Überschüssiger Windstrom lässt sich in Wasserstoff umwandeln, der dann per LKW weiter transportiert wird. (Foto: Andreas Arnold/dpa/Picture alliance)
Energie

Die Zukunft tankt Wasserstoff

Gastbeitrag In der Debatte um die Mobilitätswende spielt Wasserstoff als Energiequelle noch keine große Rolle. Doch Brennstoffzellenfahrzeuge können einen wichtigen Beitrag zum klimafreundlichen Verkehr leisten. Aus dem BAYERNKURIER-Magazin von S. Balleis.

Zum ersten Mal haben mit dem Abkommen von Paris am 12. Dezember 2015 196 Staaten in einem völkerrechtlich bindenden Vertrag beschlossen, den Klimawandel zu bremsen und seine Auswirkungen abzumildern. Der Übergang zu erneuerbaren Energien ist dabei das Kern­element dieser Klimapolitik, die festlegt, dass die Erderwärmung in Relation zur vorindustriellen Zeit auf deutlich unter 2°C beschränkt wird. Um das noch ehrgeizigere 1,5°C-Ziel zu erreichen, müssten die Treibhausgasemissionen (Green House Gases, GHG) weltweit zwischen 2045 und 2060 auf null zurückgefahren werden.

Viele Bürger hegen jedoch eine tiefe Skepsis gegenüber Wasserstoff.

Siegfried Balleis

Während es in Deutschland bereits gelungen ist, bei der Stromproduktion immer stärker regenerative Energien insbesondere im Bereich der Windenergie, der Photovoltaik und der Bioenergie auszubauen, ist der Anteil der Emission der Klimagase aus dem Verkehr nicht zurückgegangen. Somit steht der Verkehrssektor in einer besonderen Verantwortung, einen sehr sub­stanziellen Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgase zu leisten. Nach Auffassung zahlreicher Experten kann dies nur durch eine massive Umstellung von Verbrennungsmotoren auf batteriebetriebene Elek­trofahrzeuge beziehungsweise Brennstoffzellenfahrzeuge geschehen.

Die Notwendigkeit, Mobilität umweltverträglicher zu gestalten, resultiert jedoch nicht nur aus der Pariser UN-Klimakonferenz, sondern auch durch eine Festlegung des Europäischen Parlaments, des Europäischen Rates und der EU-Kommission vom Dezember 2018. Darin wird gefordert, dass die Autohersteller nach 2021 ihre CO2-Emissionen noch einmal um 15 Prozent und bis 2025 sogar um 37,5 Prozent bis 2030 senken müssen, jeweils gemessen an dem ehrgeizigen Zielwert für 2021. Weiterhin wurde festgelegt, dass in zwölf Jahren die Autos aus den Flotten im Schnitt nur noch 60 Gramm CO2 je Kilometer ausstoßen dürfen, während es in Europa derzeit durchschnittlich noch 118,5 Gramm und bei deutschen Herstellern 127,1 Gramm sind.

Kritik an der E-Mobilität

In der seit Jahren andauernden Diskussion um die Überschreitung der Grenzwerte für Stickoxide in 90 deutschen Städten wird der Ruf nach einer Verkehrswende und die Forderung nach einer Mobilität der Zukunft und der Anwendung möglichst regenerativer Energiearten immer lauter. Im Mittelpunkt der Bemühungen dazu steht das Thema Elektromobilität, das von der Bundesregierung sehr stark vorangetrieben wird. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bereits 2011 gefordert, dass bis 2020 eine Million derartiger Autos auf deutschen Straßen unterwegs sein sollte. Zu Beginn des Jahres 2018 waren es aber gerade einmal 100.000 Fahrzeuge, sodass dieses Ziel mit Sicherheit verfehlt wird. Die Bundeskanzlerin hat daraus bereits die Konsequenzen gezogen und nach der Übergabe des Lageberichts der nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) angekündigt, dass man das angepeilte Ziel auf das Jahr 2022 verschieben müsse.

Zur Herstellung der Batterien ist ein enormer Ressourcen- und Energieaufwand notwendig.

Siegfried Balleis

Allerdings wird von Skeptikern auch stets kritisch hinterfragt, ab welcher Laufleistung der Einsatz von Elektromobilität betriebswirtschaftlich beziehungsweise ökologisch sinnvoll ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Einsatz der Elektromobilität dann umso wirtschaftlicher und ökologischer ist, je höher die Laufleistung ist. Diese kritische Haltung wird unter anderem damit begründet, dass zur Herstellung der Batterien ein enormer Ressourcen- und Energieaufwand notwendig sei, der sich erst bei einer langen Betriebszeit beziehungsweise bei hoher Laufleistung rechne.

Diese Tatsache hat man auch bei der Förderpolitik der Bundesregierung im Rahmen des „Sofortprogramms Saubere Luft“ berücksichtigt. Dort wird insbesondere die Anschaffung jener elektrisch angetriebenen Fahrzeuge gefördert, die idealerweise nahezu rund um die Uhr im Einsatz sind wie beispielsweise Busse, Lieferfahrzeuge, Handwerkerfahrzeuge oder neuerdings auch schwere Kommunalfahrzeuge.

Wasserstoff als Lösung

Leider wird, von einigen Ausnahmen abgesehen, dem Einsatz der Wasserstofftechnologie noch zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Dabei könnte der Einsatz von Wasserstoff ein wichtiges Element der Sektorkopplung zwischen Energiewende und Verkehrswende darstellen. Bereits heute gibt es in Deutschland aufgrund des systematischen Ausbaus der Windenergie und der Stromgewinnung durch Photovoltaikanlagen Zeiten, in denen Strom im Überfluss vorhanden ist, beispielsweise bei gleichzeitig starkem Wind und intensiver Sonneneinstrahlung. Dann müssen viele Windräder „aus dem Wind gedreht werden“, was ökologisch und ökonomisch unsinnig ist. Noch dazu geht dieser Zustand nicht zulasten des Windradbetreibers, vielmehr erhält dieser eine nahezu vollständige Kompensation, die dann über das Energieeinspeisegesetz (EEG) letztlich von allen Stromverbrauchern über erhöhte Strompreise getragen werden muss.

Bereits heute gibt es in Deutschland Zeiten, in denen Strom im Überfluss vorhanden ist.

Siegfried Balleis

Es wird in den nächsten Jahren immer mehr Wind­räder und Photovoltaikanlagen geben, die aus der EEG-Förderung „herausfallen“ und die daher dringend auf Abnehmer für den selbst produzierten Strom angewiesen sind. Es drängt sich somit der Gedanke auf, mit dem Überschussstrom, der nicht im Netz benötigt wird, mittels Elektrolyse Wasserstoff herzustellen. Ein interessantes Beispiel dazu liefert der Kreis Steinfurt bei Münster als Modellregion für die Wasserstoff-Mobilität in Nordrhein-Westfalen. Dort stehen bereits 306 Windenergieanlagen (WEA) zur Verfügung, die für die Zeit nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz Märkte für den produzierten Strom suchen. Das Ziel ist die Erzeugung emissionsfreier Kraftstoffe aus erneuerbarem Strom und damit die Einführung von Wasserstoff als Kraftstoff der Zukunft. In den Bewerbungsunterlagen heißt es: „Wir setzen auf Wasserstoff als wichtiges Element einer integrierten Energiewende, als Baustein der Sektorkopplung, als Teil einer Stadt-Umland-Verantwortung. Als Modellregion wollen wir für ländliche Regionen zeigen, wie der Markthochlauf gelingen kann: von der Erzeugung grünen Wasserstoffs über den Aufbau dezentraler Verteilinfrastrukturen und Logistikkonzepte bis hin zur Einführung neuer Mobilitätskonzepte mit Brennstoffzellenantrieben.“

Erste Pilotprojekte

Das Bundesland Nordrhein-Westfalen scheint sich in der Tat als Pionier der Wasserstofftechnologie zu entwickeln. So wurde im Rahmen des öffentlichen Nahverkehrs Köln gemeinsam mit Wuppertal ein Projekt gestartet, und insgesamt wurden 40 Wasserstoffbusse für den Regionalverkehr Köln (RVK) und die Wuppertaler Stadtwerke (WSW) bestellt. Wie der CEO des Unternehmens van Hool, Filip Van Hool, bestätigt, sei dies ein bisher einzigartiger Auftrag und gleichzeitig der größte für Wasserstoffbusse europaweit. Auch im Rhein-Main-Gebiet wurde Anfang 2019 ein großes Projekt gestartet, bei dem die Verkehrsbetriebe von Mainz, Wiesbaden und Frankfurt elf Wasserstoffbusse einsetzen werden.

Viele Bürger hegen jedoch eine tiefe Skepsis gegenüber Wasserstoff. Vielen ist wohl noch die Wirkung des Knallgases aus dem Chemieunterricht im Gedächtnis. Und Wasserstoff ist ja auch ein explosives Gas. So hat Wasserstoff im Bereich der Luftfahrt schon einmal eine überaus tragische Rolle gespielt. Am 4. März 1936 gab es in Lakehurst (New Jersey) einen dramatischen Unfall, als sich der Wasserstoff des Zeppelins LZ 129 „Hindenburg“ entzündete und dabei in einem Flammeninferno viele Menschen ihr Leben verloren.

Vorteil bei großen Fahrzeugen

Der Einsatz von Wasserstoff bei einer Brennstoffzelle ist dagegen überhaupt nicht spektakulär. Der Prozess, bei dem Wasserstoff in der Brennstoffzelle mit Sauerstoff zu Wasser reagiert, kann allenfalls als sogenannte „kalte Verbrennung“ bezeichnet werden. Der Vorgang ist nichts anderes als die Umkehrung der Elek­trolyse, durch die umgekehrt beispielsweise mit dem durch Windenergie erzeugten Strom Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Der Wasserstoff kann der Brennstoffzelle entweder in Reinform oder in gasförmiger Verbindung wie zum Beispiel in Form von Methan, Propan, Erdgas oder Biogas bereitgestellt werden. Die Marktreife automobiler Brennstoffzellensysteme ist heute unbestritten. Sie sind alltagstauglich und stellen eine vielversprechende Option für den Mobilitäts­sektor dar.

Ein weiterer Vorteil ist, dass Wasserstoff sehr schnell getankt werden kann.

Siegfried Balleis

Der Vorteil bei der Erzeugung von Strom mithilfe einer Brennstoffzelle ist, dass Wärme freigesetzt wird, die beispielsweise zur Beheizung der Fahrzeuge genutzt werden kann. Dies ist ein großer Vorteil gegenüber batteriegetriebenen Elektrofahrzeugen im Winterbetrieb, die einen Großteil des Stroms für das Heizen verwenden müssen oder sogar eine fossil befeuerte Heizung benötigen. Unbestritten ist jedoch, dass reine Batteriefahrzeuge den effizientesten Antrieb haben und somit für planbare Routen und geringe Reichweiten sehr gut geeignet sind. In Ergänzung zu batteriebetriebener Elektromobilität braucht es aber auch Brennstoffzellenfahrzeuge, die mit Wasserstoff betrieben werden. Wasserstoff eignet sich besonders gut für größere Pkw, aber insbesondere für Lieferwagen, Busse, Lastwagen oder Züge. Ein weiterer Vorteil ist, dass Wasserstoff sehr schnell getankt werden kann.

Trotz dieser Vorzüge ist der Einsatz von Brennstoffzellenfahrzeugen derzeit aber noch sehr überschaubar. Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) sind momentan nur 329 wasserstoffbetriebene Autos, 16 Busse und 2 Lastwägen zugelassen. Im Verhältnis zu den mehr als 64 Millionen Fahrzeugen in Deutschland wird das Missverhältnis besonders deutlich.

Überraschend ist aber die Anzahl von gegenwärtig 60 Wasserstofftankstellen in Deutschland mit Tendenz zu weiterem Ausbau. Dies ist eine sehr positive Entwicklung. Ende Oktober 2014 gab es weltweit nur 220 Wasserstofftankstellen. Lagerung und Transport sind derzeit aber noch mit enormem Aufwand verbunden. Selbst mit dem neuesten Transportverfahren eines weltweit tätigen Technologiekonzerns können mit einem Vierzigtonner-Lkw unter einem Druck von 500 bar gerade einmal 1,1 t Wasserstoff transportiert werden.

Eine Erfindung aus Erlangen

Hier könnte ein an der Friedrich- Alexander-Universität Erlangen- Nürnberg von den Professoren Wasserscheid, Arlt und Schlücker entwickeltes Verfahren helfen. Es ermöglicht, den Wasserstoff katalytisch an einen organischen Kohlenwasserstoff (Liquid Organic Hydrogen Carrier, LOHC) zu binden. Das spannende an dieser Innovation ist, dass die Trägersubstanz in einem Kreislauf immer wieder be- und entladen werden kann. Der an die Trägersubstanz gebundene Wasserstoff kann dann absolut unproblematisch in herkömmlichen Tankfahrzeugen transportiert und in der bestehenden Tankstellen­infrastruktur gelagert werden. Je nach nachgefragter Menge an Wasserstoff kann dann in der Wasserstofftankstelle in einem reversiblen Prozess der Wasserstoff wieder katalytisch vom Kohlenwasserstoff (LOHC) getrennt werden. Allerdings müsste an diesen Wasserstofftankstellen dann die Möglichkeit dazu geschaffen werden. Der hoch komprimierte Wasserstoff kann dann von mit Brennstoffzellen ausgestatteten Fahrzeugen innerhalb weniger Minuten getankt werden, wie bereits an den Erdgastankstellen.

Im Gegensatz zum relativ langen Ladevorgang bei der Elektromobilität dauert der Tankprozess somit nicht länger als die Betankung eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor. Das Forscherteam der Friedrich- Alexander-Universität Erlangen- Nürnberg hat es gemeinsam mit Daniel Teichmann mit seiner Innovation geschafft, sich als Top Drei für den Zukunftspreis des deutschen Bundespräsidenten zu qualifizieren.

Der Einsatz der Wasserstofftechnologie bietet sich auch im Schienenverkehr an. Ende Januar 2019 hat der weltweit erste mit Wasserstoff betriebene Personenzug auf dem Weg von Offenburg nach Freudenstadt seine Bergtauglichkeit unter Beweis gestellt, nachdem er bereits im Herbst 2018 im flachen Elbe-Weser-Gebiet im planmäßigen Verkehr unterwegs war. Dieser Zug verfügt über eine Reichweite von rund 1.000 km und eine Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h. Das Betanken dauert nicht länger als das mit Diesel.

Die Forscher am Helmholtz-Institut der Universität Erlangen-Nürnberg arbeiten bereits an einer fortgeschrittenen Technologie. Im neuesten Projekt soll der an LOHC gebundene Wasserstoff an Bord mitgeführt und erst im Fahrbetrieb freigesetzt werden. Dort liefert er dann über eine Brennstoffzelle Strom für den Antrieb. Die Bayerische Staatsregierung unterstützt diese Technologie finanziell mit 29 Millionen Euro. Sie sollen der Erforschung und Entwicklung eines stark emissionsreduzierten Antriebssystems am Beispiel des Schienenverkehrs dienen.

Mobiler Energiespeicher

Dass die Wasserstofftechnologie aber auch unabhängig vom Thema Mobilität Einsatzfelder hat, wurde bereits 2016 gezeigt, als die erste netzgebundene LOHC-Wasserstoff-basierte Stromspeicheranlage in Betrieb genommen wurde. Dieses System bietet die Möglichkeit der Lang- und Kurzzeitspeicherung. Man könnte mit der Technologie aber auch mittels Tankschiffen Wasserstoff von Ländern, in denen die Herstellung extrem günstig ist, nach Deutschland transportieren. In Norwegen, das über enorme Wasserkraftreserven verfügt, ist der Strom zum Beispiel sehr billig und somit kann auch der Wasserstoff elektrolytisch und kostensparend gewonnen werden. Man könnte mit der LOHC- Technologie aber auch überschüssigen Wasserstoff aus den nördlichen Bundesländern wie beispielsweise Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg per Schiene oder auf dem Wasser­weg in die industriellen Zentren des Südens transportieren.

Der enorme Vorteil dieser Technologie besteht darin, dass sie absolut emissionsfrei ist.

Siegfried Balleis

Der Einsatz von Wasserstoff im Bereich Mobilität ist keine brandneue Innovation, sondern hat in Deutschland bereits eine gewisse, wenngleich beschränkte Tradition. So hat beispielsweise ein Münchner Automobilkonzern bereits vor 20 Jahren die Wasserstofftechnologie bei Fahrzeugen eingesetzt und auch in der Stadt Erlangen ist schon 1996 ein Brennstoffzellenbus mit Wasserstoffantrieb ein halbes Jahr ohne Pro­bleme im Linienbetrieb unterwegs gewesen. Der enorme Vorteil dieser Technologie besteht darin, dass sie absolut emissionsfrei ist, da als „Verbrennungsprodukt“ des Wasserstoffs mit Luft beziehungsweise Sauerstoff nur Wasserdampf entsteht. Im Gegensatz zur Elektromobilität, bei der für die Batterien eine aufwendige Lithiumgewinnung erforderlich ist, ist die Herstellung von Brennstoffzellen wesentlich günstiger und man ist dabei nicht von strategisch knappen Ressourcen wie Lithium abhängig. Das muss man auch bei den gegenwärtigen Diskussionen in Deutschland um den Aufbau einer Batteriefertigung mit Milliardenaufwand berücksichtigen.

Ein weiterer Vorteil besteht auch hinsichtlich der Reichweite. Während das Gewicht des zu transportierenden Wasserstoffs und der für den Antrieb benötigten Brennstoffzelle deutlich geringer ist als das Gewicht der heutigen Verbrennungsfahrzeuge, erfordert die Elektromobilität zur Erreichung von Reichweiten von 400 bis 500 km ein Batteriegewicht von nahezu einer halben Tonne, die als Zusatzlast mitgeschleppt werden muss.

Nachhaltige Reduzierung der Stick­oxidwerte

In der Diskussion um die Einhaltung der Stick­oxid-Grenzwerte von 40 µg/Kubikmeter aufgrund der EU-Verordnung 2008/50/EG (Luftqualitätsrichtlinie) aus dem Jahr 2008 hat die Bundesregierung im Herbst 2017 das „Sofortprogramm Saubere Luft“ aufgelegt, das zwischenzeitlich, das heißt nach dem dritten Kommunalgipfel am 3. Dezember 2018, nahezu zwei Milliarden Euro umfasst. Die Bundesregierung beabsichtigt mit diesem Programm eine schnelle und nachhaltige Reduzierung der Stick­oxidwerte durch Maßnahmen im Bereich der Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme, die Elektrifizierung des Verkehrs (Busse, Taxen und Lieferfahrzeuge) sowie durch die Nachrüstung von Dieselbussen.

Vermutlich werden diese Mittel aber nicht ausreichen, um in allen derzeit noch 60 betroffenen Städten die notwendigen Grenzwerte einzuhalten. Daher muss weiter in neue Antriebstechnologien investiert und der Einsatz der Wasserstofftechnologie durch entsprechende Fördermaßnahmen angeregt werden. Im Koalitionsvertrag der Koalitionsparteien CDU/CSU und SPD vom 13. März 2018 heißt es dazu: „Wir wollen das nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie fortführen. Wir wollen die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie (MKS) technologieoffen weiterentwickeln und die Mittel zu deren Umsetzung erhöhen. Wir wollen die Sektorkopplung voranbringen und den regulativen Rahmen ändern, sodass ‚grüner Wasserstoff‘ und Wasserstoff als Produkt aus industriellen Prozessen als Kraftstoff oder für die Herstellung konventioneller Kraftstoffe (zum Beispiel Erdgas) genutzt werden kann. […] Wir wollen die Elektromobilität (batterieelek­trisch, Wasserstoff und Brennstoffzelle) in Deutschland deutlich voranbringen und die bestehende Förderkulisse, wo erforderlich, über das Jahr 2020 hinaus aufstocken und ergänzen.“

Aufbruch in eine neue Ära

Diese Aussagen im Koalitionsvertrag geben Anlass zur Hoffnung, dass die Wasserstofftechnologie eine vollkommen neue Ära der Zukunft der Mobilität einläuten wird. Allerdings müssen seitens der Politik noch die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. So beschreibt das Positionspapier des BDI zu den e-fuels zutreffend, dass sich diese aktuell in einer regulatorischen Sackgasse befinden und nur durch die Kombination verschiedener Gesetzesänderungen ein signifikanter Markthochlauf bewirkt werden kann. So müsste sichergestellt werden, dass die e-fuels von stromseitigen Abgaben beim netzdienlichen Betrieb entlastet werden und Anreize für fortschrittliche und strombasierte Kraftstoffe erfolgen. Weiterhin sei eine Ermäßigung der Energiesteuer auf synthetische Kraftstoffe erforderlich. Das Positionspapier des BDI wird sogar noch deutlicher, indem es ausführt, „dass ohne die e-fuels die Pariser Klimaziele nicht erreichbar“ seien.

Der Mobilitätssektor muss noch viel für die Einhaltung der Klimaschutzziele der UN-Klimakonferenz von Paris leisten. Die Dekarbonisierung des Verkehrs hilft aber schon bei der Umsetzung der Beschlüsse des Europäischen Parlaments und der EU-Kommission zur Minderung der CO2-Emissionen. Der Einsatz der Wasserstofftechnologie leistet außerdem einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung der Abhängigkeit von strategischen Rohstoffen wie beispielsweise Lithium, das in enormen Mengen für die Produktion von entsprechenden Batterien benötigt wird.

Der Autor

Prof. Dr. Siegfried Balleis ist Alt-OB der Stadt Erlangen, Vorsitzender des Universitätsbundes der FAU-Erlangen/Nürnberg sowie Honorarprofessor am dortigen Lehrstuhl für Politische Wissenschaften.