Eva Weber und Kristina Frank treten in Augsburg und München zur OB-Wahl an. (Foto: BK/W. Heider-Sawall)
Kommunalwahlen

„Die CSU hat tolle Frauen im Rennen“

Aus dem aktuellen Bayernkurier-Magazin: Moderner und weiblicher soll die CSU im Kommunalwahlkampf 2020 werden. Im Interview erklären Eva Weber und Kristina Frank, OB-Kandidatinnen in Augsburg und München, ihre Erfolgsstrategie.

Kommt jetzt wirklich die Zeit der Frauen in der Politik?

Kristina Frank: Was heißt da wirklich?

Einen Grund muss es ja geben, dass der Parteichef für den Kommunalwahlkampf betont, die CSU solle „jünger, moderner und weiblicher werden“.

Eva Weber: Die CSU hat schon seit Langem tolle Frauen im Rennen. Schauen Sie Angelika Niebler auf europäischer Ebene an, Doro Bär in der Bundespolitik, Ilse Aigner als Präsidentin des Bayerischen Landtags. Wir beide (blickt zu Kristina Frank) nutzen einfach jetzt unsere Chance, bei den OB-Wahlen in Augsburg und München unseren Hut in den Ring zu werfen. So wie auch Astrid Freudenstein in Regensburg.

Frank: Wir sind vor allem deswegen die Kandidatinnen, weil wir mit unserer Art unsere jeweilige Stadt am besten repräsentieren – unabhängig davon, dass wir weiblich sind. Hätte man uns nur ausgewählt, weil wir Frauen sind, hätten wir sicher nicht die Einigkeit in unseren lokalen Verbänden erzielt. Ich bin stolz darauf, dass wir als Volkspartei das komplette Paket anbieten: Wir haben junge Frauen, wir haben erfahrene Männer. Wir haben Sportler, wir haben Leute, die sich kulturell engagieren. Wir wollen alle Interessen in einer Stadt abbilden.

Weber: Dabei sehe ich mich bestimmt nicht als Umsetzung einer Strategie. Ich bin seit 2011 in der Kommunalpolitik, bin momentan die einzige Frau in der Augsburger Stadtregierung. Keine Strategie-Frau – sondern eine, die sich schon lange in der Augsburger Politik engagiert.

Was können Sie aus dieser Erfahrung als einzige Dame  sagen – was machen Sie anders als Männer?

Weber: So einfach kann man das gar nicht herunterbrechen. Jede Frau, jeder Mann, schlicht jeder Mensch betreibt vermutlich ein wenig anders Politik als andere. Da halte ich mich an Loriot: Männer sind, und Frauen auch. Frauen immer in eine Richtung zu verstehen – die sind so sympathisch und so empathisch – das ist zu kurz gesprungen.

Also auch mal unsympathisch und eckig?

Frank: Politiker müssen geradeheraus sein und einen klaren Kurs aufzeigen. Das kann man machen, indem man auch mal lautstark poltert. Aber man kann es auch charmant versuchen. Da kommt uns wahrscheinlich schon entgegen, dass wir es auf eine bislang eher ungewohnte Art versuchen – weil wir uns an manchen Stellen unterscheiden von dem, wie Politik in der Vergangenheit häufig gemacht wurde.

Welche Strategie verfolgt die CSU im beginnenden Kommunalwahlkampf für 2020?

Frank: Grundsätzlich muss unser Wahlkampf einen eigenen Charakter haben – das großstädtische Wählermilieu ist ein ganz anderes als das auf dem Land oder in Gemeinden. Es ist eine ganz andere Hausnummer, viele Hunderttausend Menschen zu erreichen, weil das nie auf der rein persönlichen Ebene klappt. Ein Bürgermeister auf dem Land hat theoretisch die Chance, jedem Wähler mal die Hand zu schütteln. Darüber hinaus muss es eine enge Verzahnung von analogem und digitalem Wahlkampf geben. Stichwort: soziale Medien. Thematisch stehen die Dinge im Vordergrund, in denen der CSU Kompetenz zugetraut wird: Ökonomie, Ökologie und – ganz wichtig – Soziales. Gerade in den Großstädten spielt Letzteres bei der Mobilität und beim bezahlbaren Wohnraum eine große Rolle.

Weber: Wir stehen in den Metropolregionen vor einem Wandel in der Bevölkerung. Augsburg hat rund 300.000 Einwohner. Allein im vergangenen Jahr sind 23.000 zu uns gezogen, aber auch 20.000 weg. Die Stadt verändert sich rapide. Wir müssen immer wieder überlegen, wie wir die Neubürger einbinden. Wie wir Entscheidungen transparenter machen. Die Beteiligung der Bürger wird immer wichtiger. Die Menschen wollen nicht nur alle sechs Jahre ihr Kreuzchen setzen, wer in den Stadtrat soll. Wir müssen viel mehr Energie und Grips investieren, wie wir Entscheidungen schon während des Prozesses für die Leute erklären.

Werden die großen Städte zerrieben in ihrem Wachstum?

Frank: Auf den Städten lastet großer Druck. Doch der ist nicht über Nacht gekommen. In München wurde in den letzten Jahrzehnten die Entwicklung komplett verschlafen. Seit 1972 wurde beispielsweise keine neue U-Bahn-Linie gebaut. Erst seit 2014 die CSU wieder mit an die Regierung gekommen ist, geht der U-Bahn-Bau wieder voran. Ähnliches gilt für den Schulbau. Wir müssen für 10 Milliarden Euro Deutschlands größtes Schul-Investitionsprogramm auflegen. München steht derzeit so unter Stress, weil SPD und Grüne schlichtweg jahrelang geschlafen haben.

Wie ist das in Augsburg?

Weber: Eine Stadt wächst ja nicht einfach nur, weil sie wachsen will.

Eher ob sie will oder nicht.

Weber: Eben. Deshalb müssen wir zusehen, dass das organisch geschieht. Wir sind in Augsburg momentan damit beschäftigt, ein neues Wohngebiet zu entwickeln. Mit 200 Hektar. Da gehen wir in den Bürgerprozess: Wie soll denn ein Stadtgebiet aussehen, in dem 2030 die ersten Häuser stehen und das eigentlich erst in dreißig Jahren fertig ist? Was muss man da jetzt schon mitdenken, was dann einmal nötig sein wird? Wie können wir das ökologischer gestalten? Wie wird sich die Mobilität entwickeln? Wie sieht die Naherholung aus? Das diskutieren wir mit den Bürgern – und unter Beteiligung von Vertretern der jüngeren Generation. Denn die wird dort einmal leben.

Gesetzt den Fall, Sie würden beide Oberbürgermeisterin werden – in welchen Bereichen würden Sie stärker zusammenarbeiten?

Frank: München sitzt, glaube ich, für Betrachter von außen, oft auf einem hohen Ross. Von dem müssen wir absteigen. Wir werden nie in der Lage sein, ohne Augsburg, ohne Ingolstadt, ohne Rosenheim, ohne die gesamte Metropolregion unsere Herausforderungen zu meistern. Da ist es essenziell, auf Augenhöhe zu agieren. Da hilft uns die Arroganz, die uns Münchnern nachgesagt wird und die auch die roten Oberbürgermeister lange gelebt haben, nicht weiter. Einfacher wird es, sich von einer schwarzen Oberbürgermeisterin zu einer schwarzen Oberbürgermeisterin zu unterhalten. Weil uns die Grundlinie eint. Und (blickt zur Kollegin) Eva Weber macht das jetzt schon toll. Ich bin überzeugt, dass sie eine wahnsinnig gute Rathaus-Chefin für Augsburg wird. Deswegen würde es mich unglaublich freuen, wenn wir da in Zukunft Seite an Seite arbeiten.

Gibt es diese Möglichkeiten zur Zusammenarbeit?

Weber: Beide Städte sind in der Initiative „Europäische Metropolregion“ schon seit mehr als zehn Jahren aktiv. Und natürlich ist da noch viel Potenzial, diese Idee noch mehr aufzuladen, sich noch mehr Gedanken zu machen, wie dieser Großraum inhaltlich besser zusammenarbeiten kann. Dafür braucht es starke Köpfe – und solche bringen Kristina Frank und ich mit.

Haben Sie ein Beispiel für bessere Kooperation?

Frank: Ganz klar im Verkehr. In beiden Städten leben Menschen, die in die jeweils andere zur Arbeit pendeln. Das müssen wir viel stärker in den Fokus nehmen. Oder es den Menschen erleichtern, dort zu wohnen, wo sie auch arbeiten. Eine Landeshauptstadt hat zwar finanzielle Mittel, um städtische Beschäftigte ein bisschen besser zu entlohnen, aber wir dürfen uns dabei nicht gegenseitig die klugen Köpfe abspenstig machen. Da geht es um Erzieher, Pfleger, viele andere Berufe, die für den Zusammenhalt einer Stadtgesellschaft unverzichtbar sind.

Weber: Die Pendlerei treibt die Menschen um. Was wird sich ändern? Stichwort: CO2-Steuer. Wie soll das überhaupt in Zukunft gehen, zwischen Wohnung und Arbeitsplatz über die Stadtgrenzen hin- und herzufahren? Da wird es dringend nötig, gemeinsame Konzepte zu erarbeiten.

In manchen Gemeinden im Münchner Umland, in Erding beispielsweise, propagieren Rathaus-Chefs eine Art Nullwachstum. Wenig Neubau­gebiete. Gewinnt man mit so einer Strategie nicht potenziell Kommunalwahlen?

Frank: Der SPD-Mann Kronawitter hat damit in der Vergangenheit schon mal eine Wahl gewonnen, indem er die „ Dampfkessel-Theorie“ aufstellte. Aber das müssen wir von verschiedenen Seiten beleuchten. München erlebt derzeit ein völlig unkontrolliertes Wachstum. Das müssen wir abstellen und ein gesteuertes, organisches Wachstum ermöglichen. Was wir aber nicht tun dürfen, ist: einfach nichts mehr zu tun. Stillstand ist auf lange Sicht Rückschritt. München kann auch nur deswegen so in die verkehrliche und soziale Infrastruktur investieren, weil wir wachsen und viele große und mittlere Erfolgsunternehmen in der Stadt haben. Diese Wirtschaftskraft zu erhalten, ist ganz klar unsere Aufgabe als CSU.

Weber: Es geht um gesteuertes Wachstum.

Heißt steuern dann begrenzen? Oder kanalisieren?

Weber: Planen. Nicht auf Teufel komm raus wachsen, sondern dieses Wachstum koordinieren. Wie soll die Stadt wachsen, wo soll sie wachsen? Welche Infrastruktur muss mitwachsen? Kindergärten, Schulen, Schwimmbäder, Freizeitflächen: Die Zeiten, in denen Wohngebiete hochgezogen wurden ohne Supermarkt oder Busanbindung, die sind vorbei. Stadtentwicklung ist ganzheitlich zu betrachten, von A wie Abfallentsorgung bis Z wie unsere Freizeiteinrichtung Zoo.

Hat es da Augsburg noch ein wenig leichter?

Weber: Wir haben lange gute Entwicklungsmöglichkeiten gehabt, weil die Gebiete der alten Textilindustrie und verlassener US-Kasernen zu Konversionsflächen wurden. Auf Fabrikgeländen sind schön Wohngebiete und Gewerbezonen entstanden. Der Innenentwicklung konnte vor der Außenentwicklung Gewicht gegeben werden. Das kommt an ein faktisches Ende. Augsburg ist eingekreist von anderen Kommunen. Viel mehr Flächenwachstum wird in Augsburg kaum möglich sein.

Viele Politiker spüren, dass die Wähler nicht mehr so wie früher zu Wahlkampfveranstaltungen gehen wollen. Was wird sich da im Kommunalwahlkampf ändern?

Weber: Na, wir müssen zu den Wähler hingehen. Ich grille – ob mit den Leuten von Pro Familia oder den Jungs, die in Augsburg eine Surf-Welle installieren wollen. Kristina Frank radelt mit den Leuten. Es geht darum, dass wir zuhören, nah dran sind an den Menschen. Ich muss nicht immer sofort die Superpatentlösung parat haben. Aber ich muss mich intensiv um die Anliegen der Menschen kümmern. Das geht nur, indem wir auf die Menschen zugehen.

Frank: Ich habe ein spezielles Radl, auf das ich Leute einlade. Wir strampeln durch die Stadt, plaudern – und nehmen das Ganze als Video auf, das später über Youtube und Facebook angeschaut oder als Podcast angehört werden kann. Das ergibt eine unterhaltsame, ernsthafte Talk-Show in unkonventionellem Rahmen. Bloß, dass meine Gesprächspartner nicht prominent sein müssen. Das können Krankenschwestern sein, Bauarbeiter oder Start-up-Unternehmer. Die Zuschauer können das anschauen, wann und wo sie wollen. Ob in der U-Bahn, wenn die grad mal wieder steht, oder zu Hause.

Also voll „digilog“, wie es ihr Nürnberger OB-Kandidaten-Kol­­lege Marcus König formuliert.

Frank: Ja, digital und analog. So wie die CSU eine Volkspartei ist, so müssen die Themen, die sie setzt, ihre Adressaten erreichen. Viele Wähler sind gar nicht so digital, wie vielleicht die Jüngeren, die neu in die Stadt gezogen sind. Diese analoge Klientel möchte so, wie es immer war, Infostände in der Fußgängerzone, Broschüren zum Mitnehmen, Postwurfsendungen im Briefkasten. Wir werden alles liefern.

Weber: Und natürlich Wahlplakate.

Frank: Auf der anderen Seite lebt hier inzwischen eine neue Generation, die es gewohnt ist, alles im Smartphone oder auf dem Tablet serviert zu bekommen. Auch für die machen wir entsprechende Angebote. Je größer eine Stadt ist, desto schwieriger wird ein rein analoger Wahlkampf. Man hat schlicht nicht die Chance, mit jedem Einzelnen zu sprechen.

Weber: Wir müssen inzwischen viel unterschiedlichere gesellschaftliche Klientelen erreichen. Bei der Aufstellung der Stadtrats-Liste haben wir in Augsburg darauf geachtet, dass beispielsweise auch Vertreter der Kroaten oder Griechen vertreten sind. Das sind Multiplikatoren, die in ihre Community ganz anders hineinwirken können.

Die CSU verzichtet künftig auf den „Bayernkurier“. Wie stellen Sie sich die mediale Unterstützung aus der Parteizentrale im Wahlkampf vor?

Frank: Der Parteivorstand hat ein Paket auf den Weg gebracht, das es speziell in kleineren Gemeinden möglich macht, auch ohne eine eigene Werbeagentur in den Wahlkampf zu ziehen. Da gibt es online Muster und Rohseiten, in die Kandidaten nur noch ihr Foto und ihren Namen einfügen müssen. Damit können sie ihre eigene Webseite kreieren. Die CSU tritt so als einheitliche Partei auf, auch wenn jede Kommune ihre eigenen Themen hat. Das CSU-Branding ist das, was uns eint.

Was müsste in Bezug auf die sozialen Medien aus der  Zentrale kommen?

Weber: Da werden unsere Wahlkämpfer derzeit geschult. Man muss aber natürlich auch sehen: In einer Kommunalwahl muss jede Kommune, jeder Ort, jeder Landkreis sein eigenes Ding vorantreiben – auch bei den sozialen Medien. Da kommt es sehr auf unsere eigene Kreativität an.

Das Interview führte Gregor Dolak