Der Hepatitis B-Virus in einer Illustration. (Foto: imago/Science Photo Library)
Gesundheit

Dreimal mehr Hepatitis-B-Fälle in Bayern

In Deutschland tauchen plötzlich wieder selten gewordene Infektionskrankheiten vermehrt auf – beispielsweise Hepatitis-B, Tuberkulose und Krätze. Allein die Zahl der Hepatitis-B-Fälle in Bayern hat sich heuer beinahe verdreifacht. Nach Angaben des Landesamtes für Gesundheit in Erlangen (LGL) sei die Zunahme von Asylsuchenden ein Grund für den deutlichen Anstieg.

Seltene und schwere Infektionskrankheiten, die in Europa ausgerottet waren oder die die moderne Medizin weitgehend unter Kontrolle hielt, tauchen plötzlich vermehrt wieder auf – beispielsweise Hepatitis-B, Tuberkulose und Krätze. Ärzte und Gesundheitsbehörden sind alarmiert und rufen zu Impfungen auf. Die jüngste Meldung: Die Zahl der Hepatitis-B-Fälle in Bayern hat sich heuer beinahe verdreifacht. Von Anfang Januar bis Mitte August wurden nach Angaben des Landesamtes für Gesundheit in Erlangen (LGL) heuer bereits 609 Fälle registriert – im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es nur 211 Fälle.

Eine LGL-Sprecherin sagte, ein Grund für den deutlichen Anstieg der Hepatitis-B-Fälle sei die Zunahme von Asylsuchenden. Diese würden in Bayern routinemäßig auf Hepatitis B getestet. Dabei würden viele teils auch länger zurückliegende Infektionen entdeckt, welche die Menschen bereits in den Heimatländern erworben hätten. Dort gebe es Hepatitis B deutlich häufiger als in Deutschland. 269 der 609 Hepatitis-B-Fälle dieses Jahres in Bayern betrafen Asylsuchende.

Bereits ein Hepatitis-B-Toter in Bayern

Im Februar war ein Flüchtling in Bayern sogar an Hepatitis B gestorben. Das Münchner Gesundheitsamt hatte nicht wie rechtlich vorgeschrieben die für die Unterbringung zuständigen Ämter informiert. Daher lebte der Mann noch fast ein Jahr lang vor allem in einer Gemeinschaftsunterkunft in Geisenfeld (Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm), ohne dass die Betreuer dort von der Infektion mit der hochansteckenden Krankheit wussten.

Die LGL-Sprecherin sagte, eine statistische Ursache für den Anstieg der Hepatitis-B-Fälle sei, dass sich 2015 die Falldefinition für die Meldungen der Krankheit geändert habe. Dadurch würden nun auch Fälle registriert, die zuvor aufgrund fehlender Angaben zu klinischen Symptomen nicht gemeldet wurden.

Weitere Mitbringsel der Flüchtlinge: Tuberkulose und Krätze

Zwei weitere schwere Infektionskrankheiten, die die Medizin in Europa weitgehend besiegt hatte, sind seit der Flüchtlingskrise ebenfalls wieder auf dem Vormarsch: So stieg die Zahl der gemeldeten Tuberkulose-Infektionen in Deutschland binnen eines Jahres (2014-15) von 4533 auf 5865, also ein Zuwachs um 30 Prozent. In Bayern registrierte das LGL, das hier genauere Statistiken führt als der Bund, im Zeitraum Januar bis August 2016 im Vergleich mit demselben Zeitraum im Vorjahr einen Anstieg von 588 auf 683 Fälle, also um rund 15 Prozent.

Auf Bundesebene war nach Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge am 4. September ein starker Anstieg der entdeckten Infektionsfälle mit meldepflichtigen Krankheiten bei Asylbewerbern festzustellen. Die Wochenstatistik des Robert-Koch-Instituts (RKI) weist einen Anstieg bis etwa 300 entdeckte Infektionsfälle pro Woche aus, etwa das Dreifache des Durchschnittswerts. Der Höhepunkt wurde in der zweiten Woche des Jahres 2016 erreicht, also Mitte Januar. Dann nahm die Kurve im Frühjahr – analog zur sinkenden Zahl der Neuankömmlinge – wieder ab, ehe sie sich ab Mitte April auf einen Wert von 100 entdeckten Infektionen pro Woche einpendelt.

Deutlicher Anstieg nach Öffnung der Grenzen

Aufgeschlüsselt nach Krankheiten zeigt sich, dass gerade bei Hepatitis-B und Tuberkulose die Asylbewerber weit überdurchschnittlich vertreten sind. In der Summe der ersten 30 Wochen des Jahres 2016, also von Anfang Januar bis Ende Juli, wurde bei 543 Asylbewerbern Hepatitis-B entdeckt, in der Gesamtbevölkerung waren es 1750. Also stellen die Asylbewerber 31 Prozent aller Hepatitis-B-Infektionen. Bei Tuberkulose sind es 1155 Fälle bei Asylbewerbern, in der Gesamtbevölkerung 3557 – also ein Anteil von 32,3 Prozent. Wenn man davon ausgeht, dass Flüchtlinge und Asylbewerber rund 1,5 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, sind sie bei diesen Krankheiten also etwa 20-fach überrepräsentiert. Auch bei Hepatitis-A (26,4 Prozent aller Fälle) und Masern (28,6 Prozent) sind Flüchtlinge deutlich überrepräsentiert.

Während des Jahres Jahr 2015 gab es bei den Hepatitis-B-Infektionen laut Statistik des RKI im Lauf der Sommer-Flüchtlingswelle ab Anfang August einen kontinuierlichen Anstieg. Waren vorher 20 bis 30 entdeckte Neuinfektionen pro Woche die Regel, steigt die Zahl steil an, bis zu einem Höhepunkt von 90 Neuinfektionen pro Woche Ende November, ehe sie im Dezember leicht zurückgeht. Der Höhepunkt und nachfolgende allmähliche Rückgang fällt zeitlich zusammen mit der Schließung der Grenzen durch Mazedonien. Bei Tuberkulose gibt es auf Bundesebene keine Monats- oder Wochenzahlen.

TBC vor allem in Nahost und Afrika verbreitet

Fälle von Tuberkulose (TBC) in größerer Zahl gibt es vor allem in Ländern mit einer schlechten medizinischen Versorgung sowie in Kriegs- und Krisenregionen. Auch in Russland ist die Krankheit stärker verbreitet. Ein großer Teil der neuen Fälle wird bei Reihenuntersuchungen der Gesundheitsämter, die die Behörden wegen der großen Flüchtlingszahlen durchführen, aufgespürt. Mediziner in vielen Städten und Kommunen durchleuchten derzeit im Akkord Flüchtlinge. Das Infektionsschutzgesetz schreibt die Massenkontrolle der Asylbewerber vor.

Wie das Robert-Koch-Institut mitteilt, schlägt der Erreger in manchen armen Ländern in Asien, Afrika und Osteuropa besonders heftig zu. Darunter in Afghanistan, Eritrea, der Ukraine. Ein Teil der Menschen aus dieser fernen, oft armen Welt hat sich zu uns auf den Weg gemacht, und einige bringen die heimtückische Infektion mit, wie die Welt schreibt.

Wegen der Antibiotika, des allgemein zuverlässigen medizinischen Systems, der Hygiene und der guten Ernährung waren Hepatitis-B und TBC zuletzt in Deutschland nur noch Randgruppen-Phänomene: Drogenabhängige und Obdachlose, aber auch HIV-Infizierte und Ältere mit schlechtem Immunsystem infizierten sich daran. Aber die Flüchtlinge importieren die Krankheiten wieder aus ihrer Heimat. Manche erkranken auch während der Flucht durch Kontakt mit anderen Flüchtlingen.

Auch Krätze wieder im Kommen

Kürzlich schlug das Online-Fachmagazin derma.plus Alarm im Hinblick auf eine weitere Krankheit, die in Deutschland schon lange kein Thema mehr war: „Die Krätze, auch Skabies genannt, die hierzulande als weitgehend kontrolliert galt – und die Viele eher mit mittelalterlichen Zuständen verbinden würden – ist wieder auf dem Vormarsch.“ In den Erstaufnahmelagern in Jenfeld und Langenhorn bei Hamburg gab es bereits im August 2015 mehrere Fälle von Krätze, schreibt die Hamburger Morgenpost. Das Blatt berichtet von 17 gemeldeten Krätze-Fällen im ersten Halbjahr 2015 allein im Bezirk Wandsbek. Bundesweite oder bayernweite Statistiken gibt es hier nicht, da Krätze nicht zu den meldepflichtigen Krankheiten gehört.

Zu den Hintergründen des massiven Vormarsches der durch eine Milbe ausgelösten Krätze zitiert das Fachmagazin Prof. Dietrich Abeck, einen Dermatologen aus München: „Krätze wird vor allem bei intensivem, engem Körperkontakt von Mensch zu Mensch übertragen.“ Und: „Das passiert natürlich bei Flüchtlingen, die während der Überfahrt nach Europa eng aneinander gepfercht über das Mittelmeer mit Booten anreisen. Enger Körperkontakt entsteht aber auch bei der Pflege eines Angehörigen, beim Geschlechtsverkehr oder aber beim Tragen eines Kindes.“

Lokale Gesundheitsbehörden zeigen sich vom Anwachsen der bislang seltenen Krankheiten alarmiert und teilweise überfordert. So zitierte die Lokalausgabe der FAZ im Rhein-Taunus-Kreis bereits vor einem Jahr die dortige Gesundheitsdezernentin Monika Merkert (SPD): „Die neuankommenden Asylsuchenden bringen zum Teil Krankheiten mit, die bei uns nur noch selten auftreten.“ Sie fordert deutlich mehr Geld und Personal, um im Hinblick auf die Gesundheitsvorsorge den Strom der Flüchtlinge bewältigen zu können. Ihre Mitarbeiter seien durch die Diagnose und Behandlung teils ansteckender Krankheiten stark gefordert, so die SPD-Politikerin.

Hepatitis-B-Übertragung durch Körperflüssigkeiten

Der Erreger für Hepatitis B wird vor allem über Blut und andere Körperflüssigkeiten übertragen. Hauptsächlich erfolgt die Ansteckung über Sexualverkehr oder von einer infizierten Mutter auf ihr Baby. Weitere Ansteckungsquellen sind verunreinigte Nadeln, Hygienemängel im medizinischen Bereich oder auch bei Piercings und Tätowierungen.

Die Hepatitis-B-Infektion heilt in den meisten Fällen schnell von selbst aus und bringt einen lebenslangen Immunschutz. Kinder, ältere Menschen und chronisch Kranke mit geschwächtem Immunsystem wie HIV-Patienten entwickeln dagegen häufiger eine chronische Erkrankung. Die Gesundheitsämter empfehlen eine Impfung.

Weitere Hepatitis-Gefahren

Das Virus für Hepatitis A kann im Gegensatz zu Hepatitis B auch über verunreinigte Nahrungsmittel und Wasser übertragen werden. In Deutschland gibt es sporadische Ausbrüche, meist durch Speisen in Gemeinschaftseinrichtungen. Auch hier gibt es eine Impfung, die vor allem für Fernreisen empfohlen wird.

Hepatitis des Typs C wird ebenfalls über infiziertes Blut übertragen. Durch heutige Therapien kann die Infektion heilbar sein. Es gibt dagegen jedoch keine Schutzimpfung. Je früher eine Virus-Hepatitis entdeckt wird, desto besser lässt sie sich therapieren. Die Behandlung hat in den vergangenen zehn Jahren große Fortschritte gemacht. Die Heilung hängt aber vom Virustyp und vom Stadium der Erkrankung ab.

Tuberkulose: Schlechte Ernährung, schlechte Hygiene, geschwächtes Immunsystem

TBC wird durch  Mykobakterien verursacht und befällt beim Menschen am häufigsten die Lungen. Früher wurde sie auch Schwindsucht genannt und sie führte die weltweite Statistik der tödlichen Infektionskrankheiten an. Nur etwa fünf bis zehn Prozent der mit dem Bakterium Infizierten erkranken tatsächlich im Laufe ihres Lebens.

Betroffen sind besonders Menschen mit geschwächtem Immunsystem und genetisch bedingter Anfälligkeit. Die Übertragung erfolgt in der Regel durch Tröpfcheninfektion von erkrankten Menschen in der Umgebung. In Deutschland wurde sie durch jahrzehntelange Reihenuntersuchungen von Schulkindern massiv zurückgedrängt, beinahe besiegt.

Krätze: Wo viele Menschen zusammenkommen

Krätze wird oft mit unhygienischen Verhältnissen und Verwahrlosung assoziiert. Allerdings breiten sich Krätzemilben − ähnlich wie Läuse – dort aus, wo viele Menschen zusammenkommen. Betroffen sind besonders Alten- und Pflegeheime, aber auch Kindergärten, Schulen und sogar Krankenhäuser. Krätze wird von Mensch zu Mensch durch Hautkontakt übertragen. Bei intaktem Immunsystem und guten hygienischen Umständen hält die Immunreaktion des Körpers die Milbenzahl auf einem relativ niedrigen Niveau. Bei vorhandener Immunsuppression, etwa durch eine Infektion mit dem HI-Virus, kann es zu einer explosionsartigen Vermehrung der Milben kommen. Aber auch schlechte hygienische Verhältnisse und schlechte Ernährung schwächen das Immunsystem.

(dpa/FAZ/derma.plus/wog)