Rot-Rot-Grün blockiert den Kompromiss
Trotz massiver Kritik aus Reihen der Union hat der Bundesrat das Erbschaftsteuergesetz blockiert. Die rot-rot-grünen Länder riefen den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat an. Damit geht der Streit über die Reform der Erbschaftsteuer nun doch wieder in die Verlängerung: Das heiß umstrittene Gesetz verzögert sich damit mindestens bis zum Herbst.
Erbschaftsteuer

Rot-Rot-Grün blockiert den Kompromiss

Trotz massiver Kritik aus Reihen der Union hat der Bundesrat das Erbschaftsteuergesetz blockiert. Die rot-rot-grünen Länder riefen den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat an. Damit geht der Streit über die Reform der Erbschaftsteuer nun doch wieder in die Verlängerung: Das heiß umstrittene Gesetz verzögert sich damit mindestens bis zum Herbst.

Trotz massiver Kritik aus Reihen der Union hat der Bundesrat das Erbschaftsteuergesetz vorläufig blockiert. Die rot-rot-grünen Länder riefen den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat an. Damit geht der mehr als ein Jahr dauernde Streit über die Reform der Erbschaftsteuer trotz des jüngsten Bundestagsbeschlusses (der Bayernkurier berichtete) nun doch wieder in die Verlängerung: Das heiß umstrittene Gesetz verzögert sich damit mindestens bis zum Herbst.

Nach dem Bundestagsbeschluss vor zwei Wochen – einem Kompromiss zwischen CDU/CSU und SPD – sollen bei größeren Unternehmen Firmenerben nur dann verschont werden, wenn sie nachweisen, dass sie die Steuer nicht verkraften. Ab einem Betriebsvermögen von 26 Millionen Euro je Erbfall greift eine Bedürfnisprüfung. Wer diese ablehnt und den Fiskus nicht in sein Privatvermögen blicken lassen will, kann ein „Abschlagsmodell“ nutzen: Mit wachsendem Vermögen wird ein größerer Teil versteuert. Betriebe mit bis zu fünf Mitarbeitern sind vom Nachweis des Arbeitsplatzerhalts befreit.

Seehofer warb eindringlich für den Kompromiss

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte im Bundesrat eindringlich für eine Zustimmung zu dem Gesetz geworben und von einem „ausgewogenen Kompromiss“ gesprochen. Er schütze den Bestand der mittelständischen Wirtschaft und erfülle die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Die Firmen benötigten Rechtssicherheit, um über Investitionen zu entscheiden. Es gehe in erste Linie um Arbeitsplätze.

Die bayerische Staatsregierung habe in den Verhandlungen für kleine Betriebe viel erreicht, so Seehofer: Wer nur fünf Arbeitnehmer beschäftigt, werde vom Lohnsummennachweis befreit. Außerdem verwies er auf die Verschonungsregeln für Familienunternehmen, die Arbeitsplätze weiterführen, sowie auf die neue Investitionsklausel: Damit könnten Investitionsvorhaben des Erblassers von den Erben durchgeführt werden, ohne dass hierfür vorgesehene Liquidität wegbesteuert wird. „Liquidität und Eigenkapital sind enorm wichtige Risikopuffer in Zeiten wirtschaftlicher Turbulenzen. Die globale Finanzkrise hat uns gezeigt, welche ökonomischen und gesellschaftlichen Risiken in dünnen Eigenkapitaldecken lauern“, warnte Seehofer.

Bayern wird höhere Belastungen verhindern

Der Freistaat Bayern werde sich in den Nachverhandlungen allen Forderungen nach höheren Steuereinnahmen widersetzten, sagte Seehofer weiter, auf dessen Druck weniger scharfe Vorgaben zugunsten der Unternehmen vereinbart wurden. Die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer stehen den Ländern zu und lagen zuletzt bei rund sechs Milliarden Euro pro Jahr. Das ist nicht einmal ein Prozent des Gesamt-Steueraufkommens.

Der bayerische Ministerpräsident formulierte sein standortpolitisches „Credo“ folgendermaßen: „Unsere kleinen und mittleren Familienbetriebe, unsere Mittelständler sind Garanten für gute Arbeitsplätze, beste Ausbildung, ökonomische Stabilität und soziale Sicherheit. Diesen Stabilitätsanker möchten wir nicht in den Händen von Heuschrecken oder im Ausland wissen.“

Rot-rot-grüne Blockade „äußerst ärgerlich“

Massive Kritik an der Anrufung des Vermittlungsausschusses durch die rot-rot-grünen Länder übte die Vorsitzende CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt: „Es ist äußerst ärgerlich, dass nun die Bundesländer einen zügigen Abschluss verhindern und damit zur Rechtsunsicherheit beitragen.  Das Verhalten kann ich in keiner Weise nachvollziehen. Die Grünen sind offenbar aus Prinzip dagegen. Das ist schade. Die Unternehmen in Deutschland brauchen dringend Rechtssicherheit.“

Der CSU war es dabei besonders wichtig, kleine Unternehmen nicht übermäßig zu belasten.

Gerda Hasselfeldt

Hasselfeldt lobte den bisherigen Kompromiss im Bundestag und warnte davor, ihn aufzuweichen: „Die Erbschaftssteuerreform ist ein ausgewogener Kompromiss, der den Vorgaben des Verfassungsgerichts Rechnung trägt und Arbeitsplätze sichert. Der CSU war es dabei besonders wichtig, kleine Unternehmen nicht übermäßig zu belasten. Das ist uns auf den letzten Metern noch gelungen: Für Unternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten soll die Lohnsummenprüfung nun entfallen. So entlasten wir noch mehr Unternehmen von unnötiger Bürokratie. Das ist ein wichtiges Signal gerade für unsere mittelständisch geprägte Wirtschaft.“

Ungewissheit für kleine Betriebe, Gefahr für Arbeitsplätze, Schaden für Deutschland

Der stellvertretende Vorsitzende der CSU-Landesgruppe und Wirtschaftspolitiker Hans Michelbach befürchtet nun Verunsicherung der kleinen Betriebe wegen der rot-rot-grünen Verzögerungstaktik. „Die Anrufung eines Vermittlungsverfahrens durch SPD und Grünen im Bundesrat zur Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer trägt zur weiteren Verzögerung und Unsicherheit im Mittelstand bei und schädigt den Wirtschaftsstandort Deutschland“, kritisierte Michelbach.

SPD und Grüne gefährden den Erhalt von Arbeitsplätzen.

Hans Michelbach

„Indem SPD und Grüne die Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer aufgrund parteitaktischer Erwägungen verzögern, lassen sie den Mittelstand zum wiederholten Mal im Ungewissen und schädigen die Übernahme von Betrieben erheblich. Zudem gefährden sie den Erhalt von Arbeitsplätzen“, sagte Michelbach, der auch Vorsitzender der Mittelstandsunion der CSU ist. „Nun kommt es für das Rückgrat unserer Volkswirtschaft, die Familienunternehmen, zu einer Hängepartie von ungewisser Dauer und mit ungewissem Ausgang. Die Sicherung der Generationenbrücke, für die sich die CDU/CSU vehement eingesetzt hat, droht auf diese Weise überlastet zu werden.“

Linke Klassenkampf-Attitüde und Neiddebatte

Vor allem die Motive der linken Parteien machen Michelbach zornig. „Die Grünen und Teile der SPD sehen die Erbschaftsteuer immer noch als eine Möglichkeit, ihre Klassenkampf-Attitüde zu propagieren“, kritisiert er. „Anstatt den Erhalt von Arbeitsplätzen in den Vordergrund zu rücken, versuchen sie die Diskussion zu emotionalisieren und eine Neiddebatte heraufzubeschwören. Das ist verantwortungslos und nicht akzeptabel.“

Vor allem über das Verhalten des Koalitionspartners SPD wundert sich Michelbach. SPD-Chef und Wirtschaftsminister Gabriel sei federführend bei den Kompromiss-Verhandlungen beteiligt gewesen. „Nach langem Ringen mit der SPD sind wir vor zwei Wochen im Bundestag zu einem guten und verfassungskonformen Kompromiss gelangt. Der Vorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel, war daran wesentlich beteiligt“, so Michelbach. „Es ist schon erstaunlich, wie wenig Rückhalt er offensichtlich innerhalb seiner eigenen Partei hat, wenn nun einige seiner Parteifreunde die von ihm selbst verhandelte Einigung nicht mittragen wollen.“

Kleine Unternehmen brauchen Rechtssicherheit

Auch Bayerns Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU) hatte den Bundestags-Kompromiss gelobt und Nachverhandlungen im Vermittlungsausschuss abgelehnt. „Mittelständische Unternehmen brauchen Rechtssicherheit, welche konkrete Steuerbelastung auf ihre Unternehmensnachfolger zukommt. Die Höhe der Erbschaftsteuer ist ein entscheidendes Kriterium bei bevorstehenden Investitionsentscheidungen. Diese dürfen nicht aus taktischen Gründen behindert werden“, betonte Huber.

Der Staatskanzleichef verwehrte sich auch dagegen, in Nachverhandlungen den Hebel für ein höheres Steueraufkommen zu sehen:

Eine verantwortungsvolle und zukunftsfähige Reform muss langfristiges Planen in den Betrieben unterstützen. Sie darf dem Generationenwechsel in den Unternehmen keine Hürden in den Weg legen.

Marcel Huber bekräftigte die weiterreichenden Pläne der bayerischen Staatsregierung: Sie lehnt eine bundeseinheitliche Steuerregelung ab, da die Steuer allein den Ländern zusteht. „Die Erbschaftsteuer muss regionalisiert werden“, forderte Huber. „Ihr Ertrag steht ohnehin allein den Ländern zu, daher sollte auch auf Landesebene die Höhe der Erbschaftsteuerbelastung bestimmt werden können. Länder, die Mehreinnahmen erzielen wollen, können dies dann in eigener Verantwortung so entscheiden.“

Rot-Rot-Grün will den Erben ans Portemonnaie

SPD, Grüne und Linkspartei in der Länderkammer halten die Verschonungsregeln für Firmenerben für überzogen und verlangen eine grundlegende Überarbeitung der Gesetzespläne. Sie behaupten, es handle sich um Steuergeschenke für die „wirklich Besitzenden“ und einer Überprivilegierung großer Vermögen. NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sagte, es gehe um eine angemessene Besteuerung. Wer dies fordere, sei kein Feind der Unternehmen. Große Vermögen müssten adäquat an der Finanzierung staatlicher Leistungen beteiligt werden. Der Entwurf der Bundesregierung sei akzeptabel gewesen, der Kompromiss von CDU, SPD und CSU im Bundestag gerade noch vertretbar, sagte Walter-Borjans. Es habe dann aber „ungezügelte Lobbyarbeit“ gegeben. Im Vermittlungsverfahren solle gesichert werden, dass die künftigen Regeln nicht erneut vom Verfassungsgericht gekippt werden.

Das Bundesfinanzministerium sieht mögliche grundlegende Korrekturen äußerst skeptisch. Seine Zuversicht, dass es eine bessere Lösung gebe, sei angesichts der unterschiedlichen Interessenlage „extrem begrenzt“, sagte Staatssekretär Michael Meister (CDU). Er rief den Bundesrat zu raschen Neuverhandlungen auf. Dafür sei „nicht unbegrenzt Zeit“, mahnte er. Er verwies darauf, wie „mühevoll“ es für die Regierung und die Koalition war, eine verfassungsgemäße Reform vorzulegen

Wirtschaft ist verärgert

Zur Verweisung der Erbschaftsteuerreform an den Vermittlungsausschuss erklärte Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw): „Die erneute Verzögerung der Entscheidung ist nicht nachvollziehbar. Nach einer sehr kontroversen Auseinandersetzung, in der alle Seiten Zugeständnisse gemacht haben, ist der von den Regierungsfraktionen ausgehandelte Kompromiss noch tragfähig, obwohl er die Erben von Unternehmen deutlich stärker belastet als bisher. Schlimmer darf es nicht werden. Außerdem brauchen unsere Unternehmen jetzt endlich Rechts- und Planungssicherheit.“

Brossardt machte deutlich: „Schon mit dem vorliegenden Entwurf wird es sehr viel schwieriger, sicherzustellen, dass im Generationenübergang kein wirtschaftlicher Schaden für das Unternehmen entsteht. Zudem mutet der Entwurf ausgerechnet Eigentümern sehr großer und für den Standort eminent wichtiger Familienunternehmen besondere Steuerlasten zu. Wer Unternehmenserben noch stärker belastet, riskiert die mittelständische Struktur unserer Unternehmenslandschaft.“

Die Rechtsunsicherheit für unsere Unternehmen bleibt so weiter bestehen und behindert die Betriebsnachfolge in vielen Fällen ganz massiv.

Georg Haber, Handwerkstag

Als „Katastrophe für das Handwerk“ bezeichnet Georg Haber, Vizepräsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT), die heutige Entscheidung des Bundesrates der Erbschaftsteuerreform die Zustimmung zu verweigern und den Vermittlungsausschuss anzurufen. Haber: „Die Rechtsunsicherheit für unsere Unternehmen bleibt so weiter bestehen und behindert die Betriebsnachfolge in vielen Fällen ganz massiv.“ Von dem zwischen den Regierungsparteien ausgehandelten Kompromiss hätten die meisten bayerischen Handwerksbetriebe profitiert. Denn er hatte vorgesehen, dass Betriebe bis zu einem Vermögen von 26 Millionen Euro ohne individuelle Bedürfnisprüfung erbschaftsteuerfrei hätten übertragen werden können. Für bis zu fünf Beschäftigte wäre kein Lohnsummennachweis erforderlich gewesen. Auch die steuerrechtliche Begünstigung von Investitionen wäre kleinen und mittleren Betrieben zugutegekommen, so der BHT-Vizepräsident.

Das bayerische Handwerk fordere die Bundesländer dringend dazu auf, nun so schnell als möglich das Vermittlungsverfahren einzuleiten und umgehend eine Einigung zu erzielen. „Wir brauchen endlich Rechtssicherheit für Betriebe, deren Übergabe ansteht“, betonte Haber. Im bayerischen Handwerk werden in den kommenden zehn Jahren Nachfolger für rund 40.000 Betriebe mit etwa 200.000 Beschäftigten und Auszubildenden benötigt.

Erst das zweite Vermittlungsverfahren seit Bundestagswahl 2013

Dies wird das zweite Vermittlungsverfahren über ein strittiges Koalitionsvorhaben in der laufenden Wahlperiode seit dem Herbst 2013. Das Länder-Votum bei der letzten Bundesratssitzung vor der Sommerpause galt bis zuletzt als offen. Die unionsgeführten Länder hatten auf Zustimmung gepocht, um für die Unternehmen Rechts- und Planungssicherheit zu schaffen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die schärferen Regeln eigentlich bis Ende Juni gefordert. Die Spitzen von Union und SPD hatten sich auch wegen Forderungen der CSU nach weniger scharfen Regeln für Firmenerben praktisch erst in letzter Minute auf Details verständigt. Der Bundestag hatte das Gesetz gebilligt.

Bisher müssen Unternehmensnachfolger generell kaum Steuern zahlen, wenn sie den Betrieb lange genug weiterführen und die Beschäftigung halten. Die Verfassungsrichter hatten Ende 2014 eine Begünstigung für zulässig erklärt, aber strengere Vorgaben verlangt.

dpa/PM/wog