Besserer Schutz für Stalking-Opfer
Die Bundesregierung will Stalking-Opfer besser schützen und eine Verurteilung der Täter erleichtern. Das Kabinett brachte dazu eine Gesetzesänderung auf den Weg. Die CSU hält die Neuregelung für überfällig.
Schärferes Gesetz

Besserer Schutz für Stalking-Opfer

Die Bundesregierung will Stalking-Opfer besser schützen und eine Verurteilung der Täter erleichtern. Das Kabinett brachte dazu eine Gesetzesänderung auf den Weg. Die CSU hält die Neuregelung für überfällig.

Es gibt zwar jedes Jahr Tausende Tatverdächtige in Stalking-Fällen, aber nur einige Hundert Verurteilungen. Bislang müssen Nachstellungen schwerwiegende Beeinträchtigungen des Lebens verursacht haben – etwa, wenn die betroffene Person deswegen umgezogen ist oder den Job gewechselt hat. Das soll sich ändern.

Der bisherige Stalking-Paragraph gewährleistet keinen ausreichenden Schutz.

Michael Frieser, innen- und rechtspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag

„Der Stalking-Paragraph in seiner aktuellen Fassung gewährleistet keinen ausreichenden Opferschutz“, betont der innen- und rechtspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Frieser. „Viele Täter werden nicht bestraft, da das Opfer durch die Nachstellung in seiner Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt sein muss. Dieses Kriterium ist objektiv kaum überprüfbar. Jährlich zehntausenden Anzeigen stehen deshalb nur einige hundert Verurteilungen gegenüber“, erklärt Frieser.

Umzug oder Jobwechsel nicht mehr nötig

Der Gesetzentwurf aus dem Haus von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sieht vor, dass Taten in Zukunft lediglich „objektiv geeignet“ sein müssen, beim Opfer zu einer solchen schwerwiegenden Beeinträchtigung zu führen.

„Stalking kann Leben zerstören“, sagte Maas. „Es bedeutet eine schwere, oft jahrelange Belastung.“ Stalking solle künftig auch dann strafbar sein, wenn das Opfer dem Druck nicht nachgebe und sein Leben nicht ändere. „Es darf nicht sein, dass man zum Beispiel erst umziehen muss, damit ein Stalker strafrechtlich belangt werden kann“, mahnte der Minister.

„Zukünftig hängt die Strafbarkeit nicht mehr von der Reaktion des Opfers ab, sondern davon, ob die Handlungen des Täters geeignet sind, die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend zu beeinträchtigen“, lobt auch CSU-Rechtsexperte Frieser. „Ein Täter wird in Zukunft nicht mehr davon profitieren, dass ein Opfer sich oft unter psychischen Belastungen dazu zwingt, sein Leben zumindest äußerlich unbeeindruckt weiter zu leben.“

Stalking ist kein Privatklagedelikt mehr

Konsequent nennt Frieser die Streichung des Stalkings aus dem Katalog der Privatklagedelikte. „Es ist ein starkes Signal an die Opfer, dass sie künftig nicht befürchten müssen, von der Staatsanwaltschaft auf den Privatklageweg verwiesen zu werden“, so der CSU-Innenpolitiker.

Das bayerische Justizministerium hatte bereits in den Jahren 2012, 2014 und 2015 konkrete Reformvorschläge vorgelegt.

Michael Frieser

Allerdings kritisiert der CSU-Politiker Frieser, dass sich der Bundesjustizminister sehr viel Zeit gelassen hat mit der Verschärfung. „Das bayerische Justizministerium hatte bereits in den Jahren 2012, 2014 und 2015 konkrete Reformvorschläge vorgelegt“, erinnert er. „Ich begrüße es deshalb sehr, dass nun endlich der Entwurf zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen vom Bundeskabinett beschlossen wurde.“

Der Strafrahmen ändert sich nicht: Stalking soll auch künftig mit bis zu drei Jahren Haft geahndet werden. Von Stalking ist die Rede, wenn jemand zum Beispiel einen Ex-Partner verfolgt oder ihn immer wieder etwa mit Telefonanrufen terrorisiert oder ihm auflauert. Meist sind Frauen die Opfer.

(dpa/PM/wog)

Fragen und Antworten zum Stalking

Tausende Deutsche werde jährlich gestalkt, aber nur die wenigsten Täter werden zur Rechenschaft gezogen. Dafür sind die rechtlichen Hürden in Deutschland einfach zu hoch. Nun sollen Betroffene einen besseren Schutz bekommen. Heute will das Bundeskabinett über einen Gesetzesentwurf entscheiden.

  • Was ist Stalking?

Stalking bedeutet im Englischen „anpirschen“ und bezeichnet das unerlaubte Nachstellen eines Menschen. Ein Stalker verfolgt, belästigt oder bedroht sein Opfer, etwa durch Briefe, Anrufe, beharrliches Auflauern oder Nachspionieren. Gesetzlich gilt es aber nur als Nachstellung, wenn die Taten des Stalkers die „Lebensgestaltung (des Opfers) schwerwiegend beeinträchtigt“ – etwa, wenn der oder die Betroffene deswegen umziehen oder den Arbeitsplatz wechseln muss. In Deutschland ist Stalking seit 2007 strafbar.

  • Wer sind die Opfer und Täter?

Stalking rückt meist nur durch prominente Beispiele ins Rampenlicht – Steffi Graf, John Lennon, Madonna. Doch etwa 12 Prozent aller Menschen in Deutschland werden mindestens einmal im Leben gestalkt, heißt es von der Polizei unter Berufung auf eine Studie des Mannheimer Zentralinstituts für seelische Gesundheit. Dem Weißen Ring zufolge sind rund 80 Prozent der Betroffenen Frauen, etwa 80 Prozent der Täter sind Männer. In rund der Hälfte aller Fälle hätten Opfer und Stalker vorher eine Beziehung gehabt. Im vergangenen Jahr wurden 19.704 Fälle in der polizeilichen Kriminalstatistik verzeichnet – die Dunkelziffer liegt nach Überzeugung von Beratungsstellen und Verbänden aber weit höher.

  • Warum ist das derzeitige Gesetz problematisch?

Betroffene und Verbände kritisieren seit Jahren, dass die Strafbarkeit nicht von den Taten des Stalkers oder gar von der Beeinträchtigung des Opfers abhängt, sondern davon, wie das Opfer reagiert. Meist wird nur ein Umzug oder ein Jobwechsel als Beweis einer „schwerwiegenden Beeinträchtigung“ anerkannt. „Diese Schwelle der Strafbarkeit wird nur selten überschritten“, erklärt Wolf Ortiz-Müller, Leiter der Beratungsstelle „Stop Stalking“ für Opfer und Täter in Berlin. Nur ein bis zwei Prozent aller Strafanzeigen führen demnach zur Verurteilung des Täters.

  • Was sieht der neue Gesetzentwurf vor?

Der Entwurf sieht vor, dass Nachstellungen nicht länger schwerwiegende Beeinträchtigungen des Lebens verursacht haben müssen. „Stalking soll künftig auch dann strafbar sein, wenn das Opfer dem Druck nicht nachgibt und sein Leben nicht ändert“, sagt Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Drei Jahre Haft drohen demnach, wenn jemand einer anderen Person in dieser Weise unbefugt und beharrlich nachstellt. Eine weitere Änderung: Bislang werden Verfahren oft eingestellt, Opfer müssen dann selbst als Ankläger vor Gericht, wenn sie die Tat weiter verfolgen wollen. Künftig soll das anders sein. „Die Staatsanwaltschaft muss dann alle diese Verfahren führen und zu einem Ergebnis bringen“, so Maas.

  • Was halten Opfer, Verbände und Beratungsstellen von dem Entwurf?

Wolf Ortiz-Müller von „Stop Stalking“ befürwortet jegliche Gesetzesänderung zugunsten der Betroffenen. Er befürchtet aber, dass die Formulierungen im neuen Entwurf zu vage sind. Ob der neue Entwurf tatsächlich in der Praxis Opfern mehr Schutz bietet, müsse sich also noch zeigen. Seiner Ansicht nach sollten vor allem Beratungseinrichtungen für Opfer und Täter ausgebaut werden. Es müssten Wege geschaffen werden, „wie man frühzeitig nach einer Anzeige die Stalking-Beschuldigten in einen Beratungsprozess einbindet“. Der „Weiße Ring“ fordert außerdem Anspruch auf Entschädigung für Opfer, die unter den psychologischen Folgen von Stalking leiden. (dpa)