Muss die Stadt für Luxus-Kindergarten zahlen?
Die Stadt München muss für den überteuerten privaten Kindergarten-Platz eines kleinen Buben zahlen, weil sie kein akzeptables Betreuungsangebot vorlegte. Das hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof Ansbach entschieden. Der Fall könnte weitreichende Folgen für viele Kommunen haben. Allerdings kündigte die Stadt bereits Revision beim Bundesverwaltungsgericht an.
Verwaltungsgerichtshof

Muss die Stadt für Luxus-Kindergarten zahlen?

Die Stadt München muss für den überteuerten privaten Kindergarten-Platz eines kleinen Buben zahlen, weil sie kein akzeptables Betreuungsangebot vorlegte. Das hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof Ansbach entschieden. Der Fall könnte weitreichende Folgen für viele Kommunen haben. Allerdings kündigte die Stadt bereits Revision beim Bundesverwaltungsgericht an.

Die Stadt München muss aus Sicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes die Kosten für einen Luxus-Kindergarten übernehmen. Die klagende Familie habe sich den Platz in einer teuren privaten Krippe für den damals zweijährigen Sohn für 1380 Euro im Monat selbst beschaffen müssen, „weil der Jugendhilfeträger nicht in die Puschen gekommen ist“, sagte der Vorsitzende Richter Karl-Georg Mayer in der Außenstelle des Gerichtshofes in Ansbach. Darum müsse die Stadt München seiner Ansicht nach den Differenzbetrag zwischen der teuren Kita und einem Platz in einer kommunalen Einrichtung für drei Monate zahlen.

Das Gericht spricht von einem Musterverfahren. Allein am Verwaltungsgerichtshof sind fünf weitere, ähnlich gelagerte Fälle anhängig. Daher könnte das Urteil weitreichende Folgen für viele Kommunen haben, vor allem große Städte mit zu wenig Kindergartenplätzen. Ein abschließendes Urteil formulierte der Richter zwar noch nicht. Es soll den Prozessparteien Anfang der kommenden Woche zugestellt werden. Der Richter ließ aber keinen Zweifel daran, wie es ausfallen wird.

„Friss-oder-stirb-Angebot“

Der Platz in der Kita habe zwar Luxus-Angebote wie Kinder-Yoga und Tanzkurse umfasst, dafür könne die Familie aber nichts – sie habe ja keine Alternative gehabt. Der Richter nannte es „ein sogenanntes Friss-oder-stirb-Angebot“. Die Stadt sei ihrer gesetzlich verankerten Pflicht, einen zumutbaren Krippenplatz zu beschaffen, nicht nachgekommen.

Die insgesamt sechs angebotenen Plätze bei Tagesmüttern seien entweder zeitlich zu begrenzt oder mit einer Entfernung von 30 Minuten mit der U-Bahn zu weit entfernt gewesen. Die Mutter, eine Zahnärztin, habe kein Auto besessen und es sei ihr auch nicht zuzumuten gewesen, eines zu kaufen oder Carsharing-Angebote in Anspruch zu nehmen. Von dem „Idealbild fußläufige Erreichbarkeit“ sei das Angebot weit entfernt gewesen.

Die Familie war Ende 2013 von Köln nach München gezogen und hatte sich im September 2013 um einen Krippenplatz für den kleinen Sohn zum 1. April 2014 beworben. „Da hätten Sie bereits einen Platz reservieren müssen“, sagte der Richter an die Adresse der Stadt. Das Kind befand sich bis Ende August 2014 in der teuren Kita, für den 1. Juli bot die Stadt einen Platz in einer Übergangsgruppe an, den die Familie aber nicht annahm. Für die Monate von April bis Juni soll die Stadt aus Sicht des Senates zahlen.

Nächste Station: Bundesverwaltungsgericht in Leipzig

Die Anwältin der Familie begrüßte das Urteil – ganz anders als die Stadt München, die befürchtet, dass nun auch Forderungen anderer Familien auf sie zukommen könnten. Der Gerichtshof will die Revision zum Bundesverwaltungsgericht Leipzig zulassen, die Stadt kündigte an, Rechtsmittel gegen das bevorstehende Urteil einzulegen.

Das Statistische Bundesamt vermeldet unterdessen einen Rekord: Mit 721.000 Jungen und Mädchen gingen im März 2016 so viele Kleinkinder in eine Kita wie niemals zuvor. Im Vergleich zum Vorjahr waren es 26.000 Kinder mehr (plus 3,7 Prozent). Nach einer Schätzung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) fehlen bundesweit rund 165.000 Betreuungsplätze.

(dpa/wog)