Lutz Pfannenstiel hat auf jedem Kontinent Fußball gespielt. Er ist Gründer der Klima-Kicker. (Foto: Global United FC)
Klimaschutz

Kicken für besseres Klima

Niederbayerns Welt-Torwart Lutz Pfannenstiel hat den Global United FC gegründet. Mit Fußballstars von einst wirbt er für Naturschutz – weltweit. Nach dem Spiel: Gewächshäuser bauen für Schulkantinen. Aus dem aktuellen BAYERNKURIER-Magazin.

Der Mann stammt aus Niederbayern. Aber gekickt hat der Torwart aus Zwiesel bereits auf allen Kontinenten. Beim 1. FC Kötzting in Europa, beim malaysischen Verein Penang FA und bei Geylang United in Singapur, also in Asien. Außerdem beim neuseeländischen Club in Ozeanien, bei den kanadischen Calgary Mustangs in Nordamerika und beim Club Atlético Hermann Aichinger in Brasilien sowie beim namibischen Rangers FC in Afrika. Darüber hinaus hat Lutz Pfannenstiel, 46, in England, Albanien, in der Ukraine und in Armenien, in Finnland und Norwegen zwischen den Pfosten gestanden. Der langhaarige Kerl aus dem Bayerischen Wald ist weit herumgekommen in der Fußballwelt.

Schrecken kann ihn nur noch weniges. Höchstens vielleicht die Wettmafia von Singapur – nach Querelen mit deren Leuten saß Pfannenstiel auch mal 101 Tage lang (zu Unrecht) im Gefängnis – und vielleicht noch das Organisierte Verbrechertum in der Ukraine. Die wahre Angst des Tormanns speist sich aber aus dem Klimawandel. Ihm ist er an vielen Stationen seiner Profikarriere begegnet. Etwa wenn er bei Spielen auf den Malediven erlebte, wie „Inseln untergingen, wenn es ein bisschen regnete oder stürmte“. Oder als er den vollkommen ausgetrockneten Aral-See in Kasachstan sah – „eine atomare Wüste“, wie Pfannenstiel erzählt.

Heimspiel um die Erde

Manche Bälle sind einfach unhaltbar, mancher Verein ist im Abstiegskampf nicht mehr zu retten. Aber das Heimspiel der gesamten Menschheit um ihren Planeten Erde, das will Pfannenstiel auf keinen Fall verloren geben. Seit 2011 hat er sogar einen Fußballverein dagegen gegründet: den Global United FC. „Mit Fußball kann man die beste Öffentlichkeit erreichen“, hat der Berufssportler festgestellt.

Wir gehen bewusst an Orte in Afrika, die extrem von Umwelt- und Klimaproblemen betroffen sind.

Rainer Hahn, Team-Manager von Global United FC

Mit seiner globalen Fußballtruppe tritt er weltweit in Klimakrisenregion an, um auf die Pro­bleme aufmerksam zu machen. Daheim in Deutschland sammelt das All-Stars-Team mit Benefizspielen Geld für die Kampagnen im Ausland. Mehr als 400 Ex-Profis, ebenfalls von allen Kontinenten, haben sich der Weltrettungsmannschaft angeschlossen. Afrikaner wie Sami Kuffour, Anthony Yeboah oder Hans Sarpei, Südamerikaner wie Ze Roberto, Giovane Elber oder Carlos Valderrama. Nordamerikaner wie Thomas Dooley oder Alexis Lalas. Und natürlich eine ganze Liga voller Europäer, allein aus Deutschland die Besetzung mehrerer Bundesliga-Mannschaften inklusive Ex-Nationalspielern von Guido Buchwald über Thomas Berthold, Jens Nowotny, Oliver Neuville bis zu seinem 2006er- Passgeber David Odonkor.

Bolzen und bauen

Die zahlreichen Bekannten von seiner persönlichen Welttour über die Fußballplätze aktiviert Pfannenstiel jeweils, wenn ein neuer „Climate-Kick“ ansteht. „Wir gehen bewusst an Orte in Afrika, die extrem von Umwelt- und Klimaproblemen betroffen sind“, erklärt sein Team-Manager Rainer Hahn. So haben sie in mehreren namibischen Town­ships gebolzt und die Erfahrung gesammelt: Vielleicht kennen die dortigen Zuschauer nicht jeden einzelnen Spieler beim Namen. Doch wenn sie von deren Ex-Vereinen hören – Manchester United, FC Bayern, Real Madrid –, dann nehmen sie deren Aussagen ernster als Ermahnungen von örtlichen Politikern oder Aktivisten. „So schaffen wir Bewusstsein für das Thema.“

Als wir 2011 anfingen, haben noch viele über den Klimaschutz gelacht.

Rainer Hahn

Zugleich helfen die Kicker nach jedem ihrer Spiele mit: Gewächshäuser für Schulen errichten, in denen die Kinder dann Gemüse für die Schulkantine anbauen können. Gemeindezentren renovieren, Brunnen graben. Für manchen abgehobenen Fußball-Millionär eine gesunde Erdung bei all den Problemen armer Länder. Abenteuer inklusive: Wenn vor einem Spiel noch eben eine Elefantenherde über den Bolzplatz trampelt, staunen auch weltgewandte Profis, die schon alles erlebt zu haben glauben. Wenn ein Tropenregen vor dem Anpfiff über das sandige Geläuf rauscht, müssen schon nach wenigen Spielminuten Stürmer her, die sonst schon alles mit dem Ball geschafft haben – außer ihn aus einer zentimeterdicken Lehmschicht zu befreien.

300.000 Euro mit ehemaligen Weltstars

Bei einigen verändert die konkrete Unterstützung von Entwicklungshilfeprojekten auch den eigenen Lebensstil. So fuhr Weltmeister Guido Buchwald zu einer Veranstaltung der Global-United-Fußballer noch mit dem Porsche vor. Die Entrüstung mancher Unterstützer, wie bekannte Sportler denn mit solchen Autos im Fuhrpark glaubwürdig für den Klimaschutz werben wollen, zeigt inzwischen Wirkung. „Heute kommen die alle mit den aktuell besten Euro-6-Wagen“, berichtet Manager Hahn.

Über die Jahre haben Pfannenstiel & Co. auch gemerkt, dass sie nicht nur in betroffenen Ländern in der Dritten Welt etwas bewegen können. Seit einigen Jahren treten sie auch in Deutschland zu Charity-Spielen an, zuletzt im vergangenen Jahr in Schwandorf. Dabei sammeln sie eine Menge Spenden – bis heute sind insgesamt rund 300.000 Euro bei den verschiedenen Veranstaltungen zusammengekommen – und gewinnen ebenfalls eine Menge Zuschauer für ihre Umweltschutz-Idee. „Als wir 2011 anfingen, haben noch viele über den Klimaschutz gelacht“, sagt Hahn, „mittlerweile rückt das Thema dermaßen ins Zentrum.“

Volkssport Fußball als Vehikel

Für den Schutz der Bienen haben Pfannenstiels Klima- Kicker schon 2015 bei einem Projekt rund um Vilshofen geworben. Sechs Grundschulen in der Region beteiligten sich mit ihrer finanziellen Unterstützung an Insektenschutzprojekten. Eines davon gewann sogar einen Umweltschutzpreis der bayerischen Staatsregierung. Vier Jahre später steht die Hilfe für Bienen mit der Übernahme des erfolgreichen „Volksbegehrens Artenschutz“ bereits im Mainstream der Politik im Freistaat. Manager Hahn sagt: „An so einer Entwicklung mitzuarbeiten, ist unser Job: Aufmerksamkeit schaffen, das Thema an die Leute bringen.“ Dafür den Volkssport Fußball als Vehikel zu nutzen, ist der geniale Teil an Pfannenstiels Organisation.

Das ist unser Job: Aufmerksamkeit schaffen, das Thema an die Leute bringen.

Rainer Hahn

Dass der heutige TV-Kommentator und Sportvorstand bei Fortuna Düsseldorf manchmal auch den Mund zu voll nimmt, zählt zu den eher gewöhnlichen Seiten seines Projekts. So kündigt er seit Jahren ein Klima- Spiel im schmelzenden Eis der Antarktis an. Elf gegen elf, am Ball auch Star-Coach Zinedine Zidane. Mittlerweile räumt sein Organisator Hahn ein, die Verhandlungen mit der chilenischen Regierung, die das Event aufgrund der geografischen Nähe zum Austragungsort unterstützen sollte, seien bis auf Weiteres gescheitert. Eine tolle Idee, nur leider ein wenig voreilig   publiziert.

Erde und Ball zusammenbringen

Stattdessen muss es nun auch im fußballerischen Klimaschutz wieder eine oder zwei Nummern kleiner gehen. Ob in Niederbayern oder in Namibia: Der nächste Klima-Kick kommt. Der guten Sache hilft ein wenig mehr Demut wahrscheinlich sehr. Die Erde ist nicht nur in den Augen vieler Fußballfans eine Kugel, und das Runde muss ohnehin ins Eckige. Erde und Ball zusammenzubringen, ist Pfannenstiels ehrenhaftes Anliegen – damit die Menschen mit dem Erdball wieder vorsichtiger umgehen.