Bei der Konstituierung des 18. Deutschen Bundestags 2013 versammelten sich 630 Abgeordnete im Plenarsaal. 2017 könnte es mit bis zu 750 Abgeordneten nochmals deutlich enger werden. (Foto: Imago/Stefan Zeitz)
700 Abgeordnete?

CSU fordert Wahlrechts-Reform

Die Wahlrechtsreform von 2012/13 hat einen entscheidenden Nachteil: Wenn es viele Überhangmandate gibt, bläht sich der Umfang des Bundestags auf, weil alle Überhangmandate komplett mit Ausgleichsmandaten kompensiert werden. Wenn 2017, wie erwartet, sieben Parteien einziehen, droht ein Bundestag mit mehr als 700 Abgeordneten. Daher fordert die CSU eine abermalige Überarbeitung des Wahlrechts.

Mit der Einigung der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen im Oktober 2012 auf ein Ausgleichsmodell wurde nach mehreren Anläufen endlich die Verfassungsmäßigkeit des Wahlrechts gewährleistet. Der komplizierte Kompromiss kam nach langen und zähen Verhandlungen zustande. Das Verfassungsgericht hatte mehrere frühere Modelle gekippt.

Das jetzt gültige Modell sieht vor, alle entstehenden Überhangmandate mit zusätzlichen Ausgleichsmandaten auszugleichen – und zwar so lange, bis sich der aus dem Gesamtwahlergebnis ergebende Proporz entsprechend dem Zweitstimmenergebnis bundesweit wiederhergestellt ist. Problem dabei: Die mit der Wahl 2013 neu eingeführten Ausgleichsmandate können je nach Wahlausgang zu einem deutlich größeren Bundestag führen.

2017: Bundestag mit 700 Abgeordneten droht

Genau dieser Fall droht nun bereits bei der Bundestagswahl im September 2017. Wenn, wie befürchtet, tatsächlich sieben Parteien in den Bundestag einziehen, entfallen weniger Zweitstimmen auf SPD und Union, die aber in der Regel fast alle Direktmandate gewinnen. Dadurch dürfte sich die Zahl der Überhangmandate von Union und SPD in einzelnen Ländern nochmal deutlich erhöhen, und diese müssten dann wiederum für die anderen Parteien ausgeglichen werden. Die Bild-Zeitung beispielsweise präsentierte Modellrechnungen, denen zufolge der Bundestag auf bis zu 750 Abgeordnete aufgebläht wird. Regulär wären es 598 Abgeordnete, im Moment – seit der Wahl 2013 – sind es 630.

Eine Wahlrechtsreform ist unbedingt erforderlich. Hier geht es auch um die Akzeptanz der Bevölkerung.

Max Straubinger

Dass es mit 750 Abgeordneten im Plenarsaal ziemlich eng wird, dürfte dann noch das kleinste Problem sein, denn jedem Parlamentarier stehen ein Büro nebst Vorzimmer, zwei bis drei Angestellte und einige weitere Rechte wie zwei Berlin-Besuchsfahrten aus dem Wahlkreis zu – und das zusätzlich zu den Diäten. Auf den Steuerzahler kämen also unverhältnismäßig hohe Kosten zu.

CSU will Verzicht auf kompletten Ausgleich der Überhangmandate

Daher fordert die CSU-Landesgruppe eine erneute Überarbeitung des Wahlrechts mit dem Ziel einer Deckelung der Mandate. „Eine Wahlrechtsreform ist unbedingt erforderlich. Hier geht es auch um die Akzeptanz der Bevölkerung: Deutschland hat bereits ein sehr großes Parlament“, erklärt der Parlamentarische Geschäftsführer (PGF) der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Max Straubinger. So hat etwa die USA bei einer Bevölkerung von 318 Millionen ein Repräsentantenhaus mit 435 direkt gewählten Abgeordneten und einen Senat mit 100 Senatoren. Im Einzelnen fordert Straubinger daher einen Verzicht auf den hundertprozentigen Ausgleich aller Überhangmandate.

„Da wir nun einmal eine Vermengung von Mehrheits- und Verhältniswahlrecht haben, muss man akzeptieren, dass es Überhangmandate gibt. Das ist auch in Ordnung. Es ist aber geboten, diese Zahl zu begrenzen. Deshalb sollten nicht alle Überhangmandate ausgeglichen werden“, so der PGF der CSU-Landesgruppe. Zum Hintergrund erklärt Straubinger: „Die reguläre Größe des Deutschen Bundestages wird nach der Anzahl der Wahlkreise berechnet. Deshalb sollte die Zahl von 598 Mandaten so weit wie möglich eingehalten werden.“

Bund der Steuerzahler fordert Begrenzung auf 500 Sitze

Ganz ähnlich sieht dies der Bund der Steuerzahler (BdSt), dem es vor allem um die Kosten geht. Allerdings geht der Verband, dessen Hauptziel die grundsätzliche Reduzierung staatlicher Ausgaben ist, noch weiter als die CSU und fordert pauschal eine Obergrenze von 500 Abgeordneten, wie sie etwa für den alten Bundestag vor der Wiedervereinigung galt (496). Für die Steuerzahler wären mit einer drohenden Aufblähung auf 750 Abgeordnete massive Mehrkosten von jährlich mindestens 70 Millionen Euro verbunden – ohne dass die parlamentarische Arbeit automatisch an Qualität gewänne oder die Demokratie gestärkt würde, heißt es in einer Erklärung des Verbandes.

Das geltende Wahlrecht ist ein Würfelspiel für die Bürger.

Bund der Steuerzahler

„Das geltende Wahlrecht ist ein Würfelspiel für die Bürger: Der Wähler weiß bei seiner Stimmabgabe nicht, wie groß der Bundestag sein wird“, kritisiert BdSt-Präsident Reiner Holznagel. „Das Wahlrecht muss endlich kalkulierbar gemacht werden.“ Als weitere Vorteile eines kleineren Parlaments führt Holznagel an: „Es geht auch um Effizienz: Organisatorische Abläufe werden straffer, Abgeordnete erhalten mehr Einfluss, die Verwaltung wird nicht aufgebläht.“

Völlige Abschaffung der „unsäglichen Ausgleichsmandate“ gefordert

Um den Bundestag zu verkleinern, könnten etwa die Wahlkreise neu zugeschnitten und die Anzahl reduziert werden, so der BdSt. Vor allem – und da deckt sich der Ansatz des BdSt mit dem der CSU – sollten die mit der Wahl 2013 eingeführten Ausgleichsmandate komplett entfallen, weil sie lediglich teure Abgeordneten-Sitze ohne parlamentarischen Mehrwert hervorbringen. „Ein überdimensionierter Bundestag blockiert sich in seiner Arbeit selbst“, betont der BdSt-Präsident. „Schluss mit den unsäglichen Ausgleichsmandaten. Genau diese lukrativen Zusatz-Mandate sind vor allem schuld daran, dass die Bundestagsparteien eine grundlegende Reform des Wahlrechts scheuen.“

Wie der BdSt weiter vorrechnet, belaufen sich im Jahr 2016 die wesentlichen mandatsbezogenen Kosten (Entschädigung, Kostenpauschale, Mitarbeiterpauschale, Sachleistungskonto, Dienstreisen, Bahncard und Fraktionskostenzuschüsse) für die derzeit 630 Abgeordneten auf 408 Millionen Euro. Im Jahr 2014 summierten sich dieselben Kostenblöcke noch auf 347 Millionen Euro, 2009 lagen sie bei 322 Millionen Euro. Wichtig im Zusammenhang mit der Diskussion um die Aufblähung des Bundestags ist folgende Zahl: Allein die 29 Ausgleichsmandate der Wahl 2013 verursachen jährliche Kosten in Höhe von mindestens 15 Millionen Euro.

(PM/wog)