3300 jugendliche Immigranten verschwunden
Laut bayerischem Sozialministerium sind im vergangenen Jahr 3300 jugendliche Immigranten, im Behördendeutsch „Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge“ (UMF), verschwunden. Man darf annehmen, dass der größte Teil davon – wie mehrere zehntausend erwachsene Immigranten auch – abgetaucht ist und zu Verwandten weitergereist ist. Die CSU warnt vor Panik.
Minderjährige Flüchtlinge

3300 jugendliche Immigranten verschwunden

Laut bayerischem Sozialministerium sind im vergangenen Jahr 3300 jugendliche Immigranten, im Behördendeutsch „Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge“ (UMF), verschwunden. Man darf annehmen, dass der größte Teil davon – wie mehrere zehntausend erwachsene Immigranten auch – abgetaucht ist und zu Verwandten weitergereist ist. Die CSU warnt vor Panik.

Mehr als 3300 in Bayern angekommene minderjährige Flüchtlinge sind im vergangenen Jahr verschwunden. Das bayerische Sozialministerium geht zwar davon aus, dass die meisten Jugendlichen nach der „Inobhutnahme“ durch die bayerischen Behörden auf eigene Faust zu Angehörigen weiterreisten. Doch gesicherte Erkenntnisse gibt es nicht. Die Sozialdemokraten üben sich dennoch in Betroffenheit, die CSU warnt vor Panikmache.

Demnach wurden 2015 exakt 4452 jugendliche Flüchtlinge als vermisst gemeldet, die ohne Eltern nach Bayern gekommen waren. Das geht aus den Antworten von Sozial- und Innenministerium auf zwei Anfragen der Landtags-SPD hervor. Im Behördenjargon heißen sie „Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge“ – daher  abgekürzt „UM“ oder auch „UMF“. Lediglich 1090 tauchten in Deutschland oder in Skandinavien wieder auf. „Darüber hinaus liegen derzeit keine weiteren Erkenntnisse vor“, heißt es in der Antwort des Sozialministeriums.

Manche Asylbewerber behaupten nur, minderjährig zu sein

Dazu kommt, dass ein Großteil der angeblichen Minderjährigen ohne Papiere kommt – wie auch sehr viele erwachsene Immigranten. Die Behörden haben also zunächst keinen objektiven Anhaltspunkt, wie alt solche Asylbewerber tatsächlich sind und muss sich auf deren Angaben verlassen. Da es sich herumgesprochen haben dürfte, dass Minderjährige in Deutschland ausgesprochen zuvorkommend und mit riesigem finanziellen Aufwand betreut werden, dürfte es auch hier einen gewissen Anteil geben, der nur vorgibt, minderjährig zu sein.

Ein Sprecher des Sozialministeriums verwies darauf, dass viele jugendliche Flüchtlinge zwar in Bayern in Obhut genommen wurden, weil die Hauptfluchtrouten über Bayern führen. Aber: „Für viele ist Bayern oder Deutschland gar nicht das Ziel.“ Auch UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, gehe nicht davon aus, dass die Jugendlichen in großen Zahl Opfer von Drogen- oder Prostitutionsringen würden, sagte die oberbayerische SPD-Abgeordnete Doris Rauscher. „Aber wir dürfen das nicht auf die leichte Schulter nehmen.“

CSU sieht andere Länder in der Pflicht

Dagegen warnt die Landtags-CSU vor Panikmache. „Die veröffentlichte Zahl von 3300 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die verschwunden sind, darf nicht zur Panikmache führen. Da die meisten Fluchtrouten über Bayern führen, erfolgen die Inobhutnahmen zwangsläufig hier. Viele Betroffene bleiben gar nicht hier, sondern haben Verwandte oder sonstige Angehörige in anderen Ländern“, betont der CSU-Sozialpolitiker Joachim Unterländer gegenüber dem Bayernkurier.

Unterländer sieht gleichzeitig die andern Länder in der Pflicht. „Es zeigt sich aber auch, wie wichtig eine entsprechende Verteilung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge entsprechend des festgelegten Schlüssels im ganzen Bundesgebiet und darüber hinaus ist. Daraus aber generell die falschen Schlussfolgerungen zu ziehen, hilft den Betroffenen nicht. Wir werden eine bedarfs- und fördergerechte Begleitung unbegleiteter Minderjähriger weiter unterstützen und fördern.“

Bundesweit waren im vergangenen Jahr 5835 geflohene Kinder und Jugendliche verschwunden. Nun steht fest, dass der Großteil dieser Fälle die bayerischen Jugendämter betrifft. Die meisten von ihnen trafen zuerst in Bayern ein, daher wurden sie auch in Bayern untergebracht. Eine Verteilung auf ganz Deutschland kam erst sehr spät in Gang, auch weil die Minderjährigen sehr hohe Kosten von bis zu 60.000 Euro pro Person und Jahr verursachen. Da hielt sich die Solidarität der anderen Bundesländer gegenüber dem Hauptzahlerland des Länderfinanzausgleichs, Bayern, in sehr engen Grenzen. Kritisierte der Freistaat diesen Ausgleich, wurde dagegen sehr schnell an seine Solidarität erinnert.

Keine Erkenntnisse über sexuellen oder anderweitigen Missbrauch

Ungeklärt ist auch, ob nicht zumindest einzelne Kinder und Jugendliche zu Opfern von Verbrecherbanden oder zu deren Mitgliedern geworden sind. In der bundesweit einheitlich geführten polizeilichen Kriminalstatistik gibt es kein Merkmal „unbegleiteter minderjähriger Flüchtling“. Der SPD-Abgeordnete Florian Ritter findet das „eigenartig“, denn da „geht es ja schließlich nicht um ein rassistisches Merkmal“. Umgekehrt darf man vielleicht auch dieses Argument von Ritter „eigenartig“ finden. Er wollte vor allem wissen, ob junge Mädchen und Frauen Zuhältern und Sextätern in die Hände fallen. Dafür gibt es bislang keine Indizien.

Dabei werden die vermissten Jugendlichen keineswegs nur in Deutschland gesucht, sondern im Schengener Informationssystem EU-weit zur Fahndung ausgeschrieben. „Beim Bayerischen Landeskriminalamt liegen derzeit keine Erkenntnisse über Flüchtlinge (Erwachsene und auch UMF) vor, die Opfer von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung oder zur Ausbeutung der Arbeitskraft geworden sind“, heißt es in der Stellungnahme des Innenministeriums.

(dpa/wog)