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU)

Schutz für die Berechtigten und Abschiebung der Ausreisepflichtigen seien zwei Seiten derselben Medaille, erklärte der Bundesinnenminister. Sie dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. 3200 Afghanen seien heuer bereits freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt – dies werde man noch stärker fördern. Freiwillige Ausreisen, die in der Regel wöchentlich stattfänden, funktionierten auf Dauer aber nur, wenn diejenigen Ausreisepflichtigen, die sich weigerten, auch unfreiwillig, also gegen ihren Willen abgeschoben würden.

Die Länder seien sehr unterschiedlich konsequent bei der Abschiebung, kritisierte de Maizière. Er kündigte die Gründung eines Bund-Länder-Zentrum für Rückführungen an, in dem Innen-, Außenministerium, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie je ein Vertreter jedes Bundeslandes vertreten sein sollen.

Bundeswehr und deutsche Soldaten sorgen für Sicherheit in Afghanistan

Bayerns Innenminister Herrmann verteidigte die Abschiebungen. Bedrohungen durch radikale Kräfte gebe es in vielen Teilen der Welt. Afghanische Sicherheitskräfte sorgten aber mit Unterstützung deutscher Bundeswehrsoldaten und Polizisten für die Sicherheit der dort lebenden Menschen und für eine weitere Stabilisierung des Landes.

„Das rechtfertigt auch eine Rückführung abgelehnter Asylbewerber in gesicherte afghanische Provinzen“, betonte Herrmann. Das hätten das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium übereinstimmend festgestellt. Seehofer sagte, radikale Kräfte in Deutschland hätten nur dann keinen Erfolg, wenn abgelehnte Asylbewerber auch in ihre Länder zurückkehren müssten.

An dem ersten Sammelcharterflug beteiligten sich nach Herrmanns Angaben neben Bayern auch Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Hamburg und das Saarland. Abschiebungen nach Afghanistan werden von Asyl-Vereinen sowie linken Parteien und Medien kritisiert, weil es in einigen Teilen des Landes Kämpfe zwischen Regierungstruppen und radikalislamischen Taliban-Rebellen gibt und es immer wieder zu Anschlägen kommt.

Einer der Afghanen hatte Erfolg in Karlsruhe

Das Bundesverfassungsgericht stoppte kurz vor dem Start der Chartermaschine die Abschiebung eines abgelehnten Asylbewerbers nach Afghanistan. Dabei sei die Frage, ob Abschiebungen nach Afghanistan generell verfassungsrechtlich vertretbar sind, offengelassen worden, teilte das Gericht mit. Die Entscheidung beruhe allein auf einer Folgenabwägung. Der 29-Jährige könne auch zu einem späteren Termin abgeschoben werden, sein Asylverfahren könne er nach einer Abschiebung aber kaum noch fortführen. (Az. 2 BvR 2557/16)

Am Frankfurter Flughafen protestierten mehrere Hundert Demonstranten gegen die Abschiebung. Kritik kam auch von der Opposition und Nichtregierungsorganisationen wie Pro Asyl. Demonstranten trugen Schilder und skandierten Parolen. Der linke Verein „Pro Asyl“ appellierte an die Grünen in den Landesregierungen, Sammelabschiebungen von nicht als Asylbewerber anerkannten Afghanen zu verhindern.

Zuwanderer-Rekord 2015

Im Jahr 2015 sind 2,14 Millionen Menschen nach Deutschland zugewandert – das ist die höchste Zahl seit der Zeit der Heimatvertreibungen von Deutschen im Osten unmittelbar nach den Zweiten Weltkrieg. Das geht aus dem Migrationsbericht des BAMF hervor, den das Bundeskabinett verabschiedete. Zum Vergleich: 2014 waren „nur“ 1,46 Millionen Zuwanderer ins Land gekommen, allerdings war schon dies die höchste Zahl seit 1992.

Im Gegenzug verließen 2015 auch knapp eine Million Menschen die Bundesrepublik – das ist ebenfalls eine Rekordzahl. Damit lag die Netto-Einwanderung bei 1,14 Millionen Menschen – doppelt so viel wie 2014.

Flüchtlingskrise war der Grund für die Massenzuwanderung

Diese Massenzuwanderung ist vor allem auf die faktische Grenzöffnung und die hunderttausenden Flüchtlinge zurückzuführen. 890.000 Asylbewerber kamen 2015 nach Deutschland, mehr als ein Drittel von ihnen (rund 350.000) kamen nach eigenen Angaben aus Syrien, dahinter lag Afghanistan (rund 100.000) und der Irak (rund 75.000). Danach lagen die mittlerweile zu sicheren Herkunftsländern erklärten Staaten Albanien, Serbien und das Kosovo. Dahinter indes lag die Türkei.

Fast die Hälfte der Zuwanderer, 45 Prozent, waren EU-Binnen-Migranten. Hier liegt Rumänien als Herkunftsland an der Spitze, dahinter lagen Polen, Bulgarien, Italien, Kroatien, Ungarn und Spanien. Allerdings sind in diese Länder auch sehr viele Menschen wieder zurückgegangen. Sechs Prozent der statistisch erfassten Zuwanderer waren Deutsche, die von einem Auslandsaufenthalt zurückkehrten.

21 Prozent der Bevölkerung sind Zuwanderer

In Deutschland leben laut dem Zuwanderungs-Bericht rund 17,2 Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte. Das sind 21 Prozent der Gesamtbevölkerung und 1,8 Millionen Menschen mehr als 2014. Etwa die Hälfte von ihnen besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft. Die meisten Zuwanderer stammen aus der Türkei. Dahinter liegen Spätaussiedler aus Polen und Russland.

Zuwanderer, die seit Anfang 2013 nach Deutschland gekommen sind und einen Job gefunden haben, verdienen nach einem Zeitungsbericht etwa doppelt so viel wie in ihrer Heimat. Im Durchschnitt seien es 1122 Euro netto im Monat, berichtet die Rheinische Post unter Berufung auf einen Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Demnach verdienten die Zuwanderer vor dem Zuzug im Durchschnitt 555 Euro im Monat.

(dpa/wog)