Mitglieder-Entwicklung der Parteien in der Bundesrepublik Deutschland seit 1946: Die CDU (schwarz) ist 2015 wieder etwas stärker als die SPD (rot). Die CSU (blau) weist von allen Parteien die stabilste Entwicklung auf. Die dreifach umbenannte und einmal fusionierte SED/SED-PDS/Linkspartei (pink) verlor in den Jahren nach der Wiedervereinigung viele Mitglieder, ebenso die FDP (gelb). Die Grünen konnten seit 1990 in der Summe als einzige Partei an Mitgliedern zulegen, allerdings auf recht niedrigem Niveau. (Quelle: Niedermayer, Oskar: Parteimitglieder in Deutschland: Version 2015. Arbeitshefte a. d. Otto-Stammer-Zentrum, Nr. 25, FU Berlin 2015)
Mitglieder-Entwicklung

Die CSU ist am stabilsten

Die CDU ist wieder die mitgliederstärkste Partei Deutschlands. Ende 2015 gab es bundesweit rund 444.400 Christdemokraten. Die CDU überholt damit die SPD, die die stärksten Verluste aller Parteien erleidet und noch 442.800 Mitglieder hat. Die Mitgliederzahl der CSU erweist sich als sehr stabil. Derweil vertreibt die AfD ihre Wähler.

Nach einer Studie des Politikwissenschaftlers Oskar Niedermayer von der FU Berlin haben alle etablierten Parteien im Jahr 2015 Mitglieder verloren. Die stärksten Verluste unter den etablierten Parteien musste die SPD (minus 3,7 Prozent) hinnehmen. Die CDU verlor 2,9 Prozent ihrer Mitglieder und liegt in der Gesamtzahl (444.400) nun wieder geringfügig vor der SPD (442.800). Stichtag war der 31. Dezember 2015.

„CDU und SPD liefern sich seit Jahren einen Kampf, wer die mitgliederstärkste Partei ist“, sagte Niedermayer. „Das wechselt von Jahr zu Jahr immer wieder.“ Den Rang abgelaufen hatte die CDU den Sozialdemokraten erstmals im Jahr 2008. Den Höchststand verbuchte die SPD, die früher traditionell deutlich mehr Mitglieder hatte als die Unionsparteien, mit über einer Million Mitgliedern in den frühen 1970er Jahren, in der Kanzlerschaft von Willy Brandt. Seitdem schrumpft die SPD unaufhörlich – mit einer kurzen Unterbrechung, kurz nach der Wiedervereinigung.

Alle Parteien verlieren Mitglieder, doch die CSU hält sich am besten

Mitglieder verloren haben auch die übrigen Parteien: Die FDP verlor 3,2 Prozent auf 53.197 Mitglieder. Die Linkspartei verlor 2,6 Prozent und zählt noch 58.989 Parteimitglieder. Die Grünen verbuchten im zweiten Jahr hintereinander einen Verlust, dieses Mal von 1,5 Prozent, und fielen damit auf 59.418 Mitglieder. Erstmals liegen die Grünen damit knapp vor der Linkspartei auf Platz vier.

Sehr stabil erweist sich die CSU: Sie schrumpfte lediglich um 1,5 Prozent und hat nun 144.360 Mitglieder. Wie die CSU mitteilt, verzeichnen die Christsozialen nach wie vor mehr Neueintritte als Austritte: Im Jahr 2015 gab es 4395 Eintritte und 3937 Austritte. Die Abnahme geht allein auf das Konto von Todesfällen: 2015 starben 2407 CSU-Mitglieder.

CSU hat die weitaus beste Rekrutierungsquote aller Parteien

Die Sonderstellung der CSU zeigt sich vor allem an einem speziellen statistischen Wert, der „Rekrutierungsfähigkeit“: Sie gibt an, wie viele Prozent der theoretisch möglichen Parteimitglieder („Parteieintrittsberechtigten“) tatsächlich der betreffenden Partei zugehören. Die CSU weist hier den mit Abstand höchsten Wert aller deutschen Parteien auf. Da die CSU nur in Bayern antritt, erreicht sie eine sehr hohe Rekrutierungsquote von 1,38 Prozent (Stand: Ende 2013). Das heißt übersetzt: Ende 2013 waren 1,38 Prozent der über 16 Jahre alten Einwohner Bayerns Mitglieder der CSU.

Dieser Wert ist bei allen anderen Parteien wesentlich niedriger: Die CDU, die bekanntlich in allen Ländern außer Bayern antritt, kommt auf den zweitbesten Wert mit 0,80 Prozent. Die bundesweit antretende SPD kommt nur auf 0,67 Prozent. FDP, Grüne und Linkspartei liegen bei 0,08 bis 0,09 Prozent. Bemerkenswert: Eine ähnlich hohe Rekrutierungsquote wie die CSU in Bayern weisen SPD und CDU nur in Rheinland-Pfalz und im Saarland auf.

Klassische Milieus lösen sich auf

Seit der Wiedervereinigung 1990 haben die etablierten Parteien insgesamt rund die Hälfte ihrer Mitglieder verloren. Sie kommen jetzt zusammen noch auf gut 1,2 Millionen Mitglieder. Eine kurzfristige Ursache für die Mitgliederverluste sind parteispezifische Gründe wie Positionswechsel oder Änderungen bei der Auswahl von Koalitionspartnern. So verlor die SPD in der Debatte über Wirtschafts- und Sozialreformen der Agenda 2010 in den Jahren 2003 und 2004 rund 13 Prozent oder über 100.000 Genossen. Ob sich die Flüchtlingskrise noch in der Mitgliederzahlen der CDU niederschlägt, wird sich im kommenden Jahr zeigen.

„Längerfristige Gründe wurzeln im gesellschaftlichen Wandel“, sagte Niedermayer. Klassische Milieus lösen sich auf – wie die Industriearbeiterschaft, die traditionell der SPD zuneigt, oder das ländlich-katholische Milieu, das typischerweise zur Union tendiert. Der Forscher erklärte, die Individualisierung nehme zu, Gruppenbezüge würden geringer. Zudem verlören die Parteien allein durch Todesfälle jedes Jahr eineinhalb bis zwei Prozent ihrer Mitglieder. „Diese Zahl müssen sie erst mal neu gewinnen, um den Stand zu halten“, sagte Niedermayer.

Insa: AfD vertreibt ihre Wähler

Keine aktuelle Mitgliederzahl erhielt Niedermayer nach eigenen Angaben von der rechtspopulistischen AfD. Allerdings macht eine andere Erhebung hier Schlagzeilen: Nach dem Antisemitismus-Streit und der Spaltung der AfD-Fraktion in Baden-Württemberg verlieren die Rechtspopulisten stark an Zuspruch. Im Meinungstrend des Demoskopie-Instituts Insa für die Bild-Zeitung verlor die AfD zwei Prozentpunkte und sank bundesweit auf 12,5 Prozent.

„Jeder Siebte hat ihr nach den jüngsten innerparteilichen Konflikten den Rücken gekehrt“, sagte Insa-Chef Hermann Binkert der Zeitung. „Die AfD vertreibt ihre Wähler“, so Binkert. Die Unionsparteien gewannen laut Insa einen Punkt hinzu und kamen auf 31 Prozent. SPD und FDP büßten im Vergleich zur Vorwoche je einen halben Punkt ein und erreichten 20,5 Prozent beziehungsweise 7,5 Prozent. Die Grünen blieben bei zwölf Prozent. Die Linkspartei legte um einen Punkt auf elf Prozent zu.

Forsa: Union bundesweit wieder bei 36 Prozent

Nach einer anderen Umfrage kommt die AfD sogar nur noch auf acht Prozent. Das ist ein Prozentpunkt weniger als in der Vorwoche, heißt es im Forsa-Wahltrend für den Stern und RTL. CDU/CSU steigen hingegen um einen Punkt auf 36 Prozent, die SPD legt zwei Punkte auf 23 Prozent zu.

Forsa-Chef Manfred Güllner sagte: „Immer mehr Wahlberechtigte kehren der AfD den Rücken und wenden sich der SPD oder Union zu. Den Volksparteien trauen sie wieder stärker zu, mit den Problemen in Deutschland und Europa fertig zu werden.“ Die Grünen büßen in der Umfrage im Vergleich zur Vorwoche einen Punkt auf zwölf Prozent ein, auch die Linke verliert einen Punkt auf neun Prozent. Die FDP verharrt bei sechs Prozent.

(dpa/Bild/FAZ/wog/Niedermayer, Oskar: Parteimitglieder in Deutschland: Version 2015/2016)