Signal gegen den Terror
Die Salafistengruppe "Die wahre Religion", die den Koran bei Aktionen in Deutschland verteilte, ist ab sofort verboten. Innenminister Herrmann begrüßt das Verbot: "Wir dulden nicht, dass Islamisten bei uns zu Hass aufrufen". Zudem geht die Polizei mit einer Großrazzia in ganz Deutschland gegen Unterstützer der Terrormiliz IS vor.
Salafisten-Verbot

Signal gegen den Terror

Die Salafistengruppe "Die wahre Religion", die den Koran bei Aktionen in Deutschland verteilte, ist ab sofort verboten. Innenminister Herrmann begrüßt das Verbot: "Wir dulden nicht, dass Islamisten bei uns zu Hass aufrufen". Zudem geht die Polizei mit einer Großrazzia in ganz Deutschland gegen Unterstützer der Terrormiliz IS vor.

Mit einer Großrazzia in Bayern und neun weiteren Bundesländern ist die Polizei gegen mutmaßliche Unterstützer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vorgegangen. Hunderte Polizisten durchsuchten mehr als 200 Wohnungen und Büros von Organisatoren und Anhängern der radikal-salafistischen Vereinigung „Die wahre Religion“. Sie steht hinter den umstrittenen Koran-Verteilaktionen „Lies!“ in deutschen Städten. In Bayern waren 240 Polizeibeamte im Einsatz, die 34 Objekte durchsuchten. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, der angebliche religiöse Zweck der Verteilaktionen sei nur vorgeschoben gewesen.

Tatsächlich war die verbotene Vereinigung jedoch ein Sammelbecken dschihadistischer Islamisten.

Joachim Herrmann, bayerischer Innenminister

Vereinsverbote durchsetzen

Salafisten vertreten einen am Koran orientierten, besonders konservativen angeblichen „Ur-Islam“, lehnen westliche Demokratien ab und wollen eine Ordnung mit islamischer Rechtsprechung, der Scharia. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte „Die wahre Religion“ und deren Koran-Verteilaktionen in Fußgängerzonen verboten. Er sprach von einem „klaren Signal“ im Kampf gegen islamistischen Terror. Die Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums vom 15. November gilt ab sofort.

Deutschland ist eine wehrhafte Demokratie. Für radikale, gewaltbereite Islamisten ist kein Platz in unserer Gesellschaft.

Thomas de Maizière, Bundesinnenminister

Herrmann begrüßte das Verbot und betonte: „Wir dulden nicht, dass Islamisten bei uns zu Hass, Gewalt und Intoleranz aufrufen. Wo immer Vereinsverbote möglich sind, werden wir auch davon Gebrauch machen.“ In der Öffentlichkeit trat „Die wahre Religion“ in erster Linie mit sogenannten Lies!-Ständen auf, an denen vordergründig Koranübersetzungen an Nicht-Muslime kostenlos verteilt wurden. Die Islamisten hätten so Personen für den bewaffneten Dschihad („Heiliger Krieg“) der IS-Barbaren in Syrien und im Irak rekrutiert. Bisher sind nach Informationen aus Sicherheitskreisen mindestens 140 „Lies!“-Aktivisten und Unterstützer aus Deutschland nach Syrien und in den Irak gereist, um sich der IS-Terrormiliz anzuschließen. „Dem schieben wir nun einen Riegel vor“, sagte Herrmann. Zielgruppe, Sympathisanten, Anhänger und Funktionäre waren insbesondere junge, teilweise sogar noch minderjährige Personen.

Privatwohnungen in Bayern im Fokus

Schwerpunkte der Polizeieinsätze am 15. November waren Hessen mit knapp 65 Durchsuchungen sowie Nordrhein-Westfalen und Bayern mit jeweils fast 35 Polizeiaktionen. Im Freistaat durchsuchten die Einsatzkräfte elf Objekte in Oberbayern, zwei in Oberfranken, zehn in Mittelfranken, eines in Unterfranken und zehn in Schwaben. Sie stellten Datenträger und weitere Beweismittel sicher. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurden in Bayern nur Privatwohnungen durchsucht. In anderen Ländern waren auch Büros dabei, in Baden-Württemberg und Hamburg lagen auch Durchsuchungsbeschlüsse gegen jeweils einen Moschee-Verein vor.

Vorwurf: Verherrlichung des Terrors

Vor einer Woche war den Behörden ein Schlag gegen Top-Islamisten geglückt. Die Bundesanwaltschaft hatte unter anderem den als Chefideologen der deutschen Salafisten-Szene bekannten 32-jährigen Iraker Abu Walaa festgenommen. Bei der aktuellen Aktion ging es nach dpa-Informationen hingegen vielmehr darum, Vereinsvermögen zu beschlagnahmen und Beweismittel sicherzustellen. Zudem wollten die Behörden ein weiteres Zeichen gegen die Aktionen der Radikal-Salafisten setzen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz beziffert die Zahl radikal-islamistischer Salafisten in Deutschland bis Ende Oktober auf 9200 – Tendenz steigend. Das Potenzial islamistisch-terroristischer Personen wird auf etwa 1200 Männer und Frauen geschätzt. Bis Ende vergangenen Monats waren nach Angaben der Sicherheitsbehörden 870 Menschen aus der Bundesrepublik in die IS-Kriegsgebiete in Syrien und im Irak ausgereist. Darunter waren etwa 20 Prozent Frauen.

Kein Missbrauch des Islams

Die Behörden halten „Die wahre Religion“ für verfassungswidrig und gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet. Der Verfassungsschutz wirft führenden Akteuren und Sympathisanten vor, den bewaffneten Dschihad und Terroranschläge zu verherrlichen. Zudem habe die Vereinigung ein bundesweites Rekrutierungs- und Sammelbecken für Dschihadisten aufgebaut.

Das Verbot der salafistischen Vereinigung ziele nicht auf die Verbreitung des islamischen Glaubens oder die Verteilung von Koranen oder deren Übersetzungen, hieß es weiter. Verboten werden solle lediglich der Missbrauch des Islam durch Aktivisten, die extremistische Ideologien propagierten oder Terrororganisationen unterstützten. Unter anderem werde jede Betätigung für den Verein, die Teilnahme an Koran-Verteilaktionen von „Lies!“ sowie die Verbreitung von Videos im Internet verboten.

„Keine falsche Toleranz“

Düzen Tekkal, Fernsehjournalistin und Autorin, forderte bereits im Interview mit dem Bayernkurier eine Möglichkeit, gegen Lies!-Aktionen vorgehen zu können: „Es ist erwiesen, dass 20 Prozent der IS-Kämpfer über diese Verteilaktionen rekrutiert worden sind. Dann müssen wir auch über Handhabungen nachdenken, dass wir Hassprediger, die dieses Gedankengut säen, auch dafür belangen können.“ Im aktuellen Interview „Leistungsprinzip statt soziale Hängematte“ spricht Tekkal über die Gräuel des IS, Islamkritik, das Treffen mit der Bundeskanzlerin und die Begrenzung der Zuwanderung.