Wachpolizei auf Einbrecherjagd
Um die Welle von Einbrüchen einzudämmen, empfiehlt Bundesinnenminister Thomas de Maizière den Einsatz einer neuen "Wachpolizei". In Berlin, Hessen, Sachsen-Anhalt und Sachsen gibt es solche Zusatz-Cops bereits, die nach mehrwöchiger Ausbildung Streife gehen dürfen. Die Gewerkschaft der Polizei lehnt den Plan ab: „Mit einem Kurzlehrgang und Bewaffnung sollen Personallücken gestopft werden."
Kriminalität

Wachpolizei auf Einbrecherjagd

Um die Welle von Einbrüchen einzudämmen, empfiehlt Bundesinnenminister Thomas de Maizière den Einsatz einer neuen "Wachpolizei". In Berlin, Hessen, Sachsen-Anhalt und Sachsen gibt es solche Zusatz-Cops bereits, die nach mehrwöchiger Ausbildung Streife gehen dürfen. Die Gewerkschaft der Polizei lehnt den Plan ab: „Mit einem Kurzlehrgang und Bewaffnung sollen Personallücken gestopft werden."

Mit zusätzlichen Hilfspolizisten möchte Bundesinnenminister Thomas de Maizière gegen die Welle von Wohnungseinbrüchen vorgehen, die Deutschland seit einigen Jahren erschüttert. „Sehr nützlich ist eine so genannte Wachpolizei, die besetzt ist mit Kräften, die über eine Kurzausbildung verfügen und begrenzte Befugnisse haben“, erklärte der Minister gegenüber der Rheinischen Post. Ausgerüstet mit „Uniform und Waffe“ könnten diese Kräfte in besonders belasteten Vierteln Wache schieben. „Sie würden die Präsenz der Polizei erhöhen und können Meldungen machen“, hofft de Maizière.

Eine solche Wachpolizei existiert bereits in Sachsen, Hessen und in Berlin. In der Bundeshauptstadt sind die zusätzlichen Security-Leute vor allem im Objektschutz von Ministerien oder Botschaften eingesetzt, aber auch als Unterstützung im Strafvollzug. Das Land Hessen setzt rund 600 Wachpolizisten ebenfalls vorwiegend im Objektschutz ein, in Sachsen gehen mehrere hundert Hilfssherriffs in Uniform Streife vor Flüchtlingsunterkünften. Der Freistaat bildet sie zwölf Wochen lang aus und gliedert sie dann über Praktika in die Polizeiarbeit ein. Wachpolizisten, die dort länger als zwei Jahre im Angestelltenverhältnis beschäftigt sind, wurden auch schon in den regulären Polizeidienst übernommen.

Piercings und Tätowierungen müssen verborgen werden

Die sächsischen Behörden haben – wohl auch in Kenntnis, welche Klientel sie mit der Wachpolizei unter Umständen anziehen – klare Regeln erlassen: Piercings und Tattoos sind unter der Dienstkleidung zu verbergen. Die Embleme dürfen nicht gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstoßen. Vorstrafen dürfen Bewerber nicht haben. Ganz offensichtlich ist: Die Attraktivität des Patrouillen-Jobs für Leute aus dem Milieu privater Sicherheitsdienste könnte womöglich auch Probleme schaffen.

Da, wo Polizei draufsteht, sollte auch Polizei drin sein.

Rüdiger Holecek, GdP

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) steht de Maizières Vorschlag skeptisch gegenüber. „Mit einem Kurzlehrgang und Bewaffnung sollen da die Personallücken bei der Polizei gestopft werden“, sagt Sprecher Rüdiger Holecek. „Aber da, wo Polizei draufsteht, sollte auch Polizei drin sein.“ Mit den Zusatzpolizisten, die Präsenz zeigen sollen, würde nur „das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger manipuliert“. In Wahrheit sei die Einbruchskriminalität sehr komplex, vorwiegend ein Geschäft professioneller Banden. Holecek meint: „Da kommt die Wachpolizei schnell in die Gefahr wie auch Bürgerwehren, die sich mancherorts bilden: Der Job ist gefährlich. Aber sind sie den harten Jungs überhaupt gewachsen?“

Hinter dem Vorschlag des Innenministers steht nach Ansicht der GdP der Versuch, Versäumnisse der vergangenen Jahre auf die günstige Tour auszubügeln. „Der Personalabbau fällt denen auf die Füße“, glaubt Holecek. Insgesamt 16.000 Planstellen hätten die Länderpolizeien seit 2006 eingespart, vor allem im Osten der Republik. Derart drastische Zahlen bestätigen die Daten der Statistischen Landes- und Bundesämter freilich nicht. Der Personalabbau dürfte Untersuchungen zufolge eher bei 6000 Polizeistellen liegen. Eines der ostdeutschen Bundesländer, nämlich Sachsen-Anhalt, hat angesichts der jüngsten Flüchtlingswelle seit diesem Jahr die Einführung einer Wachpolizei mit 250 Mitgliedern beschlossen.

Zehn Prozent mehr Polizeistellen in Bayern

Für Bayern lässt sich der behauptete Personalabbau anhand der aktuellen möglichen statistischen Daten jedenfalls nicht bestätigen. Der Freistaat beschäftigte im Jahr 2007 genau 33.683 Polizisten, im Jahr 2011 waren es 33.755 Polizisten. Innenminister Joachim Herrmann findet: „Die bayerische Polizei ist top in Form.“ Stand 2016 verfüge sie gegenüber 2007 um zehn Prozent mehr Stellen, nämlich 41.370. Gleichwohl werben die bayerischen Behörden mit einer neuen Kampagne um mehr Bewerber, speziell um solche mit ausländischen Wurzeln. Sie hätten oft „einen direkteren Draht“ zu Bürgern mit Migrationshintergrund, hofft Herrmann.

Um die Einbruchswelle einzudämmen hat er mit seinen Innenministerkollegen aus Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz gerade eine Vereinbarung zur engeren Kooperation getroffen. „Die gut organisierten Einbrecherbanden, mit denen wir es zu tun haben, machen vor Ländergrenzen keinen Halt. Deshalb ist es wichtig, länderübergreifend zusammenzuarbeiten“, sagt Herrmann. Die Fahndungsbehörden sollen ihre Zusammenarbeit intensivieren und ein gemeinsames „Bekämpfungskonzept“ entwickeln. Von einer zusätzlichen „Wachpolizei“ ist in dem 8-Punkte-Programm der vier Bundesländer allerdings keine Rede.

Bayern gegen Wachpolizei

Bayern kann der „Wachpolizei“ nichts abgewinnen. „In Bayern setzen wir auf ein ande­res Modell“, sagte Innenminister Joa­chim Herrmann im Gespräch mit der NZ. Die bayerische „Sicherheits­wacht“ habe sich außerordentlich bewährt. Im Gegensatz zur „Wachpoli­zei“ verfügen die nur gegen eine Auf­wandsentschädigung tätigen Angehö­rigen der bayerischen „Sicherheits­wacht“ weder über Uniform noch Waf­fen. Ihre Aufgabe ist es, bei verdächti­gen Vorkommnissen die Polizei zu informieren. Die Angehörigen der Sicherheitswacht seien „weder Hilfs­polizei noch Bürgerwehr“, so Herrmann. Man habe sich auch bewusst gegen Uniformen und Waffen ent­schieden. Gleichwohl werde dadurch das Sicherheitsgefühl der Bürger erheblich gesteigert. Derzeit sind in Bayern 770 Bürger in 127 Kommunen des Freistaats in der Sicherheitswacht engagiert. Die Ausbildung übernimmt die Polizei, die auch bestimmt, wo die Helfer ein­gesetzt werden. Sein Ziel sei es, die Sicherheitswacht in den kommenden Jahren deutlich auszubauen, sagte Herrmann.

Auch die pauschale Forderung de Mai­zières nach mehr Videoüberwachung in öffentlichen Räumen schränkte Bayerns Innenminister Herrmann ein. Diese sei nur unter engen rechtlichen Voraussetzungen möglich, nämlich an „eingrenzbaren Kriminalitätsbrennpunkten“, bei denen es bereits häufig zu Straftaten gekommen sei. Dabei habe man mit Videoüberwachung sehr gute Erfah­rungen gemacht. Skeptisch äußerte sich Herrmann zum Einsatz von Videokameras zur Bekämpfung der Wohnungseinbruchs­kriminalität. Ob in solchen Bereichen Videoüberwachung möglich sei, kön­ne nur im Einzelfall entschieden wer­den, so der Minister: „Das dürfte aber eher selten vorkommen.“ Bayern setze bei gehäuft vorkommenden Einbruchsdelikten auf verstärkte Polizei­präsenz – uniformiert oder zivil.

Die Stadt München hat erst vergangene Woche die Einführung eines kommunalen Ordnungsdiensts beschlossen. Der CSU-Bezirksverband Nürnberg-Fürth-Schwabach forderte für den Großraum ebenfalls einen kommunalen Ordnungsdienst (der Bayernkurier berichtete).

Michael Frieser MdB. (Foto: Thomas Lother)

Michael Frieser MdB. (Foto: Thomas Lother)

Der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Michael Frieser, begrüßte hingegen die Pläne des Bundesinnenministers: „Wachpolizisten sind bereits nach einer wenige Monate dauernden Ausbildung einsatzbereit und können so schnell und flexibel gegen die immer häufiger zuschlagenden Einbruchsbanden eingesetzt werden, insbesondere um Aufgaben des Objektschutzes zu übernehmen.“