Bundesinnenminister Horst Seehofer stellt ein Maßnahmenpaket gegen Antisemitismus vor. (Foto: Imago Images/Florian Gärtner)
Halle

Sechs Punkte gegen Judenfeinde

Mit einem Maßnahmenpaket will Bundesinnenminister Horst Seehofer den Antisemitismus in Deutschland bekämpfen. Vorgesehen sind unter anderem deutlich mehr Personal für BKA und Verfassungsschutz sowie eine Meldepflicht für Hasskommentare im Netz.

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat im Bundestag einen sechs-Punkte-Pan zur Bekämpfung von Antisemitismus vorgestellt. Zu den Maßnahmen gehören ein besserer polizeilicher und baulicher Schutz für jüdische Einrichtung und eine personelle Aufstockung der Sicherheitsbehörden. Beim Bundeskriminalamt und Bundesverfassungsschutz sollen Hunderte neue Stellen geschaffen werden, sagte Seehofer.

Zu dem Paket gehören außerdem eine Meldepflicht von Hass und Hetze im Netz, Vereinsverbote, ein schärferes Waffenrecht und mehr Prävention. Seehofer kündigte an, seine Pläne am Freitag mit den Innenministern der Länder beraten zu wollen. „Der Antisemitismus ist in Teilen unserer Gesellschaft verankert“, betonte der Innenminister. Dies sei eine grosse Herausforderung für die Sicherheitsbehörden.

Scharfe Kritik an der AfD

In der Bundestagsdebatte griffen Abgeordnete der Union sowie von SPD, FDP und Grünen die AfD scharf an. Auslöser war der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestags, Stephan Brandner (AfD). Er hatte unter anderem auf Twitter die Nachricht eines anderen Nutzers weiterverbreitet. Dieser hatte geschrieben, die Opfer von Halle seien „eine Deutsche, die gerne Volksmusik hörte“ und „ein Bio-Deutscher“ gewesen. „Warum lungern Politiker mit Kerzen in Moscheen und Synagogen rum?“

Seehofer attackiert Gauland

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wandte sich direkt an den AfD-Fraktionschef Alexander Gauland: „Ich fordere Sie einfach auf: Distanzieren Sie sich von solchen Äußerungen.“ Gauland weigerte sich jedoch strikt, dies zu tun.

Der Anschlag hat das bedrohliche Ausmaß rechtsextremer Gewaltbereitschaft offenbart.

Wolfgang Schäuble

„Der Anschlag hat das bedrohliche Ausmaß rechtsextremer Gewaltbereitschaft offenbart, erneut“, sagte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Der CDU-Politiker wies auf alltäglichen Antisemitismus und die Angst vieler Juden hin, ihren Glauben in Deutschland öffentlich zu zeigen. Das sei „beschämend für unser Land“. Die Versäumnisse im Kampf gegen Rechtsextremismus müssten aufgearbeitet, die bestehenden Gesetze bei der Verfolgung besser angewendet werden.

In Halle in Sachsen-Anhalt hatte ein 27-jähriger Deutscher am Mittwoch vergangener Woche versucht, sich mit Waffengewalt Zutritt zu einer Synagoge zu verschaffen. Als er dies nicht schaffte, tötete er eine Passantin und später einen Mann in einem Döner-Imbiss. Er hat die Tat gestanden und rechtsextremistische sowie antisemitische Motive angegeben.

System der Hetze

Vielleicht habe der Täter allein gehandelt, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich. „Aber er wird getragen von einem System der Hetze, des Chauvinismus und des Rechtsextremismus. Und die AfD ist Teil dieses Systems.“ Mitten in den Reihen der AfD säßen Abgeordnete, die „widerliche Kommentare“ über die Opfer des Anschlags verbreitet hätten.

Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte die AfD, weil diese sich nicht von judenfeindlichen Tweets aus den eigenen Reihen distanziere. „Das zeigt das wahre Gesicht der AfD, und das zeigt, dass Sie eben keine demokratische Partei sind.“

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner betonte, der Angriff von Halle sei nicht nur ein Angriff auf eine Gruppe in unserer Gesellschaft gewesen. „Wenn einige sich in unserer Mitte heute nicht mehr sicher fühlen können, dann wird sich morgen niemand mehr in Deutschland sicher fühlen.“ Weder von Gauland noch aus seiner Fraktion habe es eine Distanzierung auf die „Entgleisungen auf Twitter“ gegeben. „Hier gilt: Wer schweigt, stimmt zu.“

Rechtsausschuss gegen AfD-Mitglied

Wegen der Tweets zum Anschlag von Halle hat sich der Rechtsausschuss des Bundestags offen gegen Brandner gestellt. „Sie sind nicht geeignet, diesen Ausschuss zu führen“, heißt es in einer Erklärung, welche die Grünen-Obfrau Manuela Rottmann am Mittwoch im Ausschuss verlas – ausdrücklich auch im Namen von CDU/CSU, SPD, FDP und Linker. Mit seinen Aussagen habe Brandner eine Grenze überschritten, sagte Rottmann. „Und diese Grenze trennt Sie von uns, vom demokratischen Deutschland.“

Kein Beamtenstatus für „Flügel“-Anhänger?

Am Freitag wollen die Innenminister von Bund und Ländern über den Beamtenstatus von Anhängern des rechtsnationalen Flügels der AfD diskutieren. Das teilte ein Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums in Hannover am Donnerstag auf Anfrage mit. Zuvor hatte die „Rheinische Post“ aus einer entsprechenden Beschlussvorlage von Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) zur Vorbereitung der Sondersitzung zitiert.

In dem Papier heißt es dem Bericht zufolge: „Viele Anhänger des sogenannten ‚Flügels‘ der AfD zeigen mit ihren rassistischen und teils hetzerischen Äußerungen offen, dass sie das Fundament und die Werte unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung ablehnen.“ Und weiter: „Wer sich daher als Beamter offen zum ‚Flügel‘ bekennt, dem sollte bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der Beamtenstatus aberkannt werden.“

Der Flügel der AfD wird vom Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ im Bereich des Rechtsextremismus eingestuft.

(BK/dpa)