Sicherheit durch Stärke: Innenminister Joachim Herrmann (l.) und Justizminister Winfried Bausback stellten das neue Konzept vor. (Bild: avd)
Sicherheitskonzept

„Jetzt muss gehandelt werden!“

"Sicherheit durch Stärke" - so hat die bayerische Staatsregierung ihr neues Anti-Terror-Konzept überschrieben. Als Konsequenz aus den jüngsten Bluttaten wird die Polizei und die Justiz aufgerüstet. Zudem verlangt der Freistaat vom Bund eine Reihe von Maßnahmen und Gesetzesänderungen.

„Die schrecklichen Geschehnisse in Würzburg, München und Ansbach sind ein Angriff auf unsere Sicherheit, auf unsere Freiheit“, erklärten Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Winfried Bausback zu Beginn der Vorstellung des Sicherheitskonzeptes „Sicherheit durch Stärke“. Dieses wurde auf der Kabinettsklausur in St. Quirin am Tegernsee beschlossen. „Anschläge wie in Paris, Brüssel und Nizza, menschenverachtende Gewalt wie zuletzt beim Anschlag in einer französischen Kirche sind eine neue Dimension des Terrors.“ Neben den terroristischen Gefahren führten aber auch die organisierte Kriminalität sowie Internet- und Computerkriminalität zu einer akuten Bedrohungslage. „Darauf muss der Rechtsstaat reagieren“, erklärte Herrmann. „Die Bürger erwarten zu Recht, dass der Staat Kontrolle und Wehrhaftigkeit beweist, aber auch präventiv handelt.“

Sicherheit durch Stärke – dafür stehe der Freistaat Bayern schon in den vergangenen Jahren, in dem die Sicherheitsapparate bereits entgegen dem Bundestrend kraftvoll ausgebaut wurden. „Deshalb ist Bayern das sicherste Land in Deutschland. Wegen der neuen Bedrohungslage stärken wir Polizei, Justiz und Verfassungsschutz weiter“, betonten die beiden Minister. „In Bayern können sich Bürger darauf verlassen: Der Staat tut alles Menschenmögliche für ihre Sicherheit. Wir erwarten dringend, dass auch der Bund und Europa offensiv agieren. Jetzt muss gehandelt werden!“

Ausbau von Polizei und Justiz

„Ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit“, sagte der Innenminister. Nach den Anschlägen von Würzburg und Ansbach sowie dem Amoklauf in München hat die bayerische Staatsregierung deshalb eine weitere Aufrüstung der Polizei und der Justiz sowie eine deutliche Verschärfung ihrer Sicherheitspolitik beschlossen. Innenminister Joachim Herrmann begründete die Maßnahmen so: „Würzburg und Ansbach zeigen: Der islamistische Terrorismus ist bei uns in Bayern leider angekommen.“

2000 Stellen für spürbar mehr Präsenz und Sicherheit.

Joachim Herrmann

„Wir werden 2017 bis 2020 jedes Jahr zusätzlich 500 Polizisten und Polizistinnen einstellen. 2000 Stellen für spürbar mehr Präsenz und Sicherheit“, erklärte der Innenminister. „Wir statten die Polizei auch weiterhin mit modernster Ausrüstung aus, unter anderem mit ballistischen Helmen, neuartigen Schutzwesten, modernen Dienstwaffen und gepanzerten Fahrzeugen. Mit mobilen Geräten und Apps wird jeder Polizist die einsatzrelevanten Informationen sofort in der Hand haben.“

Spezialeinsatzkräfte und Observationsteams sollen personell verstärkt und mit modernster Technik ausgerüstet werden. „Wir intensivieren auch die Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität, etwa durch den Einsatz von mehr Internetpolizisten“, berichtete Herrmann. „Wir stärken das Kompetenzzentrum Cybercrime beim Bayerischen Landeskriminalamt und die Zentralstelle bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg. Wir wollen damit auch eine stärkere Überwachung und Kontrolle des sogenannten ‚Darknets‘ erreichen.“ Damit verbessere Bayern den Schutz der Kinder vor den Gefahren des Internets, auch für das bayerische Behördennetze und die IT-Systeme des Freistaats. Die Polizei wird außerdem ihre Kapazitäten im Bereich der Sozialen Medien ausbauen, um Bürger sofort vor Gefahren warnen und informieren zu können. Fehlmeldungen wie bei dem Münchner Amoklauf sollen damit auch vermieden werden. Aufgebaut werden soll auch ein neues Landesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI). Das Cyber-Allianz-Zentrum im Landesamt für Verfassungsschutz wird gestärkt zum Schutz der Wirtschaft, Forschung und kritischer Infrastrukturen vor elektronischen Angriffen.

Wir wollen eine schnelle Rechtsprechung und einen konsequenten Vollzug des Rechts.

Winfried Bausback

Auch die Justiz bekommt mehr Personal, es gibt 269 neue Stellen, das verkündete Justizminister Bausback. „Wir wollen eine schnelle Rechtsprechung und einen konsequenten Vollzug des Rechts. Wir werden auf allen Ebenen die Justiz personell besser ausstatten – vom Justizwachtmeister über den Staatsanwalt bis hin zum Richter.“ Man werde die Schlagkraft der Justiz im Bereich des Staatsschutzes erhöhen, beispielsweise durch eine neue „Zentralstelle Extremismus“ bei der Generalstaatsanwaltschaft München sowie durch gestärkte Staatsanwaltschaften und Gerichte.

„Wir werden die Videoüberwachung etwa an Bahnhöfen, in Zügen des öffentlichen Nahverkehrs oder an gefährlichen Orten ausbauen“, kündigte der Justizminister außerdem an. Für die Feuerwehren, Rettungsdienste und den Katastrophenschutz werden die bestehenden Einsatzkonzepte und Planungen an die neue Bedrohungslage angepasst. Auch die ehrenamtliche Sicherheitswacht schaffe Sicherheit im öffentlichen Raum und werde deshalb binnen vier Jahren von rund 770 auf 1500 Mitglieder ausgebaut.

Angestrebte Gesetzesänderungen

„Wir kämpfen für mehr Befugnisse für den Rechtsstaat, damit er nicht hinter den Möglichkeiten seiner Feinde zurückbleibt“, betonten Herrmann und Bausback. Vom Bund fordern Ministerpräsident Horst Seehofer und sein Kabinett darum unter anderem eine praxisgerechtere Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung. Wie Telefonunternehmen sollen auch Anbieter von E-Mail-Diensten und sozialen Medien verpflichtet werden, Verkehrsdaten zu speichern. Zudem soll die Frist zur Speicherung der Daten von zehn Wochen „deutlich“ gesteigert werden – und der Straftaten-Katalog, der zu einer Verkehrsdatenspeicherung ermächtigt, soll erweitert werden. Als Beispiel nannten die zuständigen Minister den Tatbestand der Terrorismusfinanzierung. „Es will mir nicht in den Kopf, wenn dann immer Bedenken geäußert werden: Nach den schweren Anschlägen in Europa und Deutschland, muss ich doch die Frage, wer hinter den Tätern steckt, mit allen Mitteln klären können. Ich muss doch die Bevölkerung vor weiteren Anschlägen schützen“, so der Justizminister. „Die bisherige Gesetzeslage ist der Gefährdungssituation nicht mehr angemessen!“ Dies gelte aber auch für Kinderpornografie, die meistens durch die Netzwerke gehandelt werde, die auch den dahinter stehenden Kindesmissbrauch organisieren.

„Wohnungseinbruchdiebstähle müssen wirksamer bekämpft und schärfer bestraft werden. Im Strafrecht darf es keinen minder schweren Fall des Wohnungseinbruchs mehr geben“, forderte Bausback. Wohnungseinbruch soll künftig generell als schweres Delikt gelten. Bei Wohnungseinbrüchen müsse sowohl Telekommunikationsüberwachung als auch Verkehrsdatenerhebung möglich sein, auch wenn kein Bandendiebstahl vorliege.

Sympathiewerbung für terroristische und kriminelle Vereinigungen muss wieder strafbar werden.

„Verurteilte Extremisten, von denen weiterhin eine Gefahr ausgeht, müssen als ergänzendes Mittel mit einer elektronischen Fußfessel überwacht werden können“, so Bausback weiter. Dazu werde man im Land die entsprechende Rechtsgrundlage schaffen und diese auch auf Bundesebene einfordern. Ein weiteres Anliegen der Staatsregierung: Die Sympathiewerbung für terroristische und kriminelle Vereinigungen müsse wieder unter Strafe gestellt und Vermögenseinziehungen erleichtert werden.

Strafen bei Gewalt gegen Polizisten, Justizbedienstete und Rettungskräfte sollen auf mindestens sechs Monate bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe erhöht werden, sagten die Minister. Dieser Schutz solle sich generell auf alle Handlungen im Zusammenhang mit dem Dienst erstrecken. „Wir müssen die, die täglich ihren Kopf hinhalten für unsere Sicherheit, besser schützen“, betonte Bausback.

Einsatz der Bundeswehr im Inneren?

Zudem strebt die CSU eine Grundgesetzänderung an, um den Einsatz der Bundeswehr im Inneren zur Abwehr von Terrorgefahren und zur Grenzsicherung zu ermöglichen oder zu erleichtern. Bei Terrorlagen sei dieser zwar bereits erlaubt, aber die durch das Verfassungsgericht gezogenen Grenzen seien zu eng. „Es geht nicht um die Übernahme der Alltagsarbeit der Polizei, sondern etwa um die Bewachung von gefährdeten Objekten, die dann wieder Polizeikräfte frei macht“, stellte Herrmann klar. Der Schwierigkeiten für eine Grundgesetzänderung sei man sich bewusst.

Bayern erwarte neben allen diesen Maßnahmen, dass auch der Bund und Europa reagierten. „Die EU muss die gesetzlichen und technischen Voraussetzungen für eine Vernetzung der nachrichtendienstlichen und polizeilichen Datenbanken aller EU-Staaten schaffen“, nannte Herrmann ein Beispiel.

Die Obergrenze muss kommen

Die Staatsregierung erneuerte auch ihre Forderung nach einer „für eine gelingende Integration und wegen der Sicherheit verkraftbaren“ Obergrenze für neue Flüchtlinge in Deutschland von 200.000 pro Jahr – für Bayern bei 30.000. „Bayern ist ein weltoffenes Land. Wir wollen keine Abschottung. Bayern leistet seinen Beitrag, Menschen Obhut zu gewähren, die berechtigt Schutz vor Krieg, Vertreibung und politischer Verfolgung suchen. Unsere Bürgerinnen und Bürger erwarten aber auch zu Recht, dass bei der Zuwanderung Recht und Ordnung durchgesetzt, Missbrauch abgestellt und Mängel beseitigt werden“, heißt es im Konzept. Die nach den Dublin-Regeln bestehenden Möglichkeiten der Rückführung von Schutzsuchenden in EU-Staaten müssten konsequent genutzt werden. Vereinbarungen mit Herkunfts- und Transitstaaten außerhalb der EU könnten einen Beitrag dazu leisten, Zuwanderung in die EU zu steuern und zu begrenzen.

Es darf keine unkontrollierten Einreisen mehr geben.

Neues Sicherheitskonzept

Doch vor allem müsse Europa seine Außengrenzen wirksam schützen. Die Sicherheitsbehörden der EU-Staaten müssten einen Zugriff auf das Europäische Fingerabdruckidentifizierungssystem EURODAC und auf die noch zu schaffenden DNA-Datenbanken sowie das Europäische Ein- und Ausreiseregister erhalten. Asylverfahren müssten an den EU-Außengrenzen binnen drei Monaten durchgeführt und entschieden werden. Menschen ohne Schutzbedürfnis müssten bereits dort zurückgewiesen, Menschen mit Schutzbedürfnis gerecht in ganz Europa verteilt werden. „Es darf keine unkontrollierten Einreisen mehr geben“, so das Konzept. „Weitere Visaliberalisierungen und Visabefreiungen darf es vor einem effektiven EU-weiten System der Aus- und Einreisekontrollen nicht geben. Angesichts der Entwicklungen in der Türkei müssen die EU-Beitrittsverhandlungen gestoppt werden.“

Wie konnte es sein, dass der Täter für den Anschlag in Ansbach die Utensilien zum Bombenbau ungehindert in seiner Asyl-Unterkunft sammeln konnte?

Joachim Herrmann

„Solange ein ausreichender Schutz der EU-Außengrenzen nicht gewährleistet ist, sind wirksame Kontrollen der Binnengrenzen unerlässlich“, das ist ebenfalls eine der Forderungen. Bayern werde die Schleierfahndung verstärken und erwarte dies auch von anderen Ländern. Asyl in Deutschland darf nur gewährt werden, wenn das Vorbringen zur Asylgewährung auch in einer mündlichen Anhörung – soweit notwendig unter Hinzuziehung der Nachrichtendienste – umfassend geprüft wurde. In Asylbewerberunterkünften müsse es bessere Überwachungsmaßnahmen geben. „Wie konnte es sein, dass der Täter für den Anschlag in Ansbach die Utensilien zum Bombenbau ungehindert in seiner Asyl-Unterkunft sammeln konnte?“, fragte Herrmann.

Schneller abschieben

Ein weiterer zentraler Punkt lautet: Wer ohne Papiere einreist oder seine Identität nicht belegen kann, muss „an den Grenzen zunächst festgehalten werden und gegebenenfalls zurückgewiesen werden“, erklärte Innenminister Herrmann. Die Staatsregierung hatte dazu schon 2015 mit ihrem Vorschlag für Transitzentren das Notwendige gefordert, was jedoch an der SPD scheiterte.

Ausländische Straftäter sollen nach dem Willen der Staatsregierung außerdem schneller abgeschoben werden – auch in Krisengebiete. So gebe es etwa auch in Afghanistan sichere Gebiete. Ein Einwanderungsgesetz mit dem Ziel, die Zuwanderung auszuweiten, lehne Bayern ab. „Wir brauchen eine bessere Steuerung und eine effektive Begrenzung der Zuwanderung“, so das Papier.

Um den Migrationsdruck auf Europa zu senken, beteiligt sich Bayern in eigener Verantwortung und ergänzend zum Bund und anderen Akteuren an einer Hilfe in ausgewählten Ländern, nämlich im Nordirak, im Libanon, in Tunesien und im Senegal. Dort werden im Gesamtumfang von 20 Millionen Euro Projekte vorrangig in der Wasser- und Gesundheitsversorgung, der schulischen und beruflichen Bildung sowie für spezielle Frauen- und Verwaltungsprojekte gefördert.

Integration fördern

Integration, Prävention und Sicherheit gehen Hand in Hand, auch dafür will der Freistaat sorgen. „Bayern schafft mit einem bundesweit einmaligen Integrationspaket die Grundlagen für eine gelingende Integration von vielen Flüchtlingen. Mit unserem Integrationsgesetz geben wir unseren Anstrengungen einen völlig neuen gesetzlichen Rahmen und nehmen ganz bewusst auch die Flüchtlinge und Zuwanderer in die Verantwortung für die Integration in unser Land“, heißt es in dem Konzept. Zu den bestehenden Maßnahmen gegen Salafismus, Islamismus und Extremismus sollen bayernweite Präventionsstrukturen aufgebaut werden, um gezielt auch das Umfeld von Gefährdern zu sensibilisieren, beispielsweise in kommunalen Präventionsnetzwerken. Stärker gefördert würden auch die Einrichtungen der Jugendhilfe, die Schulpsychologen, die Deutschförderung und Wertevermittlung sowie die Deradikalisierung im Justizvollzug. Neu geschaffen wird ein „Krisendienst für Menschen in psychischen Notlagen“. Hochspezialisierte Berater werden hier bayernweit Betroffenen und deren Angehörigen rund um die Uhr zur Verfügung stehen.

„Insgesamt starten wir damit die größte Sicherheitsoffensive in der Geschichte Bayerns“, versprachen Herrmann und Bausback.