Rund zwei Monate haben SPD, Grüne und Linkspartei in Berlin verhandelt – herausgekommen sind volle 250 Seiten Koalitionsvertrag. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), die grüne Fraktionsvorsitzende Ramona Pop und der Landesvorsitzende der SED-Nachfolger, Klaus Lederer, stellten das Konvolut vor. Das auffälligste Ergebnis: Trotz der verfassungsrechtlich geltenden Schuldenbremse erhöht Berlin die Verschuldung massiv. Das geht mit einem Trick: Rot-Rot-Grün zwingt die landeseigenen Tochterfirmen – von der Messe bis zu den Verkehrsbetrieben – sich hoch zu verschulden, teilweise in Höhe von mehreren Milliarden Euro. Das Geld fließt in die Landeskasse. Die Laufzeit der Kredite soll mehrere Jahrzehnte betragen.
Der neue Senat handelt wie eine Heuschrecke.
Kommentar in der „Welt“
Die Welt erinnert dieses Vorgehen an die Handlungsweise der gefürchteten „Heuschrecken“-Konzerne: „Der neue Senat handelt wie eine Heuschrecke, wie ein Unternehmensaufkäufer, der die erworbene Firma mit hohen Krediten und Hypotheken belegt, um den Kaufpreis zu zahlen und Geld für weitere Zukäufe herauszuschinden. Ein waghalsiges Unterfangen – ja ein Vabanquespiel.“ Die Messe GmbH solle sogar den städtischen Grund und Boden, auf dem die Gebäude stehen, übertragen bekommen – nur damit sie ihn für hohe Hypotheken einbringen kann.
Soziale Wohltaten, Fußgängerwege und Verstaatlichung
Finanziert werden damit, typisch für linke Regierungen, erst einmal staatliche Wohltaten und Gängelungen für alle, die etwas besitzen: Der Hartz-IV-Mietzuschuss wird massiv erhöht, die Mietpreisbremse für städtische Wohnungen wird verschärft, die Bedarfsprüfung für Kindergartenplätze soll wegfallen, der Eintritt in die städtischen Museen soll kostenlos werden. Gleichzeitig plant Rot-Rot-Grün auch seit Jahren überfällige Investitionen in marode Infrastruktur wie zerfallende Schulen, öffentlichen Nahverkehr, Polizeistationen, Bäder sowie Straßen. Allerdings schimmert auch hier die Ideologie durch: Vor allem sollen nämlich die wirtschaftlich unbedeutenden Wege für Rad- und Fußgängerverkehr ausgebaut werden. Damit wird gleichzeitig der Autoverkehr weiter behindert, wichtige Verkehrsadern rückgebaut und die Stadt dadurch provinzialisiert, wie die Welt meint.
Drittens will Rot-Rot-Grün die privatisierte Wasser-, Strom- und Gasversorgung zurückkaufen, was sehr teuer werden dürfte. Der neue Senat handele sich damit „wieder alle Nachteile ein, die mit der Privatisierung beseitigt werden sollten – von der Investitionsträgheit staatlicher Monopolbetriebe und den unflexiblen Preisstrukturen bis zur Vergabe von Leitungsfunktionen anhand des Parteibuchs“, meinte die Welt dazu. Der Kommentator vermutet, dass diese Käufe auf Pump finanziert werden – oder aber, dass die neuen Tochterfirmen zwar regulär aus dem Budget gekauft, aber dann ebenfalls mit hohen Schulden belastet werden sollen.
6000 Neueinstellungen im öffentlichen Dienst
Gleichzeitig plant Rot-Rot-Grün mit dem Schulden-Geld eine starke Aufblähung des Beamtenapparats. So kündigte Linken-Landeschef Lederer bis zu 6000 Neueinstellungen pro Jahr im öffentlichen Dienst an. 4500 davon werden jedes Jahr altersbedingt ausgetauscht, 500 bis 1500 sollen neu geschaffen werden. Zudem soll die Beamtenbesoldung erhöht werden. Der künftige Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) sagte in der B.Z., der öffentliche Dienst werde wieder „der größte Nachfrager auf dem Berliner Arbeitsmarkt“. Und das mitten in wirtschaftlichen Boom-Jahren, in denen ohnehin Fachkräftemangel herrscht. Sehr viel Geld wird auch die Flüchtlings-Unterbringung und -Betreuung verschlingen.
Die Verwaltung ist heillos überfordert.
Einen Sinn könnten diese Beamten-Neueinstellungen ergeben, wenn danach die bislang heillos überforderte städtische Verwaltung effektiver arbeiten würde. Bisher mussten die Bürger schon für simple Verwaltungsvorgänge wie An- und Ummeldungen teilweise mehrere Monate warten oder sie wurden auf abgelegene Bürgerämter verwiesen, die weniger Wartezeit hatten. Der Beamtenapparat ist überaltert, der Krankenstand hoch. Nachteilig wirken sich die neuen staatlichen Jobs in jedem Fall auf die Pensionslasten aus.
Außerdem ist der Bau von 55.000 neuen Wohnungen sowie die Neueinstellung von 1400 Polizisten geplant. Allerdings hatte schon der scheidende Innensenator Frank Henkel (CDU) mehrere tausend neue Polizisten eingestellt. Gleichzeitig lehnt Rot-Rot-Grün zusätzliche Überwachungskameras an neuralgischen Punkten ab, was die innere Sicherheit wieder untergräbt. So konnte der spektakulärste Kriminalfall der letzten Jahre in Berlin, der des Kinderentführers und -mörders Silvio S., nur durch Aufnahmen einer privaten (!) Überwachungskamera aufgeklärt werden.
Zehn statt bisher acht Senatoren
Personell wird die Landesregierung von acht auf zehn Senatoren-Posten aufgeblasen, denn drei Koalitionäre wollen versorgt sein. Das bisher dem Bürgermeister unterstehende Kulturamt wird selbständig – ein repräsentativer Posten für Linken-Landeschef Lederer. Die grüne Ramona Pop wird Wirtschaftssenatorin. Umgekehrt versucht der blasse SPD-Bürgermeister Müller, mit der Zuständigkeit für Wissenschaft etwas Glanz in sein Amt zu lenken.
Signale des Verhinderns und Behinderns von Zukunftschancen.
Florian Graf, Berliner CDU-Fraktionschef, zum Programm von Rot-Rot-Grün
„Das Linksbündnis setzt Signale des Verhinderns und Behinderns von Zukunftschancen“, fasst der neue CDU-Fraktionschef Florian Graf das Programm von Rot-Rot-Grün zusammen. „Rot-Rot-Grün scheitert schon mit dem Koalitionsvertrag am eigenen Anspruch des Aufbruchs.“ Statt einer überspannenden Idee für die wachsende Metropole Berlin vorzulegen, erschöpfe sich die detailverliebte 250-Seiten Vereinbarung im Klein-Klein, so der CDU-Fraktionsvorsitzende.
Jede Parteiströmung wird ideologisch eingekauft
Das Credo der CDU sei seriöse Haushaltspolitik nach dem Motto „Sparen und Gestalten“ gewesen. Dies aber werde nun „über Bord geworfen, um jede Parteiströmung einzukaufen und Ideologie – etwa im Bereich Bildung oder Verkehr – zu finanzieren. Es wird wahr: Stillstand bedeutet Rückschritt“, prognostiziert CDU-Fraktionschef Graf. „Die Wünsch-Dir-was-Politik der neuen Koalitionäre steht schon heute im Verdacht, die wirtschaftliche Gesundung und die weltstädtische Entwicklung Berlins zu hemmen.“ Auch in personeller Hinsicht sei „kein Signal des Aufbruchs, der Einbindung neuer Ideen oder der Öffnung neuer Netzwerke erkennbar“. Die Zusammenfassung des Oppositionsführers: „Impulslos, hoffnungslos, trostlos – ich hoffe nicht, dass es das Motto der rot-rot-grünen Koalition ist.“